Giwi Margwelaschwilis "Fluchtästhetische Novelle" schließt an ein autobiografisches Projekt an, das der Autor Anfang der neunziger Jahre veröffentlicht hatte, das aber aufgrund eines notorischen Leser-Mangels schnell eingestellt wurde, erklärt Oliver Jungen. Margwelaschwili setze dieses Projekt nun aber nicht einfach fort, sondern bastele ein "Vexierspiel aus Leben und Literatur" daraus, in dem sein alter Ego Wakusch in einer Episode auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld festhängt. Es geht nicht mehr voran, die "Rezeptions-Energie" reicht dafür nicht aus, und Wakusch beginnt zu grübeln, woran das liegen könnte, fasst Jungen zusammen. Komplizierter wird es, weil ein Leser-Autor-Verschnitt aus der Zukunft ihm am Pissoir begegnet und die beiden sich über einen möglichen Figuren-Selbstmord austauschen: "das Verharren der Geschichte im Manuskript-Status", also nicht veröffentlicht werden, nicht gelesen werden, ergo aufhören zu sein. Jungen erinnern Margwelaschwilis selbstreflexive Überlegungen an die cartesischen "Meditationen" und der Autor an Borges.
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Giwi Margwelaschwili: Fluchtästhetische Novelle
KLAPPENTEXT
Kapitän Wakusch besteigt bang das Flugzeug, das ihn zu Verwandten in das ferne, unbekannte Georgien bringen soll. Doch die Maschine will nicht abheben: Wieder und wieder drehen sich die Propeller, wieder und wieder gehen die Fluggäste an Bord - das Flugzeug jedoch startet nie. Wie kann das sein? Kapitän Wakusch ist eine Buchfigur, deren Buch unter Leserschwund leidet. Ihm sind die Leserinnen und Leser abhanden gekommen. Und ohne sie kann bekanntlich keine Geschichte stattfinden, denn niemand füllt sie mehr mit seiner Leselebenskraft aus. Wie aber soll sich die Geschichte vom Kapitän Wakusch vollenden, wenn sie nicht weitergeht? Kapitän Wakusch muss einen Weg finden, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können … Die Novelle stellt eine gute Einstiegslektüre in das vielfach preisgekrönte Werk Margwelaschwilis dar und erscheint zum 85. Geburtstag dieses großen deutsch-georgischen Autors.
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Monday, December 17, 2012
LITERATUR: Brückenkopf packt sich beim Schopf. Rezension über Giwi Margwelaschwili - von Oliver Jungen in der FAZ vom 14. Dez. 2012, Seite 32
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