Der Vorsitzende der Partei "Nationale Bewegung" und mögliche Präsidentschaftskandidat Wano Merabischwili ist in Haft. Der aktuelle Präsident Saakaschwili sieht in der Verhaftung seines Vertrauten einen politischen Racheakt.
Saakaschwili ist noch Präsident, seit den Parlamentswahlen ist aber eine gegnerische Partei an der Macht. (Bild: picture alliance / dpa / Andrew Gombert) |
Dem ehemaligen Premierminister und Vertrauten von Präsident Micheil Saakaschwili, Wano Merabischwili, werden Amtsmissbrauch, Korruption und Veruntreuung vorgeworfen. Er soll im Wahlkampf vor einem Jahr öffentliche Gelder aus einem Beschäftigungsprogramm der Regierung verwendet haben, um Helfer der eigenen Partei zu bezahlen. Gestern wurde er deshalb verhört und anschließend festgenommen. Es sind nicht die einzigen Vorwürfe. Weitere Anklagepunkte beziehen sich auf seine achtjährige Amtszeit als Innenminister. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft:
"Am 26. Mai 2011 hat Merabischwili die Auflösung einer Demonstration angeordnet. Die Polizeigewalt bei diesem Einsatz war unangemessen. Dabei sind zwei Menschen ums Leben gekommen."
Außerdem soll der 45-Jährige die Ermittlungen in einem Mord an einem Bankkaufmann behindert haben, weil seine Frau in den Fall involviert war. Merabischwili drohen nun sieben bis zwölf Jahre Haft. Die Nationale Bewegung könnte damit ihren Parteivorsitzenden und möglichen Kandidaten für die Präsidentenwahl im Herbst verlieren. Mit Merabischwili wurde der frühere Gesundheitsminister Zurab Tschiaberaschwili festgenommen, auch er ein wichtiger Mann im Machtgefüge von Präsident Saakaschwili.
Die Festnahme der hochrangigen Oppositionspolitiker kam nicht unerwartet. Viele Georgier nannten Merabischwilis Namen, wenn es um die Drangsalierung Oppositioneller oder unbequemer Journalisten unter der alten Regierung ging. Von Einschüchterung und Erpressung war die Rede, mithilfe mitgeschnittener Telefongespräche oder heimlich gefilmter Bettszenen. Bisher blieb es meist bei Gerüchten. Nun sagt die Staatsanwaltschaft, sie habe Beweise. Die politischen Gegner Merabischwilis, derzeit an der Regierung, freut das. Die Abgeordnete Eka Beselia, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses:
"Die georgische Gesellschaft fordert seit Langem, Gerechtigkeit wieder herzustellen. Es ist wichtig, gründlich ermitteln. Ich bin sicher, es gibt keine politische Verfolgung, keine Revanche, sondern konkrete Verbrechen. Schwere Verbrechen. Da müssen konkrete Personen zur Verantwortung gezogen werden."
Neun Jahre war die Nationale Bewegung an der Macht. Auch internationale Organisationen wie der Europarat rügten Justizwillkür unter der alten Regierung.
Das Saakaschwili-Lager sieht das alles ganz anders und wirft der jetzigen Regierung Rachejustiz vor. Bereits im Herbst, kurz nach dem Regierungswechsel, waren mehrere ehemalige Regierungsbeamte verhaftet worden. Präsident Saakaschwili zog gestern Parallelen zur Ukraine. Dort sitzt die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko in Haft.
"Die Ukraine, dieser große Staat, den Europa, die USA und die NATO brauchen, ist in die internationale Isolation geraten, weil die ehemalige Premierministerin aus politischen Motiven verhaftet wurde. Es ist in Russlands Interesse, auch Georgien international zu isolieren. Ich denke, unsere Bürger, unsere Gesellschaft und auch unsere Partei sollten darüber nachdenken, welche politischen Folgen die Verhaftung des Vorsitzenden der Oppositionspartei haben kann."
Saakaschwili spielt die internationale Karte. Er wirft der neuen Regierung vor, Georgien von seinem proeuropäischen Kurs abzubringen und das Land stattdessen Russland auszuliefern. Belege dafür gibt es allerdings nicht. Im Gegenteil: Der derzeitige Premierminister hat sich gleich nach seinem Wahlsieg für die euro-atlantische Integration ausgesprochen. Der Präsidentenwahlkampf im Herbst in Georgien dürfte nach den jüngsten Festnahmen noch spannender werden.
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