(eurasischesmagazin.de) Die Wahl vom 9. Oktober brachte den Menschen in Aserbaidschan eine herbe Enttäuschung. Demokratie und Staat sind das Korruptionsgeschwür nicht losgeworden. Die Perspektiven und die Hoffnung auf einen demokratischen Wechsel im Land wurden erneut verraten. Ilham Aliyev hat als Präsident die Macht im Land fester in der Hand als je zuvor.
Aserbaidschan blickt in eine düstere Zukunft. In den Präsidentschaftswahlen haben sich Elend und Farce des Regimes ausgedrückt. Erneut wurde in dieser Inszenierung die Scheinheiligkeit der Herrschenden manifest. Auch das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte ODIHR mit Hauptsitz in Warschau und dessen internationale Beobachterkommission haben dies festgestellt. ODIHR ging nicht über die Tatsachen der Wahlfälschung hinweg, die von den bestochenen örtlichen Wahlbeobachtern einfach ignoriert wurden.
Die europäischen Staatsoberhäupter und US Präsident Barak Obama haben sich ein paar Wochen Zeit gelassen, ehe sie dem Diktator kürzlich ihre Gruß- und Jubelworte zukommen ließen. Der Vorteil aus dem Gasexport Aserbaidschans war ihnen aber letztlich wichtiger, als der Wert der Demokratie. Auf diese Weise feiern im 21. Jahrhundert immer noch Diktaturen Triumphe, die längst in den Archiven der Geschichte versunken sein müssten.
Regentschaft im Stile eines orientalischen Herrschers
Als Ilham Aliyev vor zehn Jahren das Erbe seines Vaters und Lehrmeisters Heydar Aliyev antrat, unterschätzte man seine Fähigkeiten noch. Den Stil des Vaters, der wie ein orientalischer Herrscher sein Land geführt hatte, wollte man ihm nicht zutrauen. Jetzt, zehn Jahre danach, ist es unübersehbar geworden: Der Sohn steuert die kleine Republik Aserbaidschan genauso absolut wie der alte Aliyev. Seine Macht ist unbestritten und total. Gesetz und Verfassung haben für ihn keine Bedeutung und hindern ihn nicht, seine Macht auszuleben.
Die Verfassung ist durchgelöchert von den Änderungen diverser Gummiartikel. Sie werden getreu der Tradition einstudierter, hin und wieder veranstalteter Referenden wie zu Sowjetzeiten nach des Diktators Vorgaben neu eingefügt oder seinem Willen gemäß verändert.
Aliyevs Machtapparat ist auf das Diktat des Präsidenten zugeschnitten. Die alte Garde seines Vaters erweist ihm unverbrüchliche Treue. Sie ist noch immer im Dienst. Seit 18 Jahren amtieren die Verwaltungsgreise, wie beispielsweise der bald 80jährige Ministerpräsident und der Chef des Präsidentenapparats.
In seinem Parlament fungieren Leute nur mit Genehmigung des Präsidenten. Das Parlament ist ein eklatantes Beispiel für das politische Theater im Lande. Es ist nicht mal fähig, das Ende der Amtszeit eines längst vergessenen und verstaubten Menschenrechtsbeauftragten zu beschließen. Neulich drehte eine Videokamera Parlamentsmitglieder dabei, als sie für solche nur noch daneben sitzenden Kollegen als „freundschaftlichen Dienst“ die Abstimmung per Knopfdruck mit übernahmen.
Nach der letzten Wahl wundert es schon niemand mehr, dass beim neuaufgestellten Ministerkabinett wiederum die alten Gesichter zu sehen sind. Ihre Kriminalität und Unpopularität beim Volk hindert den Regenten nicht, sie wieder zu bestallen. Sie sind eine Art Rückgrat des Regimes: gefügig bis hörig, so dass das Regime ihre Schwäche bequem ausnutzen kann.
Mittelalterliche Feudalherrschaft, mit Öl geschmiert
Ilham Aliyev profitiert ungeniert vom Ölboom des Landes. Da er Aserbaidschan wie seinen Privatbesitz führt, kann er die damit verbundenen Einnahmen nach Gutdünken verwenden und verschwenden. Das Bild eines Wirtschaftsbooms aber täuscht. Es werden zwar imposante Bauprojekte hochgezogen und zur Schau gestellt. Aber damit sollen nur die ausufernden Plünderung-Transaktionen der Staatsfinanzen durch das Regime verschleiert werden. Das System übertrifft die Feudalherrschaft einer mittelalterlichen Herrscherfamilie. Aliyev umgibt sich mit Leuten gleicher Gesinnung, die vor allem Erfahrungen illegaler Geschäftemacherei zusammenhält. Ein Staatsamt ist durch diese Praktiken in Aserbaidschan längst zu einer Pfründe verkommen, die man zugeschustert bekommt, wenn man dem Herrn getreulich und widerspruchslos dient. Wichtig ist eigentlich nur, dass man die Schmiergeldmechanismen beherrscht. Schließlich verhilft dieses Bestechungssystem jedem Staatsdiener, sein von veruntreuten öffentlichen Mitteln zusammengerafftes Vermögen zu vergrößern.
