Was: Echolot, Gruppenausstellung mit Künstlern aus der Schweiz und aus Georgien
Wann: Donnerstag, 2. Oktober
Wo: Ausstellungsraum der Stiftung Binz 39, Sihlquai 133 in Zürich
Bice Curiger hat 1995 den georgischen Bazillus in Zürich ausgesetzt. Mit der Ausstellung «Zeichen und Wunder» im Kunsthaus feierte sie den grossen georgischen Naiven Niko Pirosmani im Kreise zeitgenössischer Westler. Auch wenn «Der Bund» damals heutige Grössen wie Robert Gober und Katharina Fritsch als minderwertig abkanzelte, Pirosmani vergass man hierzulande nie mehr.
Eigentlich wollte man mit dem «Echolot» die Früchte dieses Austausches feiern. Doch als die Binz-39-Stipendiatin Ana Gabelaia ans Kuratieren der Ausstellung ging, nahm sie mit grosszügiger Geste noch einige weitere Georgien-Grenzgänger dazu. Nicht zuletzt Thomas Haemmerli, den Journalisten mit untrüglichem Gespür für Zeitphänomene, bekannt für seinen Kult-Dok-Film «Sieben Mulden und eine Leiche». Aber auch den grossen Koka Ramischwili, den in Genf lebenden georgischen Multimedia-Künstler.
Die Ausstellung geht mit einer Audio-Installation «Thermophon» von Monika Schori und Franziska Koch los. Noch bevor man die Treppe zum Ausstellungsraum hochsteigt, hört man schon den treibenden Rhythmus, der die industrielle Vergangenheit eines Quartiers von Tiflis evoziert. Lisa Biedlingmaier, eine in Zürich lebende Tochter deutsch-georgischer Aussiedler, hat Spracherwerbsituation als eine universelle Metapher der Völkerverständigung (oder eben Völker-Missverständigung) inszeniert.
Als wir die Ausstellung verlassen, steigt Henry F. Levy munteren Schrittes die von Monika Stalder mit Rauten verzierte Treppe hoch. Der 89-jährige Geschäftsmann ist als Kind von einer vermögenden jüdischen Familie aus Köln vor dem Krieg nach England gerettet worden. Seit er in der Schweiz lebt, hat der ehemalige Knopf- und Schuhfabrikant einen beträchtlichen Teil seines persönlichen Vermögens in Künstlerförderung investiert. Wer ihn gutgelaunt die steile Treppe hochsteigen sieht, sieht einen schönen Beweis für die Behauptung der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig, die Kunst würde einen ewig jung halten.
An der aktuellen Ausstellung bildet Haemmerlis Projekt einen Mittelpunkt. Er hat sich gemeinsam mit Alena Boika auf die Suche nach den sowjetischen Mosaiken in Georgien gemacht und immenses Archivmaterial über diese dekorativ zerfallenden Zeitzeugen aus den 70er-Jahren zusammengebracht. Ein Buch und Film zum Thema sind in Vorbereitung. Pikantes Detail: Der Star der sowjetischen Mosaikszene in Georgien war der heute in Putins Russland gefeierte Kitsch-Bildhauer Zurab Tsereteli, bekannt für sein den Fluss Moskwa in Moskau verunstaltendes Mahnmal Peters des Grossen.
Die Vernissage platzt aus allen Nähten. Polyglotter Vernissagentalk und ernsthafte Politdiskussionen wechseln sich ab. Die blauhaarige Gabelaia und Binz' Hauskuratorin Irene Grillo machen charmant die Honneurs. Die georgische Nachwuchskuratorin fliegt schon am nächsten Tag nach Tiflis zurück. Derweil bereitet sich Künstlerin Lisa Biedlingmaier auf ihre Teilnahme am Artisterium 7 vor, so etwas wie der georgischen Biennale, nur, dass sie jedes Jahr stattfindet. Einige sind gekommen, um Haemmerlis Mosaikenschatz zu bewundern: der zwischen Tschechien und Zürich pendelnde Künstler Mark Divo («Im Bett mit Mark Divo»), Michael Steiners Drehbuchautor Michael Sauter («Sennentuntschi», «Missen-Massaker»), Künstler und Cutter Daniel Cherbuin (hat Haemmerlis Film geschnitten). Für alle Interessierten: Haemmerli hält am 16. Oktober um 18 Uhr einen Vortrag zum Thema. Nicht verpassen.
Das sind versöhnliche Töne! Vielleicht sollte man nächstens einen russisch-ukrainischen Austausch ins Zentrum einer Schau rücken. Denn dank der Kunst, da haben Ramischwili und Curiger recht, geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder, verhärtete Fronten fangen an zu bröckeln.
No comments:
Post a Comment