Monday, March 30, 2020

NON-BENEFIT FOUNDATION: We. Help. Georgia. - in the Coronacrisis. By Rainer Kaufmann

Necessity is the mother of invention, we said to ourselves and did not accept the total closure of our restaurant in Tbilissi, which has been working since more than 20 years. For that would have meant dismissing almost two dozens of - mostly long-standing and loyal - employees into Georgian unemployment. Everyone who knows the country knows what that means. No one can say today whether after the crisis we would then have been able to build up a new workforce immediately.

That is why we established a non-profit foundation:

We.
Help.
Georgia.

The current starting point: Some social institutions such as the soup kitchen of the Protestant Lutheran Church in Georgia (ELKG) or the Michael-School for the Disabled, which is supported by the Solingen Association for the Promotion of Disability Aid in Georgia, had to shut down. This means that dozens of families or children in need are without a daily hot meal they have received so far.

We mainly asked our regular guests of our Tbilissi hotel and restaurant in Germany for support and within a few days we found a fine number of sponsors who would support us for the next three months with an amount of € 75 per month. There were also three noble individual donations from our partners. This means that we can now provide around 50 meals a day for three months and also deliver them in Tbilisi.

For this overwhelming result we would like to thank everyone in the name of those who benefit, those who have safe jobs now and those who continue to be provided with a good meal every day.

The commitment of our guests and partners is an important sign of mutual appreciation for all of us, which we will never forget. We have therefore decided to continue to run this foundation for the time after the restrictions caused by the Corona crisis, with the kind support of mister Martin Gramm, a long-time guest from Eppelheim/Germany. There he is a member of the city council as well as of the parish council of the Protestant parish.

Our companies - ERKA-Reisen GMbH, ERKA-Travel-Tbilissi and Hotel Kartli with Rainers European Restaurant - will provide this foundation with basic funding and develop a targeted program to care for needy families and children (keyword: street children), as soon as we are back in anormal working mode. We will, of course, inform the public about this program, as we will also report regularly on our three-month campaign.

If you want to support our social commitment now and in the future, we look forward to every single contribution. In Germany, the Protestant parish of Eppelheim, which has supported the ELKG in Tbilisi for years, has agreed to accept the donations for us and to issue a corresponding donation receipt if requested. Their bank account is:

IBAN: DE17 6725 0020 0001 5113 51, BIC: SOLADES1HDB (Sparkasse Heidelberg), keyword: Help for Georgia.

In Georgia we have the following bank details:

JSC TBC Bank, Tbilisi / Georgia, IBAN: GE75TB7454336180100004, recipient: Vekhmarebitsakartvelos

If you have any questions, please contact us at the following email address: rainer@georgian-aid.com With kind and grateful regards

Rainer Kaufmann Gabi Kaufmann Natia Kodiashvili Salome Gugunishvili
ERKA-Reisen GmbH - Hotel Kartli - Rainers European Restaurant - ERKA-Travel/Tbilissi

Sunday, March 29, 2020

GEMEINNÜTZIGE STIFTUNG: Wir. Helfen. Georgien. - in der Corona-Krise. Von Rainer Kaufmann - Update 02.04.2020

Not macht erfinderisch, haben wir uns gesagt und uns nicht mit der völligen Schließung unseres Restaurants in Tbilissi abgefunden. Denn das hätte bedeutet, knapp zwei Dutzend – meist langjährige und treue – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die georgische Arbeitslosigkeit zu entlassen. Was das heißt, weiß jeder, der sich im Land auskennt. Und ob wir dann nach der Krise wieder in der Lage gewesen wären, aus dem Stand heraus eine arbeitsfähige Belegschaft aufzubauen, kann heute niemand sagen.

Deshalb haben wir eine gemeinnützige Stiftung gegründet:

Wir.
Helfen.
Georgien.

Der aktuelle Ausgangspunkt: Einige soziale Einrichtungen wie die Suppenküche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien (ELKG) oder die Michaelsschule für Behinderte, die vom Solinger Verein zur Förderung der Behindertenhilfe in Georgien unterstützt wird, mussten ihren Betrieb einstellen. Damit sind Dutzende an bedürftigen Familien oder Kinder ohne eine tägliche, warme Mahlzeit, die sie bisher bekamen.

Wir haben vor allem unter unseren Stammgästen von Hotel und Restaurant in Deutschland um Unterstützung geworben und innerhalb weniger Tage eine stolze Zahl von Sponsoren gefunden, die uns für die nächsten drei Monate mit einem Betrag von monatlich € 75 unterstützen. Dazu kamen drei stolze Einzelspenden unserer Partner. Damit können wir jetzt für drei Monate rund 50 Essen am Tag bereit stellen und in Tbilissi auch ausliefern.

