In den Herbsttagen verlässt
Mamuka Burduli besonders gerne sein Büro in Tiflis und fährt in seinen
Garten im Vorort Gldani. Das ist sein besonderer Stolz. Seine Quevri,
die großen im Boden vergrabenen Tongefäße, sind im Oktober gefüllt mit
gepressten Weintrauben der Sorte Rkatsiteli. Noch sechs Monate werden
sie in den Quevris gären, bis der trockene georgische Weißwein entsteht.
Es ist eine der ältesten Methoden der Weinherstellung auf der Welt,
schon mehrere Jahrtausende vor Christus machte man es in dieser Gegend
so.
Jetzt werden die
Quevris bei den Herstellern von Bio-Weinen im Westen populär. Burduli
stellt im Jahr etwa 1000 Liter Wein her, nicht für den Verkauf, sondern
für sich selbst und seine Touristen. Er ist Besitzer einer mittelgroßen
Reisefirma und hat das ganze Jahr über Kunden.
Im Winter
verleiht er Skier im Bergort Gudauri. Im Sommer organisiert er Rafting-,
Mountainbike- und Bus-Reisen durch Georgien. Und im Herbst hat er Zeit
für seinen Wein. Seine Reisegruppen lädt er gerne in den Garten ein und
spielt selbst den Tischmeister, den Tamada, der Trinksprüche sagt.
In dieser Sommer-Saison
hatte er rund 1400 Gäste und hofft, dass die Zahl noch steigt. "Wenn es
dem Land gut geht, werden auch mehr Touristen kommen", sagt er. Und
jetzt ist er der Meinung, dass Georgien wieder auf gutem Weg ist, weil
sich die Politik beruhigt hat und der Machtwechsel ohne Revolutionen
abgelaufen ist.
Die Macht des georgischen Traums
Am Sonntag hat er bei der Präsidentenwahl
für Giorgi Margwelaschwili gestimmt, den Kandidaten der
Regierungskoalition Georgischer Traum. Der Philosoph und frühere
Bildungsminister holte nach vorläufigen Ergebnissen 61 Prozent der
Stimmen. Damit wurde die Macht des Georgischen Traums befestigt. Vor
einem Jahr gewann die Koalition des Milliardären Bidsina Iwanischwili
schon die Parlamentswahlen.
Das Leben des
49-jährigen Burduli wurde in der turbulenten Geschichte seines Landes in
den 20 Jahren der Unabhängigkeit immer wieder durcheinander gewirbelt.
Als mit dem Zerfall der Sowjetunion Ende der 80er-Jahre die
Privatwirtschaft erlaubt wurde, begann der studierte Ingenieur als Ski-
und Snowboardlehrer in Gudauri auf eigene Faust Geld zu verdienen. Die
Arbeit in den 90er-Jahren war abenteuerlich.
"Manchmal kamen
Gäste aus Europa am Flughafen in Tiflis an und es gab am ganzen
Flughafen kein Licht", erzählt er. Nach dem damaligen Bürgerkrieg um die
versuchte Abspaltung der Gebiete Abchasien und Südossetien trug fast
jeder Waffen und nur wenige Touristen trauten sich, in der
Südkaukasus-Republik Urlaub zu machen. Später, in der Regierungszeit des
vormaligen sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnadse, peinigte
die Korruption das Land.
Seit 2001
organisiert Burduli eigene Touren, er ging für einen Sommer nach
Österreich, um Erfahrung im Rafting zu sammeln und war der erste, der
solche Spezialreisen in Georgien anbot. Die Rosenrevolution von 2003
löste bei ihm Begeisterung aus. Tatsächlich profitierte er von den
Reformen von Micheil Saakaschwili, der 2004 mit 96 Prozent der Stimmen
zum Präsidenten gewählt wurde.
Als Bürokratie wegfiel, zahlte er Steuern
In diesem Jahr
meldete Burduli seine Firma an. "Damals war es ganz einfach, ein
Unternehmen zu leiten", erzählt Burduli. "Die Regulierungen fielen weg,
die unnötige Bürokratie auch." Er fing an, seine Steuern zu zahlen, was
bis dahin nur wenige Georgier taten. "Jetzt kenne ich mich bestens mit
der Buchhaltung aus, weil die Strafen für jeden Fehler so hoch sind",
lacht er.
