Der taz-Komentar von Andreas Fanizadeh beschränkt sich letztendlich auf die Beantwortung der Frage, wer denn der Agressor sei, als er eigentlich die NATO Frage aufwerfen wollte. Er beantwortet diese Frage zügig in seiner Gutgläubigkeit. Ansonsten spricht er irgendwie alles an, was die Debattte um den Krieg und den Konflikt umrankt. Dabei schlägt sein Herz irgendwie für Russland und ein wenig gegen Amerika und mit Europa ist er unzufrieden, weil die zu sehr auf den anglo-amerikanischen Block hören.
Beschränken wir uns mal auf seine Fragestellung, die auch die Propagandisten bewegt, wer denn nun der Agressor sei, dann ist das für den Resortleiter der taz unumwunden klar: Georgien ist der Agressor.
Zwar war der Angriff Saakashvilis - mit wem auch immer zusammen - auf Tskhinvali nicht besonders klug, aber wo sind militärische Auseinandersetzungen, als klug zu bezeichnen! Problematisch ist bei Konflikten, die sich zuspitzen, dass Aggression eben unterschiedlich wahrgenommen wird. Da gibt es gefährliche Interessen und ein Gefühlsleben der Bedrohung, (auch für Abchasen, Osseten, Georgier); und manchmal ist das ganze dann noch sehr instabil, unübersichtlich und die Halunken machen dort Geschäfte und anderes Klingelzeug.
Also: Angeheizt wird der Konflikt von mehreren Seiten und Akteuren. Auch Russland war sehr wohl mit seiner Übermacht vorbereitet, um kapital und exorbitant einzumarschieren und das Gebiet strategisch zu besetzen, um Zeichen zu setzen, ohne die Georgier zu fragen! Um letztere geht es Ihnen ja auch nicht, Herr Fanizadeh. Und hinsichtlich Russlands Sicht und Herangehensweise habe ich auch kein Verständnis!
Dann war das eben eine zweite Agression ..., so sehe ich das! Oder eine gleichzeitige? Moderne Konflikte und Kriegen beginnen eben nicht erst mit dem Kanonendonner über dünn besiedelte Berge und Täler. Das ist absurd genug!
Halten wir mal fest: Im Kaukasus gibt es eine agressive und explosive Gemengenlage! Nun verlegt sich Andreas Fanizadeh, um nicht ausdrücklich den Westen mit seiner bösartigen NATO zu diskreditieren und über Russland kein Wort weiter verlieren zu müssen, auf eine innenpolitische Problematik, mit der Russland auf einmal gar nichts mehr zu tun hat, und der Westen aufgrund seiner machtpolitischen und imperialen Ambitionen ein gefährlicher Partner ist, weil sich dann Russland bedrängt fühlt, mit ihrer Autokratie, bei der der Autor beiläufig erwähnt, dass er dafür nicht allzu große Sympathien hegt.
Die Frage ist, wie und warum ethnische Konflikte entstehen. Da geht es immerhin nicht nur um unmittelbare Machtpolitik. Die Geschichte redet da auch ein Wort mit, manchmal mental und psychisch (oder nennen wir es kulturell) und manchmal auch nationalistisch und ideologisch (nennen wir es politisch). Die Kriegsgefahr hatte sich angedeutet! Und dabei konnte man Georgien nun nicht als einzigen Agressor im Vorfeld bezeichnen.
Auch die Georgier haben keine Lust von der Landkarte zu verschwinden, wie die Kurden etwa ..., wer will das schon, einfach so ... Bevor eine Ideologie der Ethnie zu Handlungen motiviert, gibt es Anzeichnen, Vorbedingungen und auch Vorbehalte und Ängste, die dann zur Aggression führen, wenn sogenannte "eingefrorene Konflikt" plötzlich schmelzen, obwohl es schon bitter heiß ist. Bitte machen Sie es sich nicht zu einfach! Wenn man sich schon aufschwingt, den Krieg zu analysieren, dann sollte man nicht den Kleinsten zur Rechenschaft ziehen, obwohl auch ich nicht Saakashvili aus seiner Verantwortung entlassen möchte. Dass Saakashvili zu oft von ethnischer Integrität sprach, ist auch mir aufgefallen. Zusammenleben kann man auch anders, in einem Europa ohne Grenzen etwa, was die Nato auch sichert und zu garantieren verspricht! Die Nato ist ein Sicherheitsbündnis, dass als Organisation natürlich auch unter ziviler Beobachtung bleiben sollte. Was das russische Militär so anstellt, kann der Russe nun nicht gerade offenkundig in seinen Massenmedien nachvollziehen.