Für dieses überwältigende Ergebnis bedanken wir uns im Namen all derer, denen es zugute kommt, denen, die ihren Arbeitsplatz gesichert sehen, und denen, die weiter mit einem guten Essen am Tag versorgt werden.

Dieses Engagement unserer Gäste und Partner ist für uns alle ein wichtiges Zeichen gegenseitiger Wertschätzung, das wir nie vergessen werden. Wir haben uns deshalb entschlossen, auch für die Zeit nach den Einschränkungen durch die Corona-Krise diese Stiftung weiter zu führen, mit freundlicher Unterstützung von Martin Gramm, einem langjährigen Gast aus Eppelheim. Er ist dort Stadtrat und Kirchengemeinderat der Evangelischen Kirchengemeinde.

Unsere Firmen – ERKA-Reisen GMbH, ERKA-Travel/Tbilissi und Hotel Kartli mit Rainers European Restaurant – werden, sobald sie sich wieder in einem normalen Arbeitsmodus befinden, diese Stiftung dann weiter mit einer Grundfinanzierung ausstatten und ein gezieltes Programm zur Versorgung bedürftiger Familien oder Kinder (Stichwort: Straßenkinder) erarbeiten. Über dieses Programm werden wir die Öffentlichkeit selbstverständlich informieren, wie wir auch über unsere Dreimonats-Aktion regelmäßig berichten werden.

Wenn Sie unser soziales Engagement jetzt aktuell und auch in Zukunft unterstützen wollen, freuen wir uns über jeden einzelnen Beitrag. In Deutschland hat sich die Evangelische Kirchengemeinde Eppelheim, die seit Jahren die ELKG in Tbilissi unterstützt, bereit erklärt, die Spenden für uns entgegenzunehmen und auf Wunsch eine entsprechende Spendenquittung auszustellen.

Die Konto-Verbindung:

IBAN: DE17 6725 0020 0001 5113 51, BIC: SOLADES1HDB (Sparkasse Heidelberg), Stichwort: Hilfe für Georgien.

In Georgien haben wir folgende Bankverbindung:

JSC TBC Bank, Tbilissi/Georgien, IBAN: GE75TB7454336180100004, Empfänger: Vekhmarebit sakartvelos

Für Rückfragen erreichen Sie uns unter folgender Email-Adresse: rainer@georgian-aid.com

Mit freundlichem und dankbaren Grüßen

Rainer Kaufmann, Gabi Kaufmann, Natia Kodiashvili, Salome Gugunishvili, ERKA-Reisen GmbH – Hotel Kartli – Rainers European Restaurant – ERKA-Travel/Tbilissi

+++

Update 02.04.2020

Gestern hat das Team von Rainers Pizzeria in Tbilissi ein Wohltätigkeitsprojekt gestartet. Wir beliefern in einer eigens hierfür gegründeten Stiftung ab sofort bis zu 50 bedürftige Menschen täglich mit einem warmen Essen. Mit großzügiger Unterstützung unserer langjährigen Kunden von Hotel und Restaurant überwiegend aus Deutschland können wir diesen Service für die nächsten drei Monate garantieren. Demnächst gibt es mehr Informationen auf einer eigenen webseite www.georgian-aid.com. Auskünfte gibt es jederzeit auch unter der E-mail-Adresse: rainer@georgian-aid.com.









Saturday, March 28, 2020

GESCHICHTE: Georgien - Spielball im "Great Game" - über Georgiens Geschichte und das ambivalente Verhältnis zu Russland - von Philipp Ammon. Rezension von Claus-Dieter Stille. via @derfreitag


Buchbesprechung [freitag.de] Philipp Ammon hat es unternommen, ein tief lotendes Buch über Georgiens Geschichte und das ambivalente Verhältnis zu Russland geschrieben

Über Georgien hört man im Grunde nichts bzw. sehr selten etwas. Erst recht nicht heute, in Zeiten, wo der Corona-Virus "regiert". Ein kleiner, christlich geprägter Staat (sh. Wikipedia) mit gerade einmal 3.729.635 Einwohnern. Das Land erklärte sich am 26. Mai 1918 für unabhängig und erlangte nach dem Ende der UdSSR am 9. April 1991 wieder die Unabhängigkeit. Ich kannte das Land lange nur unter der vom Russischen herrührenden Bezeichnung Grusinien (Грузия (Grusija) früher gelegentlich auch Grusien oder Grusinien genannt; Quelle: Wikipedia).

