Sunday, May 11, 2008

LESUNG: "DER GUTE STALIN." DIE MACHT DER VERGANGENHEIT IN DER GEGENWART

Freitag, 23. Mai 2008, 19.00 Uhr
Galerie der Heinrich-Böll-Stiftung, Rosenthaler Str. 40/41, Berlin-Mitte
Eintritt frei


mit
* Viktor JEROFEJEW, Schriftsteller, Moskau
* Ralf FÜCKS, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
aus Viktor Jerofejews Roman liest: Irina Sommer, Berlin

"Ich hatte eine schöne stalinistische Kindheit", schreibt Viktor Jerofejew in seinem 2004 erschienenem Buch "Der gute Stalin". Halb Roman, halb autobiographischer Essay, schildert Jerofejew darin seine persönliche, familiäre Erfahrung mit dem sowjetischen Diktator, die im Kontrast zu der vieler anderer Millionen Sowjetbürger gar nicht schrecklich war. Als Sohn eines sowjetischen Diplomaten und Stalin-Übersetzers lebte Jerofejew "ein liberales, luxuriöses Leben mit vielen Privilegien" inmitten der stalinistischen Schrecken.
Jerofejew ironisiert eine widersprüchlich Erfahrung, die viele Sowjetbürger und ihre Kinder und Enkel noch heute mit sich herum tragen: hier der siegreiche vaterländische Krieg gegen Hitlerdeutschland und ein enormer wirtschaftlicher Modernisierungsprozess, dort der große Terror und der GULAG.
Unter der Präsidentschaft Vladimir Putins hat das seit dem Zerfall der Sowjetunion angeschlagene Selbstbewusstsein der russischen Gesellschaft eine neue, national-patriotische Aufwertung erfahren. Geschichte spielt eine zentrale Rolle in dieser transformierten kollektiven Selbstwahrnehmung, Geschichtspolitik hat in den letzten Jahren einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren, nach innen wie nach außen. Das gilt auch für die neue selbstbewusste Außenpolitik Russlands, insbesondere gegenüber den früheren Mitgliedern des
Warschauer Pakts, die sich mittlerweile selbst mit neuen nationalen Narrativen versorgt haben, aber auch gegenüber der EU. Die Auseinandersetzung um die Definitionshoheit über das heutige und zukünftige Europa findet zu einem beträchtlichen Teil auf dem Feld der Geschichtspolitik statt.
Über die Neubewertung der Geschichte, das neue russische Nationalbewusstsein, die Gründe für die aktuelle Stalin-Nostalgie in Russland und ihre Auswirkungen auf das russisch-europäische
Verhältnis unterhält sich Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, mit dem bekannten russischen Schriftsteller Viktor Jerofejew, der einleitend aus seinem autobiographischen Werk lesen wird.
Die Veranstaltung wird simultan russisch-deutsch übersetzt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Fachkontakt: Robert Sperfeld, Referat
Südosteuropa/Osteuropa/Kaukasus,
Tel. 030-285 34 387, sperfeld@boell.de

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