Der Präsident
Saakaschwili hat für die Reise-Branche viel getan, gibt Burduli zu. "Er
hat in der ganzen Welt Werbung gemacht für Georgien. Früher kannte uns
niemand", sagt er.
Nach Angaben
des Nationalen Georgischen Fremdenverkehrsverbands ist die Zahl
ausländischer Besucher tatsächlich rasant gestiegen. Im Jahre 2005 kamen
560.000 Ausländer ins Land, im vergangenen Jahr bereits 4,3 Millionen –
dabei leben in Georgien nur etwa 4,5 Millionen Menschen.
Natürlich sind
nicht alle Besucher Touristen, aber immerhin angeblich bis zu 40
Prozent. Burdulis meiste Gäste kommen aus Israel, Polen und den
baltischen Republiken. Und trotzdem sagt er: "Vor einem Jahr dachte ich,
ich würde auswandern, wenn Saakaschwilis Partei weiter an der Macht
bleibt."
Es gab Zwangsenteignungen
Zu hoch sei der
Druck auf diejenigen gewesen, die Saakaschwili und seine Reformen nicht
unterstützen. Und je größer das Geschäft wurde, desto mehr Probleme
konnte man mit dem Staat bekommen. Im vergangenen Jahr berichtete das
georgische Büro der Anti-Korruptions-Organisation Transparency
International über mehrere Fälle, in denen Menschen gezwungen wurden,
ihr Eigentum an den Staat abzugeben.
"Außerdem
meldeten sich nach den Parlamentswahlen Unternehmer und erzählten, sie
seien gezwungen worden, Saakaschwilis Partei zu finanzieren", sagt Eka
Gigauri, die Leiterin von Transparency International in Georgien. Nun
habe sich die Situation mit der Parteifinanzierung verbessert.
Saakaschwili
schwärmte einst vom "europäischen Singapur" und ließ in seinem
bitterarmen Land teuere Infrastrukturprojekte bauen. Das umstrittenste
Beispiel war die Traumstadt Lasika, die aus dem Nichts an der sumpfigen
Schwarzmeeresküste entstehen sollte. Nach dem Regierungswechsel wurden
die Baupläne gestoppt. "Saakaschwili fragte die Menschen nicht nach
ihrer Meinung", sagt Mamuka Burduli.
"In Gudauri
wurde eine teuere Eislaufhalle gebaut, weil der Präsident es so wollte,
doch es gab kaum Besucher." Die neue Regierung ließ in Gudauri
vergangenes Jahr eine einen regionalen Fremdenverkehrsverein gründen.
"Nun fangen wir an, selbst zu besprechen, was wir brauchen", sagt
Burduli. "Saakaschwili hat manchmal gute und manchmal schlechte Sachen
gemacht. Doch eine Person kann nicht immer alles besser wissen."
"Wir brauchen keinen neuen Lenin"
Der Unternehmer
findet es gut, wenn es in Georgien keine charismatischen Politiker mehr
gibt, die für allgemeine Begeisterung sorgen. "Wir brauchen keinen
neuen Lenin oder Stalin, sondern einen normalen Premier und
Präsidenten", sagt er. "Wir müssen selbst härter arbeiten und dürfen
nicht darauf hoffen, dass jemand kommt, der unsere Probleme löst."
Saakaschwili verlässt jetzt die politische Bühne genauso wie der
Premierminister Bidsina Iwanischwili.
Der reichste
Geogier kündigte an, nach der Wahl zurückzutreten, nachdem er seine
wichtigstes Ziel – den Machtwechsel in Georgien – erreicht hat. Am
Dienstag oder Mittwoch will er verkünden, wen er als seinen Nachfolger
an der Regierungsspitze vorschlägt. Der Premierminister wird dann der
einflussreichste Amtsträger in Georgien sein. Nach den Wahlen treten die
Verfassungsänderungen in Kraft, die Georgien von einer präsidialen zu
einer parlamentarischen Republik machen.