Zuletzt war Georgien während der Olympischen Spiele in Peking stärker in den Fokus der Nachrichten gerückt. Micheil Saakaschwili, von 2004 bis 2013 Staatspräsident Georgiens, (an dessen geistiger Gesundheit so mancher zweifelte) ließ, während die Weltöffentlichkeit mit den Olympischen Spielen beschäftigt war, in der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008 – also zeitgleich mit dem Beginn der Olympischen Spiele in Beijing - die Hauptstadt der "abtrünnigen Republik" Südossetien, Zchinwali, militärisch angreifen, um dieses - innerhalb der Grenzen der früheren sowjetischen Teilrepublik Georgien gelegene - Territorium (erstmals seit der Zerstörung der UdSSR) der Hoheit des unabhängigen georgischen Staates zu unterstellen. Russland, das sich als Schutzmacht Südossetiens verstand (und versteht), reagierte mit einem militärischen Gegenschlag und drang auf "kerngeorgisches" – wie es hieß - Territorium vor.

Über die Geschichte Georgiens dürften viele von uns – beschönigend ausgedrückt - keine größere Kenntnis besitzen. Das Verhältnis von Georgien und Russland ist ambivalent. Der Historiker Philipp Ammon charakterisiert es in seinem Buch „Georgien zwischen Eigenstaatlichkeit und russischer Okkupation. Die Wurzeln des Konflikts vom 18. Jh. bis 1924“ als „tiefverwurzeltes, gleichsam metaphysisches Spannungsverhältnis“ . Gegen Ende seines hochinteressanten Buches lesen wir in den Schlussbetrachtungen:

„Im Verhältnis der beiden christlich-orthodoxen Länder unterschiedlich ausgeprägter Tradition spiegelt sich ein Muster von Nähe und Fremdheit, von Verbundenheit und Abkehr, von russisch-imperialer Homogenisierung und georgischer Identitätsbehauptung. Die Beziehung von Georgiern und Russen war von Anbeginn die ungleicher Partner. Seit dem späten Mittelalter sehen wir das kleine Georgien als beim nördlichen Reich Schutzsuchenden. Das Zarenreich war hingegen seit Peter d. Gr. an einer Ausgangsbasis für ein weiteres imperiales Ausgreifen nach Persien – späterhin mit Perspektive auf Indien – und den Dardanellen interessiert. Eine Harmonisierung derart unterschiedlicher Interessen fand zu keiner Zeit statt. Wie schon erstmals im Jahr 1483 König Alexander I. von Kachetien gegenüber dem Großfürsten – in der Selbstbezeichnung gegenüber Mindermächtigen sich erstmals „Zar“697 bezeichnenden – Ivan III. d. Gr. oder um 1720 Vaxt’ang VI. gegenüber Peter d. Gr. traten bei den Verhandlungen zu dem immer wieder zitierten Vertrag von Georgïevsk 1783 die Georgier als Bittsteller auf. Auf die von Georgiern bis heute als "Verrat" gedeutete verheerende Niederlage von K’rc’anisi (1795) gegen die Perser folgte die unter demütigenden Umständen vollzogene Annexion von 1801. Die Wegführung der Bagratiden nach Russland erscheint symbolhaft für den rücksichtslosen Umgang des Imperiums mit dem hilflosen kaukasischen Königreich. Anders als beim Anschluss der baltischen Provinzen unter Peter d. Gr., bei welchem sämtliche ständischen Rechte gewahrt und die deutsche Selbstverwaltung beibehalten wurde, oder bei der Inkorporation des durch einen Bagratidengeneral eroberten Finnland (1809) nahmen die Russen bei der Annexion Georgiens keine Rücksicht auf die lokalen Traditionen. Der Modus der Annexion – der dem Adel unter Bajonetten aufgezwungene Treueid in der Zionskirche 1802 – blieb im historischen Gedächtnis des Volkes, nicht nur des Adels haften. Zum ersten Bezugspunkt des verletzten Rechtsbewusstseins wurde so die Missachtung der im Vertrag von Georgïevsk getroffenen und in den Bittpunkten vom Zaren bestätigten Vereinbarung über die Beibehaltung des bagratidischen Königtums. Die Inkorporation Georgiens folgte demselben Muster wie die der benachbarten muslimischen Khanate.

697 v. Rimscha, S. 142.“

Nichtsdestotrotz, arbeitet der Autor heraus, gibt es in beiden Völkern Sympathien für das jeweils andere Volk. Ebenso freilich Antipathien.

