Foto: © Anja Frers / DG |
Hamburg. So geht das moderne Künstlerleben: Lisa Batiashvili kommt gerade vom Flughafen und muss gleich wieder los. In den Vormittag dazwischen passen gerade eine Pressekonferenz, ein paar Fotos und Interviews. Aber wenn man der weltweit gefeierten Geigerin dann gegenübersitzt, ist sie die Ruhe und Aufmerksamkeit in Person. Von Müdigkeit keine Spur, stattdessen antwortet Batiashvili so spontan und ungekünstelt, wie auch ihr Geigenspiel wirkt.
In dieser Saison ist Lisa Batiashvili, geboren 1979 in Georgiens Hauptstadt Tiflis, Artist in Residence beim NDR Sinfonieorchester. Und das nicht einfach nur deshalb, weil sie so toll spielt. Das sowieso. Sondern wegen der berühmten Chemie. Die hat bei dem gemeinsamen Beethoven-Violinkonzert vor zwei Jahren, am Pult stand Thomas Hengelbrock, bei allem Respekt vor den stilistischen Unterschieden eine unvergessliche Dichte und Innigkeit entstehen lassen. Los geht Batiashvilis Konzertreigen am 18. September mit Brahms' Violinkonzert; außerdem steht Dvoráks Sinfonie "Aus der Neuen Welt" auf dem Programm. Wer diese Kombination jetzt für bieder hält, der sollte sich schleunigst von den Künstlern belehren lassen: Es kommt immer drauf an, wie man etwas macht.
Batiashvili ist 1991 mit ihren Eltern aus Georgien emigriert, kurz bevor dort der Bürgerkrieg ausbrach. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem Oboisten François Leleux, und zwei Kindern in München. Ganz nebenbei ist ihre Residenz auch ein Heimkehren für sie – denn ihre Jugendjahre hat die berühmte Geigerin in Wellingsbüttel verbracht.
Hamburger Abendblatt: Frau Batiashvili, was ist Ihr Lieblingsort in Hamburg?
Lisa Batiashvili: (lacht) Das ist jetzt nicht sehr originell: der Jungfernstieg! Das Wasser, das ist es, glaube ich. Ich liebe diese Weite, die Eleganz. Der Umzug hierher war der wichtigste Moment meines Lebens! Ich bin immer so glücklich, nach Hamburg zu kommen. Ich habe auch wunderbare Erinnerungen an die Hamburger Musikhochschule.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem damaligen Lehrer Mark Lubotsky?
Batiashvili: Natürlich! Er ist ein guter Freund meines Vaters. Ich war nur bei ihm, bis ich 14 war. Das war russische Schule, die ist fantastisch. Er hat einen ganz direkten Zugang zum russischen Repertoire.
Studiert haben Sie, wie viele Ihrer Solistenkolleginnen, bei Ana Chumachenco in München.
Batiashvili: Ja, sie hat mich stilistisch geprägt. Sie kann Persönlichkeiten erkennen. Sie will die Menschen fördern, so wie sie sind. Ich spiele ihr ein- bis zweimal im Jahr etwas vor und lerne immer noch. Sie bleibt eine meiner wichtigsten Bezugspersonen.
Sie sind diese Saison nicht nur beim NDR Sinfonieorchester Residenzkünstlerin, sondern auch beim New York Philharmonic Orchestra. Warum müssen es denn gleich zwei Orchester sein?
Batiashvili: Die beiden Orchester haben ganz verschiedene Traditionen. Die New Yorker sind für ein ganz bestimmtes Repertoire fantastisch, für Bartók zum Beispiel. An das Orchester bindet mich die Zusammenarbeit mit Alan Gilbert, der ist auch europäisch geprägt. Die Musiker brauchen das, denn die amerikanische Spielart ist sehr anders.
Was ist so anders daran?
Batiashvili: Sie sind sehr präzise und effizient. Und sie haben eine andere Klangqualität, eine spezifische Brillanz. Gott sei Dank haben sie trotz der Globalisierung ihren Klang behalten.
Und was finden Sie in Hamburg vor?
Batiashvili: Das Orchester und ich kennen uns schon mehr als zehn Jahre. Aber wenn Thomas Hengelbrock mit ihm arbeitet, geschieht etwas sehr Besonderes. Da geht es darum, einander zuzuhören, nicht nur einander zu folgen. Sich bewusst zu machen, warum man was tut. Das ist wie Kammermusik. Das hat mich sehr inspiriert, da mitzumachen. Ich mag Beethoven nicht mehr mit Orchestern spielen, die seine Musik eher fett und langsam spielen. Das habe ich früher oft erlebt.
Was reizt Sie denn an einer Residenz?
Batiashvili: Die Nähe zum Orchester. Ich will die Musiker besser kennenlernen. Als Solist hat man ein sehr einsames Leben! Bei der Residenz können wir Projekte realisieren, die man sonst nicht machen kann. Wir werden Kammermusik machen. Ich hatte auch Lust, selbst Programme zu gestalten.
Auf das Programm Ihres Kammerkonzerts haben Sie "Miniaturen für Violine und Streicher" von Sulkhan Tsintsadze gesetzt. Ein bei uns weithin unbekannter Name. Wer ist das?
Batiashvili: Ein georgischer Volksmusikkomponist. Es gibt eine starke Volksmusiktradition in Georgien. Die darf man nicht mit russischer Musik in einen Topf werfen. Unsere Volksmusik ist eine Kindheitserinnerung für mich! Ich habe sie vom Quartett meines Vaters gehört. Tsintsadze hat die Miniaturen meinem Vater gewidmet, und der hat sie für mich arrangiert.
Sie reisen viel, konzertieren in aller Welt, kommen Sie noch manchmal nach Georgien?
Batiashvili: Ich fühle mich verantwortlich, Georgien bekannter zu machen. Deshalb versuche ich, regelmäßig hinzufahren. In zwei Wochen bringe ich fünf Geigen hin. Ich würde meinen Kindern auch gerne einmal Abchasien zeigen, wo ich früher jedes Jahr meine Sommerferien verbracht habe, aber man kommt nicht hinein.
Südossetien und Abchasien sind seit dem Kaukasuskrieg vor sechs Jahren russisch besetzt. Wie geht es Ihnen, wenn Sie an die aktuellen Ereignisse in der Ukraine denken? Haben Sie ein Déjà-vu?
Batiashvili: Ja. Ich glaube, das geht allen Georgiern so. Die Georgier haben sich immer verteidigen müssen, auch gegen Mongolen und Perser. Als es in Südossetien losging, haben die Deutschen nicht geglaubt, dass Russland der Aggressor war. Jetzt haben wir eine identische Situation in der Ukraine. Es ist die gleiche Art, einzumarschieren unter dem Vorwand, das eigene Volk zu beschützen. Aber es gibt viel mehr Medien- und Facebook-Präsenz. Ich hoffe, dass diese neue Öffentlichkeit auch für Georgien Konsequenzen haben wird.
Residenz Lisa Batiashvili:
"Alte und Neue Welt" 18.9., 20.00, und 21.9., 11.00, Laeiszhalle. Karten zu 11,- bis 51,-
"Kammermusik mit Batiashvili" 18.11., 20.00, Rolf-Liebermann-Studio. Karten zu20,-
"La France fantastique" 4.12., 20.00, und 7.12., 11.00, Laeiszhalle. Karten zu 11,- bis 51,-
Internet: www.lisabatiashvili.com
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