Thursday, October 03, 2019

INTERVIEW: "Der Geschmack von georgischem Wein erzählt seine eigene Geschichte" - Zoltán Kovács-Gokieli

Hier das Interview in deutscher Sprache, erschienen in Georgien bei "Kviris palitra [kvirispalitra.ge]".


Erzählen Sie über sich selbst, wie war ihre erste Begegnung mit Georgien? Ich weiß, dass ihre Frau Georgierin ist, erzählen Sie über ihre Familie.

Mein Name ist Zoltan Kovacs-Gokieli. Ich bin in Rumänien geboren und habe ungarische Wurzeln. In Deutschland lebe ich seit meinem 11. Lebensjahr. Ich stamme aus einer Musikerfamilie ab. Über die Musik bin ich meiner Frau Anano Gokieli begegnet. Sie ist eine erfolgreiche georgische Pianistin. Mittlerweile haben wir zwei gemeinsame Töchter, leben und arbeiten in Berlin/Deutschland. 2005 bin ich mit meiner Frau zum ersten Mal nach Georgien gereist. Im familiären Kreise sind wir damals gleich in die Berge von Racha gereist und haben in Georgien über die folgenden Jahre viele Bergregionen und Kulturstätte besucht. Von Anfang an habe ich Georgien aus mehreren Gründen in mein Herz geschlossen: die traumhafte Landschaft, die Gastfreundlichkeit der Georgier, die polyphonischen Gesänge und Tanzkultur, die Kulinarik und die dazugehörige Zeremonie einer georgischen Tafel, und ganz wesentlich, der georgische Wein.


Foto: Zoltán Kovács-Gokieli mit seiner Familie


Sie sind Musiker und haben Jahre lang versucht, die georgische Kultur zu popularisieren. Warum haben Sie sich für georgische Weine interessiert?

Ja, natürlich. Durch meine Frau bin ich in die georgische Musikkultur eingeführt worden. Ihre Vorfahren sind berühmte Musiker und Komponisten in Georgien gewesen.
Als Musiker war ich viel in der Welt unterwegs und bin Begegnungen mit unterschiedlichen Kulturen und Menschen gewöhnt. Und hier kommen wir zum Wein.
Meine erste Begegnung mit dem georgischen Wein war, wie es sich einige Jahre später rausstellte, sehr fundamental. Den ersten georgischen Wein, den ich trank, war von Soliko Tsaishvili, der beste Freund meines Schwiegervaters Gia Gokieli. Was für ein Einstieg! Damals fiel es mir schwer, diesen kachetischen Wein gleich zu verstehen, denn er schmeckte ganz anders als alles was ich bisher kannte. Einige Jahre später lernte ich die Vielfalt der georgischen Naturweine kennen und zu schätzen. Ebenso entwickelte ich eine große Liebe zum Chacha.

Foto: Soliko Tsaishvili
Und hier spiegelt sich für mich meine Erfahrung, die ich weltweit über die Musik sammeln durfte. Über den Wein begegne ich auf der einen Seite den Winzern. Jede und jeder von ihnen eine eigene Persönlichkeit! Auf der anderen Seite, die Beratung und der Verkauf. Wenn wir die Weine bei Tastings, Märkten oder Messen vorstellen, lernen wir neue Menschen kennen und schätzen. Auf beiden Seiten eine intensive und tiefgründige Kommunikation mit außergewöhnlichen Menschen. Es geht sowohl bei der Musik als auch beim Geschäft mit dem Wein um Kommunikation und Begegnung. Im Jahre 2006 fragte uns Soliko Tsaishvili ob unsere georgische Familie bereit wäre, einen Weinberg in Kardenakhi zu kaufen. Wir kauften das Land und Soliko machte den Wein. Und wie! 2006 kam Luca Gargano (Slow food Bewegung in Italien) nach Georgien, um die traditionelle Qvevri Weine kennen zu lernen. Er lernte Soliko kennen und importierte im gleichen Jahr den gesamten Bestand seiner Weine nach Italien. Damit war Soliko der erste Naturwinzer, der seine Weine aus Georgien exportierte. Und hier begann eine Wiederbelebung der alten Tradition der Weinherstellung auf internationalem Niveau.
Diese tiefe Prägung brachte uns auf die Idee, in Deutschland eine Firma zu gründen und Chacha und Naturweine zu importieren. Mein Schwager Raphael Gokieli und ich haben 2017 mit einer Palette Chacha von Solikos Firma Chveni Vino unseren ersten Import realisiert. Kurze Zeit später brachten wir die erste Palette Naturwein nach Deutschland.
Leider ist Soliko an Krebs erkrankt und im letzten Jahr von uns gegangen. Das schmerzt uns sehr und wir vermissen ihn. Aber es ist ein Grund mehr, seinen Geist in der Popularisierung der Naturwein Szene Georgiens fortzuführen.

Was weiß man in Deutschland über georgische Weine und welche Schwierigkeiten gibt es, diese Weine auf den Markt zu bringen? Welche Perspektive haben georgische Weine auf dem europäischen Markt?