Das wird auf Seite 212 des Buches verständlich:

"Fehlwahrnehmungen, machtgestütztes Vorgehen der Russen und Widerstand der Georgier führten zu Entfremdung. Doch die russische Dichtung löste sich nie von ihrem Traumland Georgien. Um eine einseitige Sicht der Dinge zu vermeiden, galt es, die unter russischer Herrschaft erzielten zivilisatorischen Fortschritte im Kaukasus zu berücksichtigen. Die russische Verwaltung beendete Jahrzehnte barbarischer Einfälle und islamischer Fremdherrschaft.705 Die drohende Vertilgung des georgischen Volkes wurde abgewendet. Schließlich brachte die russische Expansion in Transkaukausien eine "Sammlung der georgischen Erde" zuwege, die Verwirklichung des georgischen Traumes seit der Mongolenzeit.706 Georgien verdankte seine Konsolidierung als einheitlicher politischer Raum gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Machtentfaltung des petrinischen Imperiums. Durch wirtschaftlich-technische und administrative Integration schuf Russland überhaupt erst die Voraussetzungen für die Herausbildung georgischer Staatlichkeit. Die unter imperialer Ägide entstandenen Institutionen bildeten die Vorformen des georgischen Staates. Die Leistungen Russlands in Georgien wurden überwiegend anerkannt. Auch die Vereinigung Georgiens durch russische Annexionen wurde als politischer Gewinn erkannt. Erst unter dem Szepter des Zaren war das alte Georgien fast wiedervereint." 

Ebenfalls interessant:

"Zu den Besonderheiten der russisch-georgischen Geschichte gehört, dass die Loyalität gegenüber dem Zarenreich seitens nationalbewegter Georgier trotz aller erfahrenen Härten über lange Zeit nicht in Frage gestellt wurde. Im Jahre 1880 – vor dem Regierungsantritt Alexanders III. – schrieb der Journalist Sergi Mesxi in der Zeitschrift Droeba, dem Sprachrohr der Nationalbewegung: "Wir haben uns guten Willens Rußland anvertraut, dem wir grenzenlos ergeben sind." Er fügte jedoch warnend hinzu, der Schulinspektor Janovskïj "versündigt sich gegenüber Rußland, weil er versucht, ihm die Liebe und Ergebenheit des georgischen Volkes zu rauben"." Anscheinend hat sich Sprache, Kirche und Kultur Georgiens unter der Sowjetherrschaft sogar zeitweise günstiger entfalten können als unter der Herrschaft des Zaren: "Die unterschwellig gleichwohl stets herbeigesehnte nationale Unabhängigkeit fiel den Georgiern in den Revolutionsjahren 1917/18, genauer: im Gefolge von Brest-Litowsk, eher zufällig zu. Mit dem durch die deutsche Niederlage besiegelten Umschwung der Machtverhältnisse sah sich das unabhängige Georgien in einer teils bekannten, teils neuartigen Zwangslage: im Süden die Jungtürken, im Norden die Bolschewiken. Der Verlust der Unabhängigkeit war indes nicht das Werk Lenins, sondern jener georgischen Bolschewiken, die ihr Heimatland in das neue, vermeintlich völkerverbindende Sowjetreich heimholen wollten. Zur Ironie der russisch-georgischen Geschichte gehört die Tatsache, dass sich Sprache, Kirche und Kultur Georgiens unter der Sowjetherrschaft zeitweise ungestörter entfalten konnten als unter den Zaren. Zu Recht verweist Reisner darauf, dass sich die Dialektik von russischem Machtausbau und georgischer Selbstbehauptung in vollem Umfang sogar erst in Zeiten der Sowjetherrschaft entfaltete, als der Ausbau georgischer nationaler Institutionen – zu nennen sind hier nicht nur Schulen, Universitäten, Akademien, sondern auch die kommunistische Staatspartei Georgiens, der Staatsapparat und der Geheimdienst – voranschritt. Anders als Rosa Luxemburg erkannte Lenin der Nation durchaus eine fortschrittliche Funktion zu." 

Was man auch berücksichtigen sollte:

"Die Loyalität der Georgier gilt der Kirche, nicht ihrem Staat. Diese geringe Staatsbindung verleiht den Regierungswechseln seit dem Ende der Sowjetherrschaft revolutionären bis bürgerkriegsartigen Charakter, verbunden mit jeweils komplettem Austausch der Staatsdienerschaft. Politik gerät in Georgien in die Nähe einer permanenten stásis – ein Moment, das von den Georgiern selbst leider kaum reflektiert wird. Weit bequemer ist es, die schwache Staatlichkeit auswärtigen Mächten wie Russland anzulasten." 

Noch immer wird in Georgien Stalin hochverehrt; während auf der anderen Seite Antikommunismus existiert. Beides werde jedoch nicht als Widerspruch empfunden.

