Am Ende stand Georgien mit Moldawien als Klassenbester da. Außenministerin Maja Panjikidze durfte vor die Vertreter der 28 EU-Länder und der Staaten der östlichen Partnerschaft treten. Zu Klaviermusik wurde sie bei einer Schuljahresabschlussfeier auf das Podium gebeten. Mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton unterschrieb sie das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Georgien.
Es ist ein Werk mit mehr als 1000 Seiten voller Paragrafen, Bestimmungen und technokratischer Begriffe. Sie regeln, wie die Gesetze angepasst werden müssen, damit sich für Georgien die Tür zur Europäischen Union ein Stück weit öffnet. Aber erst müssen diese Seiten in die EU-Sprachen übersetzt und juristisch überprüft werden. Bis das Abkommen in Kraft treten kann, werden noch Monate vergehen.
Eigentlich hätte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch an dieser Stelle glänzen sollen. Doch er selbst hatte die Rolle des bösen Schulbuben gewählt. Denn die Unterschrift unter das für die Ukraine vorbereitete Abkommen hatte er eine Woche vor dem Gipfel abgelehnt. Dennoch war er nach Vilnius gereist und hatte sich, so sagte ein westeuropäischer Diplomat verärgert, in der teuersten Hotel-Suite der Stadt einquartiert.
Janukowitsch konnte sich größter Aufmerksamkeit gewiss sein. Denn sein Land ist unter den sechs Ländern der östlichen Partnerschaft mit 45 Millionen Einwohnern das Schwergewicht. Doch Janukowitsch hatte sich getäuscht, wenn erwartet hatte, dass die EU in einen Bieterwettbewerb mit Russland um die Ukraine einsteigen würde. "Wir betreiben hier keinen Basar", sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt. Sein Land hatte mit Polen die Idee der östlichen Partnerschaft entwickelt und vorangetrieben, auch um die sechs Ex-Sowjetrepubliken dem Einfluss Russlands zu entziehen.
Janukowitsch führte in den Gesprächen mit den Regierungschefs immer wieder den Druck von Seiten Russlands und die enge wirtschaftliche Verflechtung in Richtung Osten an, um sich zu rechtfertigen. Vor deutschen Journalisten äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel Verständnis für Janukowitschs Entscheidung und bot Unterstützung an: "Er hat viele Schwierigkeiten, was die Gaslieferungen anbelangt. Wenn die Ukraine das möchte, werden wir in Zukunft Gas zur Verfügung stellen. Aber wir müssen weiter arbeiten und es ist ein beschwerlicher Weg."
Im Gespräch mit Janukowitsch selbst wählte sie deutliche Worte: "Wir haben mehr erwartet", sagte sie ihm zum Aperitif am Donnerstag Abend, bevor sie einen großen Schluck Wein nahm. Bekannt wurde die Szene, weil das Büro von Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite ein Video davon veröffentlichte. Schmollend erklärte Janukowitsch, die wirtschaftliche Situation seines Landes sei schwierig und mit Russland gebe es große Probleme.
Grybauskaite antwortete auf diese Klage bei der Abschlusspressekonferenz, es sei eine Frage des politischen Willen, dem Druck Moskaus zu widerstehen. Schließlich sei es auch den baltischen Staaten gelungen, sich Russland zu entziehen. Dies waren klare Worte im Vergleich zu den immer wieder verwendeten Formulieren, für die Ukraine bleibe die Tür geöffnet und das Abkommen liege noch immer auf dem Tisch, die Ukraine müsse nur bereit sein, die Bedingungen zu erfüllen.
Doch zu durchschaubar ist Janukowitschs Ping-Pong-Strategie, sich mal Russland, mal Europa anzunähern. Er verfolgt das Ziel, von beiden Seiten zu profitieren, sich aber nicht auf deren Bedingungen einlassen zu wollen. Doch unter dieser Schaukelpolitik leidet die Ukraine, denn eine Lösung für die hohen Schulden, fehlenden Investitionen und die Abhängigkeit von Russland findet er so nicht. Seit mehr als einer Woche demonstrieren täglich Tausende gegen seine Entscheidung und seine Politik.
So schauen die Westeuropäer längst nach den anderen politischen Kräften in der Ukraine. Gelegenheit dazu bot sich auf den Nebenschauplätzen des Gipfels in Vilnius. EU-Spitzenvertreter sprachen mit dem ukrainischen Neu-Politiker und Ex-Profiboxer Vitali Klitschko bei einem Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP), dem Zusammenschluss christdemokratischer Parteien in Europa.
Vor einer Pressekonferenz der EVP war Klitschko im regen Austausch mit dem Ex-Chef des georgischen Nationalen Sicherheitsrates, Giga Bokeria, und UNM-Fraktionschef David Bakradze anzutreffen, deren Partei Vereinte Nationale Bewegung in der EVP Beobachterstatus hat. Auf die Frage, ob er Klitschko Ratschläge für den Protest in der Ukraine gebe, sagte Bokeria, Klitschko brauche keine Ratschläge und er sei sicher, dass die Menschen in der Ukraine sich den freien Nationen anschließen werden.
Bokeria und seine Mitstreiter nutzten in Vilnius die Gelegenheit, ihre Sicht auf die innenpolitische Lage in Georgien zu präsentieren. So zeigte sich Elmar Brok, Chef des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, besorgt: "Die georgischen Gesprächspartner haben gesagt: Auch bei uns darf die Opposition nicht im Gefängnis im landen. Die Frage nach selektiver Justiz ist in Georgien genauso wie in der Ukraine gegeben." Beim parallel zum EU-Gipfel stattfindenden Forum der Zivilgesellschaft lieferten sich Europaminister Alex Petriaschwili und UNM-Parlamentarier Giorgi Kandelaki mal wieder eine Diskussion über den Umgang mit Stalin-Denkmälern in Georgien.
Für etwas Verwunderung sorgte, dass Präsident Giorgi Margwelaschwili in einer kurzen Rede nach der Unterzeichnung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens nur auf das zweite ausgehandelte Abkommen einging, bei dem es um die Teilnahme Georgiens an Krisenmissionen der EU ging. Man könnte dies seiner Unerfahrenheit auf internationalem Parkett zuschreiben.
So fällt das Urteil über die Regierungsarbeit und die politische Lage in Georgien derzeit eher verhalten aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte lediglich, dass die Zusammenarbeit mit Georgien gut laufe und die Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen ein großer Fortschritt und ein mutiger Schritt zugleich sei. Sie sagte aber auch Unterstützung zu, sollte Russland den Druck auf Moldawien und Georgien erhöhen, um so die endgültige Unterzeichnung der Assoziierungs- und Freihandelsabkommen zu verhindern. Schon vor dem Gipfel hatte Merkel Russlands Präsident Wladimir Putin gewarnt: "Um es klar zu sagen: Die Länder entscheiden allein über ihre künftige Ausrichtung. Ein Veto-Recht Dritter kann es nicht geben."
Doch, so viel wurde auch deutlich bei all den Gesprächen auf dem Gipfel, die georgische Regierung muss noch zeigen, dass sie ihr Land wirklich auf dem Pfad Richtung Westen halten will und dafür auch die versprochenen Reformen zum Beispiel für mehr Rechtssicherheit durchführen wird. Fürs Erste jedoch konnte sich Georgien neben Moldawien bei diesem Gipfel als Klassenbester feiern, auch wenn dies neben dem heiß diskutierten Fall der Ukraine in den Hintergrund rückte.
Tuesday, December 03, 2013
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