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(dradio.de) Levón Arónian ist 29 Jahre alt - und der zweitbeste Schachspieler der Welt. Geboren ist er in Jerevan, zur Wahlheimat wurde ihm Berlin. Kenner bewundern Arónians "kaukasischen" Spielstil - überraschend und draufgängerisch. Doch der Armenier hat noch eine Leidenschaft: Kickboxen.
(dradio.de) Levón Arónian ist 29 Jahre alt - und der zweitbeste Schachspieler der Welt. Geboren ist er in Jerevan, zur Wahlheimat wurde ihm Berlin. Kenner bewundern Arónians "kaukasischen" Spielstil - überraschend und draufgängerisch. Doch der Armenier hat noch eine Leidenschaft: Kickboxen.
Nein, das wird er nicht tun. Levon Aronian weigert sich vorzuführen, wie er im Garten am Sandsack Kickboxen trainiert. Stattdessen geht er zurück ins Haus. Zieht seine blauen Hauslatschen mit Homer-Simpson-Motiv an und nimmt die Treppe in den ersten Stock - in sein Arbeitszimmer."
"Aber ich arbeite hier selten. Ich sitze hier meist herum und tue so als ob ... In Wirklichkeit quäle ich mich - stelle etwas aufs Brett und versuche, irgendwas Passables aus den Tiefen meines Verstandes herauszuholen."
Es ist ein schlichtes Zimmer. Ein Sofa. Ein Bücherregal. Ein Schachbrett mit kippendem König - in Öl gemalt. In der Ecke eine Glasvitrine mit Pokalen und Medaillen, die Levon Aronian von Turnieren mitgebracht hat. Auf dem Schreibtisch - Papierstapel und eine Dockingstation. Aronian steckt den MP3-Player ein.
"Wenn du plötzlich den Wunsch spürst, mitzustampfen, mitzuswingen - das gleiche Gefühl hat man bei manchen Schachpartien. Es überkommt dich plötzlich, du siehst eine Angriffssituation und bekommst Lust, einzusteigen."
Am Tisch nimmt Levon Aronian sofort die typische Schachspieler-Haltung ein: beide Ellbogen aufgestützt, das Gesicht liegt in den Handflächen. Levon Aronian hat ein kantiges Profil, eine Knubbelnase, ein markantes Kinn und ein schalkhaftes Blitzen in den Augen. Er ist 29 und der zweitstärkste Schachspieler der Welt. Kenner bewundern seinen "kaukasischen" Spielstil - überraschend und draufgängerisch.
"Es ist schwierig, so etwas einen Stil zu nennen - es ist eher eine Verschmelzung von Talent und Faulheit. Daher kommt der Wunsch, möglichst bald den Kanon, die Norm zu verlassen und schnell etwas auf dem Brett zu schaffen, was der Gegner nicht kennt. Es ist immer ein Versuch, durch das naturgegebene Talent zu gewinnen."
Sein Talent hat Levon Aronian dank seiner großen Schwester entdeckt. Damals war er neun.
"Ich habe meine Schwester ziemlich genervt, wollte immer mit ins Kino oder zum Spielen. Also hat sie überlegt, womit sie mich ablenken könnte. Schach war eine Möglichkeit - es hätte aber alles Mögliche sein können ... "
Levon Aronian ist in der armenischen Hauptstadt Jerevan geboren. Vater - Physiker, Mutter - Bergbauingenieurin. In den schlechten Jahren nach dem Ende der Sowjetunion verkauft sie ihren Schmuck und Teile der Bibliothek, um Schachlehrbücher für ihren Sohn zu besorgen.
"Wenn du als Kind den Zusammenbruch eines Systems erlebst und mitkriegst, wie die Eltern ihre Jobs verlieren - das stärkt. Durch ihren Optimismus haben meine Eltern es geschafft, meinen Weg zum Schach zu ebnen. Und das hat mit das Grundvertrauen gegeben."
Lange Zeit bleibt Levon Aronian unbesiegt: Jugendweltmeister mit zwölf und mit 14, Großmeister mit 16. Weltmeister in Schnellschach, Blitzschach und Mannschaftsschach. 2003 entschließt Aronian sich, für den Deutschen Schachbund zu spielen und zieht mit der Familie nach Berlin um. Wobei er gut 200 Tage im Jahr unterwegs ist - zu Turnieren, zur Freundin nach Australien, zur Nationalmannschaft nach Armenien, wo Levon Aronian wie ein Volksheld gefeiert wird. Aber mit Mitte Zwanzig hat er vom Schachspielen genug.
Der Schachgroßmeister Levón Arónian (Bild: Vera Block / privat) |
"Irgendwann erreichte ich ein Niveau, auf dem auch ich hin und wieder geschlagen wurde. Das gefiel mir nicht ... Und es kamen Fragen nach dem Sinn des Ganzen auf. Denn es ist schwierig zu behaupten, Schachspiel hätte einen tieferen größeren Sinn. Es ist eine Beschäftigung, die mir sehr gefällt. Erst als ich begriffen habe, dass in der Welt nicht alles begründet und auseinander genommen werden kann, fang ich an, Schach mehr zu lieben und mich weniger dafür zu schämen. Und dann fragt man sich selbst - soll ich entspannen, mir unter den ersten Zehn ein schönes Leben machen, allein durch das Talent. Oder soll ich vielleicht anfangen, ernsthaft zu arbeiten und versuchen, ganz nach oben zu kommen."
Levon Aronian will nach ganz oben. Obwohl er Schach inzwischen für eine brutale Angelegenheit hält.
"Es gibt Momente im Schachspiel, wenn du spürst, dass du besiegt, vernichtet wurdest. Da bricht alles in einem zusammen. Jemanden wiederum am Brett deinem Willen zu unterwerfen ist ein schönes Gefühl. Wenn du es schaffst, deinen Gegner emotional zu besiegen - das ist ziemlich heftig."
Levon Aronian rutscht auf dem Stuhl hin und her, lehnt sich zurück, wippt mit dem Kopf zur Musik. Ähnlich wie Jazz hält er auch Schach für eine Kunstform.
"Diese beiden Kunstformen befinden sich auf einem Niveau, das für die Mehrheit nicht erreichbar ist. Aber sobald du das Geheimnis dieses Spiels oder dieser Musik entdeckst, fängst du an, diese Kunst vom ganzen Herzen zu lieben."
1 comment:
200 Tage im Jahr zu reisen, wäre mein Traum, aber in Levon´s Falle hört sich das nach Stress an.
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