Am schwierigen Verhältnis zwischen Russland und Georgien – lesen wir aus dem Text von Ammon heraus dürften beide Staaten wechselseitig nicht frei von Schuld sein:

"In diesem Zusammenhang spielt aber auch das von Dostoevskïj und Vasilïj Rozanov722 beklagte Desinteresse der Russen an der Historie, nicht zuletzt an Geschichte und Selbstverständnis der imperial angeeigneten Völker, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Umgekehrt leidet auch die georgische Historiographie nicht an übertriebener Selbstkritik. Beide Dispositionen sind einer vernünftigen Politik nicht förderlich. Selbst da, wo mit großem Aufwand Versuche einer Verständigung unternommen werden, zeichnet sich keine Wende zum Positiven ab." 

Georgien ist nicht zuletzt so etwas wie ein Spielball – meint Philipp Ammon – in einer Neuauflage des "Great Game" zwischen den USA und Russland im Nahen Osten. Nichts so ganz eues: Habe doch Georgien seinerzeit Peter dem Großen als Aufmarschgebiet gegen Persien gedient. Und in der Gegenwart werde das Land nun von den USA und Israel in eine vergleichbare Rolle als strategische Basis gegen Iran manövriert. Ob Georgien gut beraten war (freilich in der verständlichen Absicht sich von russischem Einfluss fernzuhalten) sich die USA als neue Schutzmacht quasi an den Hals zu schmeißen, nachdem es wohl nicht an entsprechenden Winken aus Washington gefehlt haben dürfte, darf m.E. stark bezweifelt werden.

Der Vorhang zu und alles Fragen offen, könnte man nach der Lektüre betreffs des Verhältnisses zwischen Russland und Georgien sagen. Denn von positiven Aussichten betreffs einer möglichen Verbesserung des Verhältnisses beider Länder kann das Buch freilich keine Kunde geben.

Um aber zu verstehen, um nachzuvollziehen warum die Situation so ist wie sie heute ist, war es sehr lehrreich, dieses Buch von Philipp Ammon zu lesen. Man kann es durchaus als veritables Geschichtsbuch mit einer Fülle von genau beschriebenen Hintergründen bezeichnen. Ammon hat für das Buch unglaublich tief gelotet und viel Wissenswertes an den Tag befördert. Eine unglaubliche Fleißarbeit, die nicht hoch genug geschätzt werden kann, leistete der Autor augenscheinlich, die jedoch nötig war, um möglichst alle erreichbaren Quellen (akribisch aufgeführt) zu studieren, um diese Arbeit zu leisten. Einfach so und sozusagen in einem Rutsch ist das Buch – mit den vielen Hinweisen und Quellenangaben – logischerweise nicht zu lesen. Aber es ist für diejenigen, welche sich für dieses ansonsten meines Wissens wenig beackerte Thema interessieren dann doch unverzichtbar. Das Buch dürfte darüber hinaus aber auch für einen breiteren Leserkreis von Interesse sein. Die Zeit zur Lektüre dieses Buches wird man sich dann gewiss gerne nehmen. Und in der Corona-Krise hat sicher manche/r womöglich auch die Muße sich dem Buch in Ruhe zu widmen.

Das Buch

Philipp Ammon: Georgien zwischen Eigenstaatlichkeit und russischer Okkupation. Die Wurzeln des Konflikts vom 18. Jh. bis 1924
Neuauflage Neuauflage der ersten Ausgabe von 2015 mit einem Nachwort von Uwe Halbach
2020. 238 Seiten. Kt 29,80 €
Format 14 x 21,5 cm
ISBN 978-3-465-04407-9
Klostermann Rote Reihe 117

Saturday, March 07, 2020

WORLDMUSIC: LAKVAR - founded by Georgian composer and guitarist, Zura Dzagnidze, and the Hungarian-Bulgarian singer Hajnalka Péter

LAKVAR, is an exciting new World Music group, founded by Georgian composer and guitarist, Zura Dzagnidze, and the Hungarian-Bulgarian singer Hajnalka Péter. The band includes an array of talented and diverse musicians: the Hungarian Jazz bass player Péter Papesch, young Bulgarian-Turkish percussionist Tayfun Ates, German Jazz violin player Florian Vogel, Italian drummer Santino Scavelli. Lakvar´s sound brings together the band’s musical and cultural backgrounds, drawing on roots in Folk, Jazz, and world music, as well as other modern and traditional influences. Their music plays with darkness and light to create a unique and original sound. 



Hajnalka’s unique vocal character use different traditional styles to unlock gates to hidden emotion, emerging from the music like a mystical and ancient spell. Strong and soaring melodies combine with complex rhythms, moments of stillness and fragility, as well as free and fearless improvisation and virtuosity. Not limited by convention, LAKVAR take musical risks to break through the borders and boundaries of musical traditions and open up new paths between them. Impulsive, and surprising, the music is a reflection of how cultures connect and move forward.