Täuschen und Lügen sind die gewohnte Praxis einer angeblichen Politik der Reformen in Aserbaidschan. Ausländischen Beobachtern wird Sand in die Augen gestreut, bis sie an Fortschritte im Land glauben. Kosmetische Erneuerungen, die man als Reform verkauft, werden mittels Reparaturen an Regierungsgebäuden demonstriert. Solche vereinzelten Ausbauten einiger staatlicher Institutionen sollen die Bürger täuschen und glauben machen, der Staat kümmere sich um ihre Belange. Man will den Anschein erwecken, dass im Land eine Modernisierung im Gange ist, die sich als Dienste an seinen Bürgern versteht.
„Kaviardiplomatie“ für die Aufwertung des Regimes
Der lange Arm des Diktators macht sich die Söhne der Beamtenoligarchen zunutze und schickt sie als Imagepfleger ins Ausland. Auch ausländische Besucher, die man als mediale Multiplikatoren ausmacht, werden verwöhnt: Mit Flugkostenpauschalen und köstlichen Speisen, damit sie ein positives Bild von Aserbaidschan und seinem Regime zeichnen. Wie aus einem Bericht der Europäischen Stabilitätsinitiative (European Stability Initiative, ESI) hervorgeht, betreibt die aserbaidschanische Regierung in massiver Form eine „Kaviardiplomatie“, die sich darin äußert, dass Parlamentarier und einzelne Politiker aus dem demokratischen Westen für die Propaganda des Regimes eingekauft werden. (www.esiweb.org).
Als anschauliches Beispiel dafür wird das Scheitern des Berichts eines SPD Politikers im Europarat genannt, der mit seiner Darstellung über die Lage der politischen Gefangenen in Aserbaidschan überstimmt wurde und zurücktrat. Laut Angaben spielten bei der Abstimmung in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Mittel des Regimes eine gewisse Rolle. (www.presseportal.de).
Solche Art „Kooperation“ hilft dem diktatorischen Regime in Aserbaidschan seine Macht abzusichern und Selbstsicherheit im autoritären Umgang im Inland zu gewinnen. So kann Aliyev im Gespräch mit EU-Präsident Manuel Barroso dreist anbringen, dass es in Aserbaidschan keine politische Gefangenen gibt, und dies einige Tage nachdem wieder Regimekritiker eingesperrt wurden.
Die Gutgläubigkeit europäischer Besuchsdiplomatie
Kritische Stimmen in Aserbaidschan verurteilen die Gutgläubigkeit europäischer Besuchsdiplomatie gegenüber dem Regime, und der Spruch verbreitet sich schon, nicht Aserbaidschan integriere sich in Europa, sondern es sei umgekehrt: Europa nähere sich Aserbaidschan in Sachen Käuflichkeit und Opportunismus an.
Zu kritisieren ist z.B. die Anwesenheit des deutschen Außenministers Guido Westerwelle im Mai dieses Jahres beim Jahrestag des Diktators Heydar Aliyev in Berlin, wo er mit keinem Wort die Menschenrechtslage und politische Repressionen in Aserbaidschan erwähnte. Das gefällt dem Regime in Baku. Das politische Regime betrachtet es umgekehrt mit Unbehagen, wenn die eine oder andere kritische Stimme an seiner Rhetorik der glorreichen Zukunftsausmalung Aserbaidschans Zweifel äußert. So wurde für die deutschen Experten, die sich bislang noch regimekritisch zeigten, Einreiseverbote nach Aserbaidschan verhängt, weil sie z. B. aus Forschungsinteresse Bergkarabach besucht hatten.
Europa verspielt mit seiner Milde gegenüber dem Diktator seine Demokratieideale, die eigentlich hohe Zustimmung in der aserbaidschanischen Bevölkerung genießen. Währenddessen wird die Oppositionsbeteiligung am politischen Leben Aserbaidschans bis auf ein Minimum unterdrückt. Die Opposition ist mangels genügender Ressourcen einfach nicht imstande, um die Unterstützung der Gesellschaft zu werben und zu kämpfen. Das Regime hungert sie aus. Im letzten Parlamentsjahr wurde ihre Teilnahme im Parlament noch weiter eingeschränkt. Mit seiner wiederholten Anspielung vor westlichem Publikum auf die Schwäche der Opposition stellt Ilham Aliyev sich als Unschuldslamm hin. Dabei verheimlicht er seine Unduldsamkeit gegenüber jeglicher Opposition gar nicht. Die Desillusionierten suchen inzwischen längst den Ausweg in einer ständig steigenden Auswanderung.
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ESI Bericht hier: Caviar Diplomacy. How Azerbaijan silenced the Council of Europe 24 May 2012 Berlin
Europarat weist in Abstimmung Bericht über aserbaidschanische Gefangene eindeutig zurück
Wednesday, December 04, 2013
ASERBAIDSCHAN: Wie der Diktator in Baku seinen „Sieg“ errang. Von Rail Safiyev (eurasischesmagazin.de)
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