(tagesschau.de) Das überwiegend islamisch geprägte Aserbaidschan hat ein schwieriges Verhältnis zu seinem Nachbarn Iran. Dafür pflegt das Land gute Beziehungen zu Israel, dem Erzfeind Irans. Die Achse Baku-Jerusalem bringt beiden Seiten Vorteile: Öl für die einen, Waffen für die anderen.
Von Silvia Stöber, tagesschau.de, zzt Tiflis
Krasnaja Sloboda ist eine kleine, wohlhabende Gemeinde von Bergjuden im Norden Aserbaidschans. Wenngleich die Einwohner ihre einträglichen Geschäfte vor allem in Russland machen, loben sie ihren Heimatstaat Aserbaidschan und dessen Führung in den höchsten Tönen.
Der betagte Obmann der Gemeinde, Boris Simundajew, wird nicht müde zu betonen, dass die Bergjuden seit Jahrhunderten friedlich mit den Muslimen der Region zusammenleben, seitdem sie einstmals aus Persien auf das heutige Territorium Aserbaidschans eingewandert sind. "Präsident Ilham Alijew war oft zu Besuch bei uns. Er sagte uns: 'Die Juden sind unsere Freunde. Aber die Bergjuden sind unsere Brüder.' Das ist eine Art Garantie für uns", erklärt Simundajew. Ebenso sei es mit den freundschaftlichen Verbindungen zwischen Israel und Aserbaidschan.
Eine Synagoge als Geschenk
Religionsausübung ja, politische Einmischung nein: Synagoge in Baku |
Da die jüdischen Gemeinden angepasst leben und nur eine kleine Minderheit bilden, fällt es der aserbaidschanischen Führung leicht, sich als religiös tolerantes Land zu präsentieren. So finanzierte die Staatsführung eine neue Synagoge für die Bergjuden, die 2011 mit internationalen Gästen eingeweiht wurde.
Dieses Image ist Teil der außenpolitischen Strategie Aserbaidschans. Das Land von der Größe Österreichs befindet sich in geografisch schwieriger Lage zwischen den einstigen Besatzungsmächten Russland und Iran, dem früheren Persien. Um nicht erneut von einem der beiden Staaten vereinnahmt zu werden, suchte sich Aserbaidschan in den vergangenen Jahren Verbündete im Westen.
Öl- und Waffengeschäfte
Die Beziehungen zu Israel beruhen auf beiderseitigem Interesse. Aserbaidschan ist ein bedeutender Öllieferant. Mehr als 16 Prozent des israelischen Bedarfs liefert die Ex-Sowjetrepublik ans Mittelmeer. Die staatliche aserbaidschanische Ölfirma SOCAR erhielt zudem einen Fünf-Prozent-Anteil am israelischen Ölfeld Med Ashdod, wie die Webseite Eurasianet.org Anfang Mai unter Berufung auf den israelischen Außenminister Avigdor Lieberman berichtete. Einem SOCAR-Manager zufolge habe Israel zudem Nachlässe bei militärischer Ausrüstung, Agrartechnik und anderem in Aussicht gestellt.
International aufhorchen ließ kürzlich ein neues Waffengeschäft zwischen beiden Ländern. Das israelische Verteidigungsministerium bestätigte Ende Februar, dass Aserbaidschan Drohnen und Flugabwehrsysteme im Wert von 1,27 Milliarden Euro erhalten werde. Experten gehen davon aus, dass Aserbaidschan diese gegen den feindlichen Nachbarn Armenien richten wird. Im Konflikt um die Region Berg-Karabach besteht seit 1994 ein Waffenstillstand, den beide Seiten regelmäßig brechen.
Für Armenien und Aserbaidschan gilt seit 1992 ein Waffenembargo der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Israel allerdings nicht angehört. Eine UN-Resolution forderte 1993 ebenfalls alle Mitgliedsstaaten auf, von Waffen- und Munitionslieferungen abzusehen, die den Konflikt verschärfen könnten. Israel gehört neben Staaten wie Russland, Weißrussland und der Ukraine zu jenen UN-Mitgliedern, die dennoch seit Jahren an eine oder beide Konfliktparteien Waffen liefern.
Aserbaidschanisch-israelische Kooperation gegen den Iran?
Als das aserbaidschanisch-israelische Waffengeschäft Anfang des Jahres bekannt wurde, wurden auch Vermutungen laut, Aserbaidschan könne die Waffen gegen seinen südlichen Nachbarn Iran einsetzen. Weiter angeheizt wurden Spekulationen über eine aserbaidschanisch-israelische Militärkooperation gegen den Iran mit einem Bericht des US-Magazins "Foreign Policy". Darin hieß es, Aserbaidschan könne Flugplätze zur Verfügung stellen, falls Israel Angriffe gegen den Iran fliegt, um dessen Atomanlagen zu zerstören.
Verbindendes trennt Iran und Aserbaidschan
Auf den ersten Blick scheint eine Kooperation Israels und Aserbaidschans plausibel. Denn die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Iran sind angespannt, auch oder gerade, weil die Staaten viel verbindet. In beiden Ländern dominiert die schiitische Ausrichtung des Islam. Sie sind historisch und kulturell eng verbunden, und im Norden des Iran lebt eine bedeutende Minderheit aserisch-stämmiger Iraner. Die Zahlen schwanken zwischen 13 und 30 Millionen. In Aserbaidschan selbst leben neun Millionen Menschen.
Doch beklagt die säkular orientierte Regierung in Baku eine Einflussnahme der theokratischen Führung Irans - vermittelt über die Ausbildung schiitischer Geistlicher und die Unterstützung schiitischer Organisationen in Aserbaidschan. Mit dieser Begründung werden häufig Gläubige festgenommen und muslimische Einrichtungen geschlossen. Umgekehrt gibt es Vorwürfe, die Regierung in Baku mobilisiere die aserische Minderheit gegen die Führung in Teheran. Im Kaspischen Meer streiten beide Länder um lukrative Gasfelder.
Zudem unterhält der Iran gute Beziehungen zu Aserbaidschans Staatsfeind Nummer Eins, dem christlichen Nachbar Armenien. Über religiöse Unterschiede hinweg floriert der iranisch-armenische Energie- und Warenaustausch. Beide Staaten sind durch Gas- und Stromleitungen verbunden.
Eine Eskalation im Iran wäre katastrophal
Dennoch weist die Führung in Baku jegliche Spekulationen strikt zurück, israelische Militärflieger könnten auf dem Weg in den Iran in Aserbaidschan zwischenlanden. "Alle Seiten wissen genau, dass dies nicht so ist und nicht passieren wird", sagte Präsidentenberater Novruz Mammadov in Baku, der in der Präsidialadministration die außenpolitische Abteilung leitet. In der Verfassung sei festgelegt, dass Aserbaidschan sein Territorium niemals als Luftwaffenbasis für andere Staaten zur Verfügung stellen werde, so Mammadov weiter. Aserbaidschan sei für eine friedliche Lösung des Atomkonflikts mit dem Iran. Denn: "Eine militärische Intervention im Iran wäre katastrophal. Nicht nur für Aserbaidschan, sondern generell."
Die Freundschaft Aserbaidschans zu Israel geht nicht so weit, um einen offenen Konflikt mit dem Iran mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Region zu riskieren. Schon die bekannt gewordenen Spekulationen führten zu einem erhitzten Schlagabtausch zwischen Iran und Aserbaidschan. Dabei ging es unter anderem um Spione und Attentatsversuche auf beiden Seiten.
Vorerst unternimmt die Regierung in Baku alles, um zumindest nach außen hin nicht als Brückenkopf Israels dazustehen. Es ist davon auszugehen, dass Aserbaidschan auch weiter eine Balance zwischen den ehemaligen Imperien in seiner direkten Nachbarschaft und den weiter entfernten Verbündeten suchen wird. Für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Aserbaidschan kann diese Strategie nur von Vorteil sein.
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