LAKVAR BIO
Zura Dzagnidze - guitar
Hajnalka Péter - vocal, percussion
Péter Papesch - bass guitar
Tayfun Ates - percussion
Aleksejs Maslakovs
Florian Vogel - violin
Santino Scavelli - drums

Website: lakvar.com
Facebook: facebook.com/lakvarmusic
Instagram: instagram.com/lakvarmusic
Bandcamp: lakvar.bandcamp.com

Thursday, March 05, 2020

GASTKOMMENTAR: Georgiens Sehnsucht nach dem mächtigen Freund. Von Philipp Ammon (2017) via @NZZ

[nzz.chNeben Armenien ist Georgien das einzige christliche Land im Kaukasus und steht entsprechend isoliert da. Die Zeiten, da man sich Russland als Schutzmacht auserkor, sind vorbei. Doch was folgt danach?


Am 18. März 2014 hielt Präsident Putin im Georg-Saal des Kreml eine Rede an die russische Nation, in der er die Krim als «so heilig wie den Tempelberg» bezeichnete. Kurz darauf erklärte er, dass er in der Ukraine auch jenen Teil der Bevölkerung zu verteidigen gedenke, welcher sich der «weiten russischen Welt» zugehörig fühle. Unter dieser ist nicht allein die Landmasse der Russischen Föderation zu verstehen, sondern der gesamte Raum, den Russland je kulturell geprägt hat. Darin eingeschlossen sind auch jene Länder, in denen die UdSSR russische Minderheiten hinterlassen hat.

Während es in der Anglosphäre ein real existierendes Gefühl von Zusammengehörigkeit gibt, verleiht Putin mit der Idee der russischen Welt jenem imperialen Phantomschmerz Ausdruck, den er 2005 in die Worte fasste, der Zerfall der Sowjetunion stelle «die grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts» dar. Seine Präsidentschaft ist der Versuch, die seit 1991 erlittenen Verluste zu revidieren bzw. den weiteren Zerfall der russischen Landmacht zu beenden. Von Anbeginn richtete er sein Augenmerk auf den Kaukasus, zunächst auf Tschetschenien, dann auf Georgien, welches ihm im August 2008 durch das kurzschlüssige Handeln seines Präsidenten Saakaschwili einen glücklichen Vorwand zum russischen Teileinmarsch lieferte.

Russland und der Kaukasus
Den russischen Anspruch auf den Kaukasus verdeutlicht eine Episode, die sich kurz nach dem Untergang der Sowjetunion in einer Dahlemer Villa zutrug. Der letzte Oberkommandierende der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte Matwei Burlakow und der letzte in Bonn residierende sowjetische Botschafter Juli Kwizinski beklagten gegenüber dem Verleger Wolf-Jobst Siedler den Verlust des Kaukasus, insbesondere Georgiens. Dagegen äusserten sie ihr gänzliches Unverständnis darüber, wie klaglos die Deutschen 1990 ihre Ostgebiete preisgegeben hätten. Die 2014 verstorbene Sowjetdissidentin Walerija Nowodworskaja bezeugte vor ihrem Ableben, dass die «überwältigende Mehrheit» der russischen Menschenrechtler in der Ära des Jelzinschen Liberalismus den Verlust des Kaukasus nicht hinzunehmen bereit war. Bereits der russische Literaturkritiker Wissarion Belinski (1811–1848) prägte das Bonmot: «Der russische Demokrat endet bei der Nationalitätenfrage.»

Der bis heute bestehende russisch-georgische Konflikt wurzelt in historischen Tiefenschichten. Georgische Einflüsse auf die Slawia lassen sich bereits am glagolitischen Alphabet der Slawenapostel Kyrill und Method aus dem 9. Jahrhundert ablesen. Bereits in der «Belehrung» des Kiewer Grossfürsten Wladimir Monomach (1053–1125) ist vom ersehnten Garten «wyrij sad» – eine Verballhornung des kirchlichen Namens Iberien für Georgien – die Rede, aus dem «die himmlischen Vögel kommen». Ein Widerhall dieser altrussischen Paradies-Sehnsucht findet sich in John Steinbecks «Russischem Tagebuch» von 1948, als dieser Stalins atheistische Sowjetunion bereiste: «Wir begannen tatsächlich zu glauben, dass die meisten Russen hofften, wenn sie ein sehr redliches und tugendhaftes Leben führten, nicht in den Himmel, sondern nach Georgien zu gelangen, wenn sie sterben.»