Empfehlen kann ich dagegen den ZEIT-Artikel von Josef Joffe. Joffe beschreibt einen kleinen historischen Exkurs zur Entstehung diesen Konfliktes. Zudem macht er nicht ohne weiteres einen Schuldigen aus. Er besitzt zumindestens schreibend eine Konfliktkompetenz, die sich nicht ohne weiteres Reflexen hingibt. Er bleibt nüchtern und schaut sich das an, und er sieht auch die Unzulänglichkeit des Westens:Fanizadeh: Prinzipiell gilt: Wer die Ideologie der Ethnie sät, erntet völkische Kriege, Massaker und Vertreibung und am Ende zumeist ein Protektorat. Wie eine Niederlage im völkischen Krieg aussieht, mussten die Serben wegen angeblicher Hufeisenpläne im Kosovokrieg erfahren. Die Nato hat Serbiens Infrastruktur in Schutt und Asche gelegt. Und im Kosovo-Reservat geht bis heute nichts ohne die westliche Schutztruppe. Gleichzeitig zerstören nun russische Truppen Anlagen in Georgien. Überall Trümmerhaufen: So sehen sie aus, die humanitären Interventionen zum Wohle von Osseten und Kosovaren.
Die georgische Seite handelt aus dem gleichen Machtdenken heraus wie die russische. Und beides sind ehemalige Sowjetstaaten mit einem postkommunistischen Typus von Gesellschaft. Aber wahrscheinlich ist der Stalinismus einmal genauso wundersam über die Georgier gekommen wie einst die Hitlerei über Österreich. Geschichtsvergessenheit und nationale Eiferei: vielleicht ist es das, was gut zu dieser Nato passt.
Der Krieg gegen Georgien hat zwei Reflexe ausgelöst. Zugespitzt: Das Opfer ist schuld, der Täter verdient Verständnis. Beide Lesarten sind nicht ganz falsch. Doch selbst wenn ganz richtig, wären sie noch keine Strategie gegen ein Russland, das erstmals seit 1979 einen Nachbarn angegriffen hat. Das ist eine weltpolitische Zäsur, kein Blechschaden auf dem Weg ins 21. Jahrhundert.
Das Opfer ist schuld, gewiss doch. Hat nicht Michail Saakaschwili mit dem Vorstoß nach Südossetien die Russen provoziert? Das war nicht klug, aber verwechseln wir nicht Anlass und Ursache. Der Einmarsch in die abtrünnige Provinz war ebenfalls eine Antwort: auf die Gewalt eines Renegaten-Regimes, das Moskau untertan ist.
Die russische Journalistin Julia Latynina nennt Südossetien ein »Joint Venture von KGB-Generälen und einem ossetischen Gangster, die mit dem Geld arbeiten, das Moskau für den Kampf gegen Georgien überweist«. Doch ist »Wer hat angefangen?« eine müßige Frage, die ins Geschichtsseminar führt: ins späte 18. Jahrhundert, als Russland mit der Einverleibung Georgiens begann, ins späte 19., als sie komplett war. Entscheidend ist der größere Rahmen, und den hat Moskau im Juli mit dem Großmanöver »Kaukasus 2008« abgesteckt, der Generalprobe für die Invasion. Da niemand aus dem Stand eine ganze Panzerarmee vortreiben kann, musste Wladimir Putin den Krieg mit langer Hand vorbereiten. Dabei wurden Tausende russischer Pässe an Südosseten verteilt, um so »unsere« Bürger schützen zu können.
Josef Joffe versucht Rat zu geben, wie man politisch mit dem Thema umgehen sollte, und worauf man achten sollte. Das ist zumindestens in Form eines Artikels "Realpolitik", die andere dann umsetzen sollten. Erstmal sollten wir Georgien, Abchasien und Südossetien - aber auch Karabakh - ihre Nervosität nehmen! Russland macht gerade jetzt für mich nicht gerade einen vertrauenserweckenden Eindruck! Das unterstreichen auch andere Geschehnisse in der Vergangenheit. Sie sprechen eine andere Sprache: Zerschlageung, Einigung, Vertreibung, Polonium, Hahn abdrehen und Besetzung. Russland hat eine offensichtliches Pokerface! Wir werden sehen, wohin wir gemeinsam gehen. Zumindest kann ich es nachvollziehen, wenn Joffe titelt, dass wir den Bären an die lange Leine nehmen sollten, damit er mit seiner Tatze nicht überall hin- und hineintritt!
Der ganze Text: "Eine Leine für den Bären" >>>
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A worth analysis here:
http://www.stratfor.com/weekly/russo_georgian_war_and_balance_power
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