(nachrichten.at) Vor hundert Jahren förderten die ersten Öltürme der Welt in Aserbaidschan fast 90 Prozent des Welterdölbedarfs. Heute stammen nur noch 1,3 Prozent der globalen Erdölförderung aus den Feldern der Halbinsel Abseron und dem vorgelagerten Kaspischen Meer.
Die Erdölreserven in dem diesjährigen Austragungsland des Eurovision Songcontest neigen sich auch dem Ende zu. Das Interesse – vor allem Europas – gilt heute dem Erdgas aus Aserbaidschan. Europa will seine Abhängigkeit vom Gas aus Russland reduzieren und strebt daher Alternativen an.
Die große Frage ist derzeit, auf welchem Weg das Gas den Weg nach Europa bis zum Gasverteilzentrum in Baumgarten bei Wien finden wird. Mehrere Konsortien bieten sich an.
Bis 30. Juni will die staatliche aserbaidschanische Erdölgesellschaft Socar die Vereinbarung über das gemeinsame Projekt mit der Türkei fixieren. Dabei handelt es sich um die transanatolische Pipeline Tanap. 80 Prozent an der Gesellschaft soll Socar halten, den Rest die türkische Botas.
Einigen sich die beiden über die offenen Details, wäre das die Vorentscheidung, ob durch die Türkei das von der EU forcierte Projekt Nabucco oder das kleinere Tanap realisiert wird. Nabucco wird von europäischen Energiekonzernen wie der deutschen RWE getragen, Konsortialführer ist die österreichische OMV.
Nachteile von Nabucco
Elshad Nassirov, im Vorstand der Socar für die Verhandlungen zuständig, hält sich im Gespräch mit Journalisten alle Optionen offen. Allerdings erklärt er ausführlich die Nachteile von Nabucco und die Vorteile von Tanap. So ist die 3900 Kilometer lange Nabucco-Pipeline mit 31 Milliarden Kubikmeter auf eine fast doppelt so große Kapazität wie Tanap angelegt.
Aserbaidschan bietet allerdings nur 16 Milliarden Kubikmeter – sechs Milliarden für die Türkei und zehn Milliarden für Europa. Zusagen anderer Lieferländer fehlen Nabucco bisher.
Die Tanap-Kapazität würde unserem Liefer-Versprechen entsprechen, heißt es bei Socar. Zudem könnte das kleinere und billigere Projekt später durch zusätzliche Kompressoren seine Transportkapazität erhöhen. Doch solange die Tanap-Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, hält sich Aserbaidschan alle Optionen offen.
Konkurrenz von BP & Co
Doch nicht nur auf der langen Route droht Nabucco-Klassik das Aus. Auch auf der verkürzten Strecke „Nabucco-West“ – vom Bosporus ins 1300 Kilometer entfernte österreichische Baumgarten – tut sich Konkurrenz auf, die von Aserbaidschan durchaus begrüßt wird. Denn seit Monaten forciert BP die Idee, eine South Eastern European Pipeline (SEEP) zu bauen.
Das ist insofern bemerkenswert, als der britische Ölmulti der wichtigste Förderpartner in dem Gasfeld Shah Deniz ist. Dort wird das Methangemisch gemeinsam mit Socar und internationalen Ölfirmen wie der norwegischen Statoil und der französischen Total gefördert. Der Nachteil von SEEP sei, dass es erst eine Idee, noch kein Projekt sei, schränkt Nassirov ein.
Und mit TAP, der transadriatischen Pipeline, die durch die Adria nach Italien verlaufen würde, will ein drittes Konsortium Gas durch Europa leiten. Nassirov sagt, dass genug Gas für zwei Leitungen vorhanden sei. Vor diesem Hintergrund tut er sich daher leicht mit seinem Versprechen: „Irgendwie werden wir am Ende des Tages Gas nach Baumgarten liefern.“
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