Der Rücktritt
von Iwanischwili lässt allerdings auch Fragen offen. Mit seinem
geschätzten Vermögen von etwa 5,3 Milliarden US-Dollar, von dem er eine
Milliarde in die georgische Wirtschaft investieren will, bleibt er ohne
Zweifel sehr einflussreich. Der gewählte Präsident Giorgi
Margwelaschwili steht ihm sehr nahe.
"Das Risiko ist
hoch, dass Iwanischwili weiter die georgische Politik beeinflusst, ohne
die Verantwortung dafür zu übernehmen", sagt Elene Khoshtaria,
Mitgründerin der NGO "Georgischer Bund für Reformen" und ehemalige
Vize-Ministerin für Euroatlantische Integration.
Im vergangenen
Jahr konnte Iwanischwili tatsächlich schlecht mit der Kritik umgehen.
Kurz vor den Wahlen hatte er Treffen mit georgischen Journalisten und
politischen Beobachtern abgehalten und sie öffentlich belehrt. Als
Manager, der in seinem Unternehmensreich immer der Mächtigste war,
fühlte er sich offenbar nicht wohl in der Rolle eines Politikers, der
ständig Kritik ausgesetzt ist.
Zwiespältige Bilanz
Die Bilanz des
ersten Jahres seiner Regierung fällt zwiespältig aus. "Für Demokratie
gab es diesem Jahr Verbesserungen", sagt Transparency-Frau Gigauri. Die
Medienlandschaft sei insgesamt pluralistischer geworden. Allerdings gab
es einen Konflikt um den Aufsichtsrat des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens zwischen unterschiedlichen Einflussgruppen.
Positiv sei,
dass das georgische Parlament nicht mehr von einer Partei dominiert
wird, sondern dass es mit Saakaschwilis Vereinter Nationalbewegung eine
ziemlich starke Opposition gibt. "Zum ersten Mal seit Jahren gab es im
Parlament richtige politische Diskussionen", sagt Gigauri.
Im vergangenen
Jahr wurden Ermittlungen gegen Dutzende ehemalige Amtsträger
eingeleitet. Die "Vereinte Nationalbewegung" kritisierte die Prozesse
als politisch motiviert. "Die Entscheidung, dass diese Fälle aufgeklärt
werden, war eindeutig politisch", sagt Eka Gigauri. "Doch ob der Prozess
selbst und das Urteil politisch ist, kann man nur beurteilen, wenn der
Prozess zu Ende ist und die Gerichte ihre Entscheidungen treffen."
Es gebe leichte
Verbesserungen, was die Unabhängigkeit der Justiz angeht. Nicht immer
stimmten im vergangenen Jahr die Richter den Forderungen der
Staatsanwaltschaft zu, was früher so gut wie nie vorkam. "Früher waren
die Staatsanwälte sicher, dass sie mit ihren Beweisen im Gericht immer
durchkommen, jetzt müssen sie erleben, dass ungenügende Beweise auch
abgelehnt werden können", sagt sie.
Aufarbeitung der Vergangenheit
Das größte
Problem seien kleinere Prozesse, die in den Regionen aufgerollt werden
und Fälle betreffen, die bereits mehrere Jahre zurückliegen.
Die neue
georgische Regierung steht nun vor einer viel wichtigeren
Herausforderung, als der Aufarbeitung der Vergangenheit. Die
Institutionen müssen in Georgien so gestärkt werden, dass sie nicht mehr
davon abhängen, wer gerade an der Macht ist. "Das wichtigste ist, dass
sich das ganze System ändert", sagt Mamuka Burduli.
Er hofft, dass
er sein Unternehmen in gutem Zustand seinem Sohn übergeben kann, der
gerade 20 Jahre alt ist und BWL in Tiflis studiert. Im Alter will sich
Burduli vor allem um seinen Wein kümmern, dann hat er genug Zeit dafür.
Auswandern will er nicht mehr.
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