Der alte Präsident Armeniens ist auch der neue, wie die Wahlkommission des kleinen Staates im Südkaukasus am Dienstag bestätigt hat. Sersch Sargsjan wird weitere fünf Jahre die Geschicke des rund 3 Mio. Einwohner zählenden Landes lenken. Auf den ersten Blick scheint es, als verfüge Armenien über eine von breitem Unternehmertum geprägte Wirtschaft: Im «Index of Economic Freedom» der Heritage Foundation belegt es Platz 38 von 177. Das Barometer «Ease of Doing Business» der Weltbank sieht Armenien auf Rang 32 von 185, vor Luxemburg, Belgien und Frankreich. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit: Die Armenier leiden unter einer Vielzahl von Oligopolen, die das Leben absurd verteuern, die Entwicklung des Landes enorm behindern und zur verbreiteten Armut beisteuern.
Berüchtigt ist der Zuckermarkt, wo de facto ein Monopol herrscht. Ein einziges Unternehmen importiert und kontrolliert 99% des Absatzes. Von 2003 bis 2011 wurde Zucker in Armenien mit einer durchschnittlichen Gewinnmarge von 238% verkauft (wenn man den Ladenpreis mit dem Wert am Weltmarkt vergleicht). Nicht viel besser ist die Lage bei Kraftstoff. Armenier mussten von 2005 bis 2011 durchschnittlich $ 0.98 für einen Liter Benzin bezahlen; am Weltmarkt waren es $ 0.55. Deswegen werden in Armenien nach Bloomberg-Daten drei Viertel der Autos mit Erdgas betrieben.
Der Missstand ist natürlich Präsident Sargsjan bekannt – aber die Stabilität der Elite beruhte bisher auf der Kollaboration mit den Oligarchen, die nicht selten selber politisch tätig waren. Jeder Widerstand stand unter Vorbehalt: 2009 verhängte die Wettbewerbskommission Sanktionen gegen die sieben grössten Firmen im Pharmahandel. Ein Jahr später hob die ausgetauschte Führung der Kommission den Entscheid auf. Beobachter hoffen, dass Sargsjan sich jetzt mit den Oligarchen anlegt, wo er um seine Wiederwahl nicht mehr fürchten muss (und laut Verfassung ein drittes Mal nicht gewählt werden kann).
Da die von Oligopolen kontrollierten Waren nicht nur im täglichen Leben eine sehr grosse Rolle spielen, sondern auch als Vorprodukte dienen, multiplizieren sich die Kosten im Laufe der Wertschöpfungskette. Und die ist kürzer als auch schon: Zur Zeit der sowjetischen Arbeitsteilung fertigte Armenien noch Maschinen und andere Ausrüstungsgüter; heute exportiert es meist unverarbeitete Waren wie Erze und andere Metalle. Von der globalen Wirtschaftskrise wurde das Land 2009 hart getroffen, die Schutzmacht Russland und der Internationale Währungsfonds (IMF) sprangen mit Krediten ein.
Laut dem IMF wird sich das BIP 2013 wohl auf 10,5 Mrd. $ belaufen, 4,3% mehr als im Vorjahr. Pro Armenier sind das rund 3100 $. Im benachbarten Aserbeidschan beträgt die Wirtschaftsleistung pro Kopf mehr als doppelt so viel. Aber Armenien besitzt nicht nur kein Erdöl und Erdgas, es ist auch mit Aserbeidschan zerstritten – genau wie mit dem westlichen Nachbarn Türkei. Offen sind die Grenzen nur zu Georgien und Iran, was der Wirtschaft im letzteren Fall nicht viel nützt. Armenien ist eine kleine, im Wortsinne «abgeschlossene» Volkswirtschaft. Das macht sie leicht kontrollierbar, und noch können die Oligarchen das nutzen.
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