Saturday, March 15, 2008

KULTUR: Tom Reiss: Der Orientalist auf den Spuren von Essad Bey

Leider erfuhr ich etwas zu spät, dass der Publizist Tom Reiss, der eine fabelhafte Biografie über den Orientalisten mit mehreren Namen geschrieben hatte, zu Gast in Hamburg war.
Trotzdem möchte ich auf diese Lesung noch einmal hinweisen, da sie in dem neu gegründeten Jüdischen Salon Am Grindel e.V. stattfand ...

Skurrile Story im neuen Café Leonar im Grindelhof

Der neu gegründete Jüdische Salon im Café Leonar im Grindelhof hat sein Kulturprogramm aufgenommen und startete nach ersten Musikveranstaltungen jetzt mit seinen Lesungen. Der erste Gast: der New Yorker Publizist Tom Reiss. Und dieser hat in diesen Tagen ein bemerkenswertes Buch vorgelegt, das in bewährter amerikanischer Tradition die Grenzen des Sachbuchs sprengt: Sein "Der Orientalist" enthüllt die wahre Identität des aserbaidschanischen Nationaldichters Essad Bay und erzählt im Gegenzug das Leben des 1905 in Baku geborenen Lev Nussimbaum, Sohn eines jüdischen Ölmillionärs und einer Revolutionärin.

Nussimbaum gelangt in den Revolutionswirren von 1917 auf abenteuerlichem Wege nach Berlin, wo er erstmal und zur Abendschule geht, um das Abitur zu erlangen. Dann hält er sich in russischen Immigrantenkreisen auf, konvertiert bald zum Islam, gibt sich nun als Essad Bay und als Kind eines mal türkischen, mal persischen, aber in jedem Fall muslimischen Adelsgeschlechts aus, auch um seine jüdische Herkunft zu verbergen.

Schreibend ist er ungeheuer produktiv, veröffentlicht 16 Bücher, darunter den Klassiker "Ali und Nino", den in Aserbaidschan bis heute jeder kennt.

Parallel bietet Reiss' Buch ganz ausgezeichnete Einblicke in die Zeitepochen der 20er bis 40er Jahre im chaotischen Europa von eben Aserbaidschan über Deutschland bis nach Italien, wo Bay alias Nussimbaum 1942 stirbt. Nicht zuletzt erzählt der Reiss selbst unumwunden von den Mühen, den Überraschungen, aber auch Skurrilitäten seiner Recherche; etwa wenn sich eine wichtige Zeitzeugin als leicht überspannte Baroness erweist, die seit Jahren an einem Rockmusical für eine deutsch-israelische Gesellschaft arbeitet, aber selbst noch nie ein Musical besucht hat.

Quelle: welt.de

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