Nach dem Fall Konstantinopels ersuchten georgische Könige erstmals 1483 das «weisse Russland des grossen Nordens» um Schutz, dem nach der geschichtstheologischen Überhöhung zum «Dritten Rom» die Rolle zufiel, das Böse der Welt in Schach zu halten und die Schutzherrschaft über die orthodoxe Christenheit wahrzunehmen. Seither beginnt für die Georgier «die Sonne im Norden aufzugehen», wie es der Dichter Mamuka Barataschwili im 18. Jahrhundert formulierte. Gänzlich entging den Georgiern die Säkularisierung Russlands seit Peter dem Grossen, als an die Stelle der Heiligen Rus die Grosse Rus trat, die sich nicht mehr von eschatologischem Sendungsbewusstsein und religiöser Affinität, sondern von der Staatsräson leiten liess. Dieses tragische Missverständnis liegt der bis heute währenden Entfremdung zugrunde.

Den Ausgangspunkt des Konflikts bildet der 1783 abgeschlossene Vertrag von Georgiewsk, in dem sich Ostgeorgien unter Erekle II. in der Hoffnung auf einen Schutzschirm gegen die muslimischen Anrainer dem russischen Protektorat unterstellte. In der Enttäuschung dieser Hoffnungen kam es zu einer bürokratischen Homogenisierung durch das russische Imperium. Die Beseitigung der kirchlichen Autokephalie Georgiens vollzog sich sodann im Rahmen der allgemeinen Aufhebung georgischer Selbständigkeit.

Von Beginn weg sahen sich die Georgier vom Verhalten Russlands überrascht. Wie im Mittelalter gegenüber Byzanz hatten sie eine Anlehnung oder eine elastische, «verstreute Herrschaft» wie unter den Persern erwartet. Ein erstes Trauma war für sie der «Verrat» von 1795, die ausbleibende russische militärische Hilfe gegen den Kadscharenkhan Agha Mohammed, der nach der Schlacht von Krzanissi Ostgeorgien völlig verwüstete.

Die Zurückhaltung der zugesicherten russischen Truppen wird in Georgien mit dem Warschauer Aufstand von 1944 parallelisiert. Dabei wird georgischerseits gern übersehen, dass die gescheiterte neuzeitliche Zusammenziehung der eigenen Kräfte das Land erst dem Wohlwollen auswärtiger Mächte auslieferte. Bis heute gelang es den Georgiern kaum je, Partikularinteressen dem nationalen Gesamtinteresse hintanzustellen. In der erwähnten Schlacht von Krzanissi leistete nur einer seiner zahlreichen Söhne König Erekle Heerfolge. Für diese georgische Attitüde prägte der englische Historiker W. E. D. Allen den Begriff der ästhetischen Verantwortungslosigkeit.

Das mit dem Untergang der Sowjetunion 1991 sich öffnende Fenster der Möglichkeiten wurde in Georgien anders als im Baltikum nicht besonnen genutzt. Das Land stürzte in einen Bürgerkrieg. Der geringe nationale Zusammenhalt offenbarte sich auf bestürzende Weise, als 1993 Georgier ihre aus Abchasien flüchtenden eigenen Landsleute ausraubten. Den Mangel an inneren Bindungskräften suchten die Georgier durch äussere Bündnisse wettzumachen. Was in der feudal-mittelalterlichen Welt funktionierte, musste in der Epoche der Flächenherrschaftsstaaten scheitern.

Wende nach Westen
Nach dem Zusammenbruch der staatlichen Institutionen im Gefolge der Auflösung der Sowjetunion und wegen der radikalen Privatisierungspolitik im Rahmen der Rosenrevolution von 2003 sahen sich viele Georgier gezwungen, ihr Heil im Ausland zu suchen. Wer zu Hause blieb, verdingte sich gern bei westlichen Firmen, NGO oder Think-Tanks. Der Stalin-Biograf Donald Rayfield wies darauf hin, dass die Georgier heute nicht nur in der Londoner Finanzwirtschaft aussergewöhnlich zahlreich vertreten seien, sondern dass sie auch in der Koalition der Willigen in Afghanistan das proportional grösste Kontingent stellten. Solches erinnert an den Status quo ante Georgiewsk, als georgische Truppen im 18. Jahrhundert das Gros der iranischen Garnisonen bis an den Hindukusch ausmachten.

In nüchterner Voraussicht warnte Rayfield ein Jahr vor dem russisch-georgischen Krieg die Georgier vor überspannten Hoffnungen auf auswärtige Schutzmächte. So wie sich einst das Vertrauen auf das grosse christliche Zarenreich als illusionär erwiesen habe, würde sich der Westen im Falle eines russischen Einfalls auf Uno-Resolutionen beschränken.

