Monday, October 18, 2010

ARCHITEKTUR: Wandel in Baku: Vom Abreißen und neu Bauen. Von Sara Winter / Foto: Sebastian Burger (zenithonline.de)

Aserbaidschans Hauptstadt Baku ist ein spannendes, aus Bruchstücken seiner städtebaulichen Epochen zusammengesetztes Sammelsurium: Überreste einer mittelalterlichen Medina, eine europäisch anmutende Innenstadt aus der Gründerzeit, die Plattenbauten der sozialistischen Mikrobezirke und darüber Hochhäuser, gesprenkelt an den Hängen der Hügel.

Besonders der jüngste Anstieg der Grundstückspreise verweist auf einen engen Zusammenhang zwischen dem neuen Ölboom und der Immobilienwirtschaft. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2008 wurden mehr als 800 neue Hochhäuser in der Innenstadt Bakus errichtet.

Der Vater des derzeitigen Präsidenten schaffte mit dem so genannten Jahrhundertvertrag die Rahmenbedingen dafür, dass der aserbaidschanische Binnenmarkt von den Gewinnen aus dem Ölgeschäft profitiert – seit etwa 2005 ist dies der Fall. Ausländisches Kapital strömt in die Stadt und ruft in Baku eine neue gesellschaftliche Schicht ins Leben, die ihr Geld und ihren westlich-orientierten Lebensstandard zur Schau stellt.

Schwarze Geländewagen verstopfen die engen Einbahnstraßen der Innenstadt. Sie sind auf dem Weg zum nächsten Designerladen oder laden ihre Fracht vor einem der neu eröffneten, schicken Restaurants nahe der Metrostation Sahil im Zentrum ab, wo man meint, in Europa zu sein: Gründerzeitliche Häuser, erbaut am Ende des 19. Jahrhunderts, reihen sich aneinander, Boulevards und große Promenaden prägen das Stadtbild. Nun, da sich ein Quadratmeter mit 16 bis 25 statt den üblichen vier Geschossen besser rechnet, werden die Bewohner alter Häuser ausgekauft und die alten Häuser abgerissen, um neue bauen zu können.

»Das Alte, das Neue und das dazwischen dokumentieren«

Im Jahr 2008 reisten der Fotograf Sebastian Burger und die angehende Architektin Oriana Kraemer mittels eines staatlichen ASA-Stipendiums für das Projekt »describing urban changes« für drei Monate zu Dokumentationszwecken in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku. Die beiden Projektteilnehmer wollten ihre Dokumentationsaufgabe zusätzlich dazu nutzen, um für den Erhalt des architektonischen Erbes der Stadt Baku zu werben.

Bakus Altstadt kam als Dokumentationsziel nicht infrage. Sie genießt eine gewisse Unantastbarkeit und ist, verglichen mit dem Rest der Innenstadt, noch relativ intakt. Das Hauptaugenmerk des Projekts lag also auf der Innenstadt – außerhalb des Altstadtkernes und innerhalb der Peripherie. Fuad Akhundov, ein mittlerweile nach Kanada emigrierter exzellenter Stadtführer und Buchautor, bot den Autoren architektonische Insider-Tipps, während zwei einflussreiche Aserbaidschaner ihnen Zugang zu Architekten und Stadtforschern verschafften. Auch zum Ministerium für Kultur wurde ein Kontakt hergestellt, um eine Empfehlung zu erhalten, ohne die das Fotografieren in der Stadt der vielen privaten und staatlichen Sicherheitsbeamten nur schwer möglich gewesen wäre.

Während Kraemer sich meist auf städteplanerischer, architektonischer Recherche mit verschiedenen Übersetzerinnen befand, um in Bibliotheken und in Gesprächen mit Städteplanern an wichtige und rare Information zu kommen, lief Burger mit einigen Sätzen Aserbaidschanisch, Stativ, Großformat- und Digitalkamera herum, immer auf der Suche nach geeigneten Motiven.

Im weichen Abendlicht fotografierte er Außenansichten, tagsüber verfolgte er andere Fährten: So ließ sich beispielsweise ein aserbaidschanischer Englischlehrer mit seiner Familie in den eigenen vier Wänden seiner einfachen, aber sehr repräsentativen Wohnung in den Mauern eines Gründerzeit-Ölboomhauses fotografieren. Auch eine informelle Siedlung von Flüchtlingen aus der umkämpften Enklave Berg-Karabach boten spannende Motive sowie eine Stadtvilla, die von einer illustren Mischung von Nutzern besetzt gehalten wurde.

Im September eröffnete die Deutsche Botschaft in Baku eine Ausstellung über das deutsche architektonische Erbe in Baku – ein Teilbereich des Schaffens von Burger und Kraemer: Während ihrer Recherchen entdeckten sie, dass noch 86 »deutsche« Gebäude existierten. Russische Architekten – frisch von deutschen Architekturschulen kommend – hatten sie in der Zeit des ersten Ölbooms, von etwa 1870 bis 1917, gebaut.

Nun sind die Ergebnisse dieses Projektes in einem Bildband aus Text und Bildern erstmals zusammengefasst. Anspruch der Autoren ist, kulturell einfühlsam für einen effektiveren Denkmalschutz und kontextsensibleres Bauen zu werben. Der Band erscheint dreisprachig: Auf Deutsch, Englisch und Aserbaidschanisch.

Sebastian Burger
Baku. Stadt der schlagenden Winde.
Selbsverlag Sebastian Burger, 2010
168 Seiten, Hardcoverausgabe, 34 Euro

Ab Dezember im Buchhandel.
Auf der
Website können Bücher zu vergünstigten Bedingungen (26,10 Euro) vorbestellt werden. Die Besteller nehmen automatisch an der Verlosung von bis zu zehn art editions (mit Betonschuber) teil.

Quelle: zenithonline.de

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