Zoltán Kovács-Gokieli
Am Anfang hatten wir im privaten Bereich viele verwunderte Gesichter. Die Menschen wussten nicht, dass Georgien den Ursprung des Weins darstellt. Auch ist die Weinherstellung im Qvevri nach wie vor für viele Menschen unbekannt. Doch der Geschmack des Weines überzeugt! Wir sehen das als unsere Aufgabe, diese Weinkultur hier den Menschen näher zu bringen. Dabei geht es gar nicht nur um das Geschäftliche, sondern vielmehr um das Persönliche. Unsere Beziehung zu den Winzern steht im Vordergrund und das tragen wir an unsere Kunden weiter. In Berlin hat sich in den letzten Jahren eine breite Naturweinszene entwickelt. Viele Weinbars haben eröffnet und bieten Naturweine aus verschiedenen Ländern an.
Die georgischen Weine sind sehr hochpreisig, das liegt daran, dass im kompletten Prozess von Hand gearbeitet wird und die Bestände der Winzer sehr gering sind. Ebenso ist die internationale Nachfrage enorm gewachsen. Länder wie Japan und USA, aber auch Australien, Kanada, Dänemark, Italien und viele andere Länder importieren mittlerweile große Mengen an Naturweinen aus Georgien.
In Deutschland ist die Naturweinszene dagegen verhältnismäßig spät gestartet.
Georgische Naturweine sind nach wie vor eine Randerscheinung im Bewusstsein der Weinwelt, trotzdem bin ich davon überzeugt, dass der georgische Qvevri Wein eine große Zukunft hat.

Sie sind konkret an Naturweinen interessiert, was denken Sie über die georgische Naturwein Produktion? Das ist ja nicht die breite Masse.

Für uns kommt tatsächlich ausschließlich der Import und Vertrieb von Naturweinen aus Georgien in Frage. Meiner Meinung nach ist das der einzige Weg mit unserer Umwelt im Einklang zu leben, indem wir die Natur respektieren und sorgsam mit unseren Ressourcen umgehen.
Leider trifft dies tatsächlich nicht auf die breite Masse der Produktion zu. Jedoch haben georgische Familien schon immer ihren Wein für den eigenen Bedarf auf diese Weise hergestellt. Meiner Meinung nach ist genau diese Art der Weinherstellung die große Chance, den georgischen Wein weltweit populär zu machen. Ich denke nicht, dass der industrielle Wein aus Georgien sich auf dem europäischen Markt durchsetzen wird, da er mit riesigen Weinproduzenten aus Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Australien, Chile und anderen Ländern konkurriert.
Ich bin stolz, die Winzer zu präsentieren und zu unterstützen, die gerade in der heutigen Zeit, in der wir massive Umweltprobleme haben, bereit sind ohne Pestizide, im Einklang mit Mutter Natur zu arbeiten. Auch wenn die Preise für diese Weine hoch sind, entsprechen sie meiner Meinung nach dem realen Aufwand, die ein gutes und sauberes Produkt heute wert zu sein hat.

Gibt es in Europa eine wachsende Nachfrage an Bioprodukten und hat es eine Zukunft?

Ich denke ja. Gerade in Deutschland gibt es ein wachsendes Bewusstsein für gesunde Ernährung. Noch sind nicht alle Menschen bereit, einen höheren Preis für Bio Lebensmittel zu bezahlen, aber es bewegt sich einiges.
Wir arbeiten zurzeit mit 23 Winzern aus Georgien zusammen und versuchen die Weinkultur in unseren Produkten breit darzustellen. Wir haben Weine aus fast allen Regionen Georgiens nach Deutschland importiert.
Mittlerweile beliefern wir Michelin Sterne Restaurants, Natural Wine Bars und einige andere edle Restaurants in Berlin. Besonders stolz sind wir, dass die georgischen Restaurants in Berlin zunehmend auch unsere Produkte in ihre Weinkarten aufgenommen haben.
In Zukunft wollen wir auch in ganz Deutschland in der Spitzen-Gastronomie vertreten sein.

Foto: Zoltán Kovács-Gokieli mit Rafael Zaitz-Gokieli

Wir haben auch einen Online Shop (www.naturwein-georgien.de bzw. www.chachaspirit.de), über den Privatkunden den Weg zu uns finden können, um online zu bestellen oder sich über die spannende Welt der Naturweine zu informieren.

Was würdest du georgischen Winzern empfehlen: soll die Naturweinproduktion wachsen?

Absolut! Ich beobachte mit großer Freude, dass die Naturweinherstellung in Georgien stetig wächst. Wir arbeiten sehr eng mit der „Natural wine association of Georgia“ zusammen. In den letzten Jahren sind die Mitglieder auf ca. 100 Winzer gewachsen. Das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, wie wichtig es den Georgiern ist, ihre Kultur zu pflegen und mit der Natur respektvoll umzugehen. Ich wünsche den Georgiern, dass immer mehr Menschen die Bedeutung ihrer Weinkultur im Einklang mit der Natur beleben. Wir tun unseren Teil dazu.

No comments: