Monday, June 11, 2012

ARTIKEL Israel kauft ein Flugfeld in Aserbaidschan. Von Raoul Kirschbichler (nachrichten-politik.at)

(nachrichten-politik.at) Israel kauft ein Flugfeld der alten Militärbasis Sitalcay in Aserbaidschan. Das berichtet das Magazin ´Foreign Policy´. Sitalcay ist nur 500 Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Israelische Luftangriffe auf iranische Atomanlagen sind nun viel leichter zu planen. Warum unterstützen die Moslems in Aserbaidschan die israelische Regierung?

“Juden gehören vernichtet oder des Landes verwiesen!” In Aserbaidschan, einem mehrheitlich moslimischen Land, sind solche Äußerungen sehr selten zu hören. Nur Mitglieder der verbotenen islamistischen Partei sind Judenhasser. Ansonsten gibt es in Aserbaidschan so gut wie keinen Antisemitismus. Die Regierung in Baku geht auch rigoros gegen Antisemiten vor. Die 20.000 Juden in Aserbaidschan fühlen sich nicht nur sicher, sondern auch akzeptiert und integriert. Deshalb gibt es auch gute diplomatische Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Israel. Nur zwei Monate nach der Unabhängigkeitserklärung (1991) war Israel einer der ersten Staaten, der die junge Republik anerkannte.

Schon während seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident (1997) hat Benjamin Netanyahu die beiden Länder eng miteinander verbunden. Damals wurde ein Abkommen zur Modernisierung der aserbaidschanischen Streitkräfte unterzeichnet. Erst vor drei Monaten wurde ein Kaufvertrag in der Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar unterschrieben: Die Regierung in Baku hat von Israel im Jänner unter anderem Luft- und Raketenabwehrtechnik gekauft. Konkret bedeutet das: Mit israelischer Hilfe umgeht Aserbaidschan ein Waffenembargo der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), das wegen des Konflikts mit Armenien um die Region Berg-Karabach verhängt wurde. 

Israel ist mittlerweile der drittwichtigste Wirtschaftspartner der kaukasischen Republik:

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- Bereits kurz nach der Öffnung seiner Märkte sicherte sich das israelische Telekommunikationsunternehmen Bezeq den größten Teil der Betriebsrechte für Aserbaidschan.

- Israel bezieht heute ein Viertel seines Ölbedarfs von Aserbaidschan. Auch Erdgas soll künftig vom Kaukasus in den Nahen Osten transportiert werden. Aserbaidschan bezieht aus Israel wiederum hoch entwickelte Geräte zur Förderung und Entwicklung von Erdgas und Erdöl. ( Modcon Systems Ltd. hat eine große Niederlassung in Aserbaidschan eröffnet.)

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Bislang hat Israel sein Erdöl in erster Line aus Russland bezogen. Doch je mehr das iranische Atomprogramm die internationale Politik bestimmt, desto deutlicher wird, dass Russlands den Iran weiter unterstützt. Israel muss davon ausgehen, dass Russland den Ölhahn zudreht, sobald die israelische Luftwaffe Angriffe auf iranische Atomanlagen fliegt. Zudem: Seitdem die Türkei Hilfsgüter per Schiff nach Gaza schicken wollte, sind die israelisch-türkischen Beziehungen eingefroren. Der Pipelinebau zwischen Ceyha, im Süden der Türkei, und Haifa somit auf Eis gelegt.

“Die Israelis haben ein Flugfeld in Aserbaidschan gekauft”, schreibt das US-Magazin “Foreign Policy” unter Berufung auf vier hochrangige US-Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter. Dabei handelt es sich um ein Flugfeld der alten Militärbasis Sitalcay. Das ehemalige Flugfeld der Roten Armee liegt 50 Kilometer nördlich der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, direkt am Kaspischen Meer. Und was noch wichtiger ist: Von Sitalcay sind es nur 500 Kilometer bis zur iranischen Grenze. Israelische Luftangriffe auf iranischen Atomanlagen sind nun bedeutend leichter zu planen: Israelische F15 – und F16 Kampfjets müssten nicht in der Luft aufgetankt werden, sie benötigten weniger Treibstoff und könnten demnach mehr Bomben mit sich führen.

Doch Aserbaidschans Verteidigungsminister Safar Abijew winkt ab und erklärt: “Die Republik Aserbaidschan wird niemals einem anderen Staat erlauben, seinen Boden oder seinen Luftraum für Angriffe gegen die Islamische Republik Iran zu nutzen, die wir als unseren Freund und Bruder betrachten.” Die USA sind skeptisch. Ein Beamter des US-Militärgeheimdienstes erklärt gegenüber dem Magazin “Foreign Policy”: “Der Verteidigungsminister hat weder die Landung israelischer Flugzeuge noch die Stationierung von Such- und Rettungseinheiten explizit ausgeschlossen.”

Gegenüber der aserbaidschanische Nachrichtenagentur Turan betont Verteidigungsminister Safar Abijew: “Nur eine gute militärische Zusammenarbeit mit dem Iran kann den Frieden in dieser Region garantieren.” Doch die politische Realität sieht anders aus:

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Zwischen Ende Januar und dem 20. Februar sind dem Inlandsgeheimdienst in Aserbaidschan 22 iranische Spione ins Netz gegangen. Sie sollen mehrere Anschläge geplant haben. Auf westliche Botschaften, auf israelische und amerikanische Staatsbürger in Aserbaidschan.

Auf Anweisung der iranischen Revolutionsgarden hätten die Festgenommenen konspirative Wohnungen angemietet. Die Spione, die wegen Staatsverrats und illegalem Waffenbesitz unter Anklage stünden, seien in Ausbildungslagern in der Nähe von Teheran und Karadsch auf ihre Aufgabe vorbereitet worden. Bei den Festgenommenen seien zahlreiche Maschinengewehre, Pistolen, Munition und verschiedene Sprengsätze sichergestellt worden.

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Natürlich vermutet man zunächst einmal, dass Israel versucht, das Verhältnis zwischen Baku und Teheran zu vergiften. In erster Linie, weil Israel Aserbaidschans Starterlaubnis für Luftangriffe gegen den Iran brauchen wird. Denn der Luftraum über der Militärbasis Sitalcay ist unverkäuflich. Ohne dabei wirklich zu wissen, was Israel der Regierung in Baku im Gegenzug anbietet oder anbieten würde. Diese Ungewissheit war auch der Motor für das Außenministertreffen am letzten Sonntag in der aserbaidschanischen Enklave Nachitschewan. Hier sind die Außenminister der Türkei, Aserbaidschans und des Iran zusammengekommen um sich gegenseitig zu versichern: “Wir werden es nicht zulassen, dass das eigene Territorium für einen Angriff auf ein Nachbarland genützt wird.”

Damit musste Israel schon vor dem Kauf des Flugfeldes rechnen. So gesehen ist der Ankauf des Flugfeldes von Sitalcay vorerst einmal nur Teil einer großen Strategie, die darauf ausgerichtet ist, sich in diesem Kalten Krieg im Nahen Osten noch bessere Karten zu sichern.

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