Thursday, October 19, 2006


Vorlesung zur Geschichte und Kultur der Völker Kaukasiens - Universität Bonn

Am 17. Oktober 2006 begann an der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität in Bonn eine Vorlesungsreihe zur "Geschichte und Kultur der Völker Kaukasiens". Die Veranstaltungen findet jeweils dienstags 9 bis 11 Uhr im Hörsaal XII statt.
Die spezifische geopolitische Lage und die äußerst wechselvolle Geschichte der Region an den Peripherien mehrerer Großreiche hat Kaukasien, das 2% des Territoriums mit ca. 30 Mio. Menschen der ehemaligen Sowjetunion umfasste, kulturräumlich zu einer äußerst interessanten, wenn auch komplizierten, Nahtstelle zwischen Europa und Asien werden lassen: Hochentwickelte Kulturen (Kura-Arax-Kultur, Trialeti-Kultur) sind seit dem 3. Jt. v. Ch. belegt, Traditionen von Stammesföderationen und Staatsbildungen reichen bis in vorchristliche Zeit zurück. Kaukasien war Durchzugs- und Herkunftsgebiet indogermanischer/ arischer Stämme, gehörte zum östlichen Einflussbereich mediterraner Kulturkreise, war Missionsgebiet des Christentums seit dem 4. Jahrhundert und seit dem 8. Jahrhundert nördliche Peripherie der islamischen Welt unter arabischer, persischer und osmanischer Herrschaft bis seit dem 18. Jahrhundert die Eroberung durch Russland zu einer neuzeitlichen Überprägung der orientalisch-kaukasischen Lebenswelten führte. Die Übernahme verschiedenster äußerer Einflüsse korrespondierte bei der Randlage und insbesondere in Zeiten politischer Schwäche des Zentrums mit einem spezifischen Bewahrungsvermögen, ja Selbstbehauptungs- und Machtansprüchen, die bis zu dynastischen Gründungen und Blütezeiten führten. Eingriffe in die Verhältnisse durch den russischen Kolonialismus und die Sowjetisierung hinterließen tiefe Spuren, die der über Jahrhunderte gewachsenen sprachlichen, religiösen, kulturellen und sozialökonomischen Heterogenität Züge tiefgreifender gesellschaftlicher Deformation hinzufügten. Massenexodus durch die kaukasischen Kriege im 19. Jh., Eingriffe in traditionelle Rechtssysteme und Sozialbeziehungen, willkürliche Grenzziehungen und künstliche Nationalitätenschöpfung, Deportationen von Völkerschaften und politische Massenverfolgungen, Umsiedlungen und Zwangsansiedlungen, industrielle Großprojekte und intensive Ressourcenausbeutung sind Bestandteil eines Erbes, welches nicht nur Russland in Nordkaukasien, sondern auch die drei Republiken Armenien, Aserbaidschan und Georgien bewältigen müssen. Inhalt der Vorlesung wird es sein, Grundzüge dieser Entwicklungen aufzuzeigen.

Einführende Literatur
Auch, Eva-Maria (Hg.): Lebens- und Konfliktraum Kaukasien. Gemeinsame Lebenswelten und politische Visionen der kaukasischen Völker in Geschichte und Gegenwart. Kiel, edition barkau, 1996.
HALBACH, Uwe; KAPPELER, Andreas: Krisenherd Kaukasus. Baden-Baden, Nomos, 1995 (= Nationen und Nationalitäten in Osteuropa; 2).
HOETZSCH, Otto: Rußland in Asien. Geschichte einer Expansion. Mit einem Vorwort von Klaus Mehnert. Stuttgart 1966.
KAPPELER, Andreas: Rußland als Vielvölkerreich, München 2002.
MINORSKY, Vladimir: The Turks, Iran and the Caucasus in the Middle Ages. London 1978 Variorum, Reprints (Collected Studies Series; 83).
MECKELEIN, Wolfgang: Nordkaukasien. Eine landeskundliche Untersuchung in Auszügen ausgewählt und annotiert von Jörg Stadelbauer. Stuttgart 1998 (= Stuttgarter Geographische Abhandlungen, 127) (Posthume Veröffentlichung der Dissertation von 1951).
Sarkisjanz, Emanuel: Geschichte der orientalischen Völker Rußlands bis 1917. Eine Ergänzung zur ostslawischen Geschichte Rußlands. Mit einem Vorwort von Berthold Spuler. Oldenbourg, München 1961.
SUNY, Ronald (Hg.): Transcaucasia: Nationalism and Social Change. Essays in the History of Armenia, Azerbaijan and Georgia. Ann Arbor 1983 (= East European Series, 2). Revised edition: University of Michigan Press, Ann Arbor 1996.

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