Im Versuch, das russische Publikum für eine georgische Wiedervereinigung mit dem abgespalteten Abchasien zu gewinnen, sprach der georgische Geschäftsmann Lewan Wasadse 2017 vor der Adelsversammlung in Moskau vom Warten als dem Nomos der Georgier: In gastlicher Erwartung eines göttlichen Gesandten lebten sie von Anbeginn geduldig auf dessen Empfang. Doch weder Russland noch der Westen erfüllten diesen georgischen Traum von der Wiederherstellung des goldenen Zeitalters. Und so gilt denn: Eine georgische Unabhängigkeit bedarf unabhängiger Georgier.

Der Historiker Philipp Ammon lebt in Berlin und Tbilissi. 2015 erschien im Kitab-Verlag «Georgien zwischen Eigenstaatlichkeit und russischer Okkupation: Die Wurzeln des russisch-georgischen Konflikts vom 18. Jahrhundert bis zum Ende der ersten georgischen Republik».

Rezension von Christian WipperfürthPhilipp Ammon: Georgien zwischen Eigenstaatlichkeit und russischer Okkupation.

Mehr von Philipp Ammon: independent.academia.edu/PhilippAmmon

Tuesday, March 03, 2020

BUCH: Memphis. Roman von Teona Dolenjashvili im Klakverlag

[klakverlag.de] Die georgische Autorin Teona Dolenjashvili erzählt in ihrem Debüt von einem Leben zwischen Heimat und Fremde, das einen unerwarteten Sinn erhält. Ausgezeichnet mit dem Preis Saba für den besten Roman des Jahres.

lieferbar ab 12. März 2020, Klappenbroschur, 204 S.
ISBN 978-3-948156-36-7
Klakverlag
Aus dem Georgischen von Katja Wolters 

Ana, aufgewachsen im Georgien der turbulenten neunziger Jahre, flieht vor den Schwierigkeiten ihres Landes und ihrer Einsamkeit. In der Schweiz heiratet sie den wohlhabenden Mark, der sie zu einer erfolgreichen, aber unglücklichen Künstlerin macht. Ihr gemeinsames Kind braucht ein Spenderherz, um überleben zu können. Auf der Suche kehrt sie in ihr Heimatland zurück, und gerät in die Fänge einer kriminellen Organisation, die mit Organen obdachloser Kinder handelt. 

Mit der wichtigsten Entscheidung ihres Lebens konfrontiert, lüftet sich gleichzeitig das Geheimnis ihrer in der Kindheit spurlos verschwundenen Mutter…

"Wie man sieht, muss ich noch vieles erleben, um zu begreifen, dass die Welt nicht zwischen Ländern und Kontinenten aufgeteilt ist, sondern zwischen Himmel und Erde. Zwischen dem Himmel, der abstrakt und unerreichbar ist, und der Erde, die auf den ersten Blick fest zu sein scheint, dich aber stets mit der Angst erfüllt, den Boden unter den Füßen verlieren." 

Die georgische Autorin Teona Dolenjashvili erzählt in ihrem Debüt von einem Leben zwischen Heimat und Fremde, das einen unerwarteten Sinn erhält. Ausgezeichnet mit dem Preis Saba für den besten Roman des Jahres.



Teona Dolenjashvili wurde 1977 geboren und arbeitete mehrere Jahre beim Georgischen Fernsehen als Regisseurin und Autorin. 2004 veröffentlichte sie ihre ersten Werke. Ihr erstes Buch, eine Kurzgeschichtensammlung, wurde 2005 veröffentlicht und mit dem SABA-Preis für das beste Debüt ausgezeichnet. Ihr erster Roman, Memphis, wurde 2009 veröffentlicht und ebenfalls mit dem SABA-Preis ausgezeichnet für den besten Roman. 2010 gewann sie den Preis des "Georgian National Movie Center" für das beste Drehbuch und wurde für den Prix Europe in der Kategorie bestes Hörspiel / Fiktion nominiert. Sie ist auch die Autorin des Films "The Real Beings" (Bakur Sulakauri, 2014); "Flucht" (SABA, 2013); und "Tierplanet" (Palitra L, 2011). Ihre Kurzgeschichten wurden ins Deutsche, Englische, Italienische, Spanische, Russische, Ukrainische, Litauische, Slowakische und Aserbaidschanische übersetzt und in verschiedenen Sammlungen veröffentlicht. Sie schreibt Kolumnen über Literatur für die Zeitschrift Focus und die Zeitung Twenty-Four Hours.

Meskhi vs. Meskhi. Fiction by Teona Dolenjashvili. Translated from Georgian by Philip Price [wordswithoutborders]