Di./Mi., 7./8. Dezember 2010: International der Standard
Stalin-Museum in Gori: wenige Hinweise auf Repressionen / Beliebter Jugend-Treffpunkt.
Diktatoren, die das Europa des 20. Jahrhunderts prägten und politisch-psychologisch bis heute nachwirken.
Das Stalin-Museum im georgischen Gori behandelt die Verbrechen des Sowjet-Diktators nur amRande. Viele Jugendliche, die sich dort gern treffen, sind stolz auf ihren Landsmann. Von den Repressionen wissen sie nichts. Von Tatjana Montik aus Gori
Die kleine georgische Stadt Gori im Osten des Landes hat eine lange Geschichte. Laut einigen Quellen existierte die Siedlung Gori schon im dritten Jahrhundert vor Christus. Aber weltbekannt wurde die Stadt durch einen Mann, der hier 1879 geboren wurde – Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, besser bekannt als Stalin. Seit 1937 gibt es für ihn ein Museum in Gori.
Das pompöse Museumsgebäude an der Stalin-Allee von Gori entstand gleich neben der Stelle, wo sich Stalins Geburtshaus befindet. Dieses kleine ärmliche Häuschen, wo Stalins Eltern nur ein Zimmer und den Keller mieteten, wurde 1939 mit einem Pavillon überdacht.
Das Museumsgebäude selbst wurde 1957, vier Jahre nach dem Tod des Diktators, neu errichtet und erinnert eher an einen italienischen Renaissance-Palazzo.
Larisa Kazaschwili ist eine der ältesten Museumsmitarbeiterinnen und Direktorin des museumseigenen Verlags. Täglich führt sie Touristen durch das Museum. Die Führungsinhalte hätten sich im Laufe der Jahre je nach politischer Konjunktur verändert, berichtet sie, denn das Stalin-Museum sei schon immer ein Spielball politischer Interessen gewesen. Die Ausstellung stamme aus Geldmangel noch aus der Sowjetzeit, was für ausländische Touristen jedoch eher von Vorteil sei.
Einige wenige Dokumente sind in letzter Zeit neu hinzugekommen. Zum Beispiel das Geheimprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt, in dem über Europas Aufteilung zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich entschieden wurde. Und wie sehr dies auch verurteilt werden möge, Stalin habe dank dieses Pakts immerhin Zeit und dadurch auch den Krieg gewonnen, sagt die Museumsführerin, "denn damit brachte er Hitlers Pläne für einen Blitzkrieg zum Scheitern".
Opfer aus der Region
Nur ein kleiner Saal am Ende der Exposition behandelt die Repressionen gegen die so genannten Volksfeinde, denen unter dem Stalin-Regime Millionen von Sowjetmenschen zum Opfer fielen. In dieser kleinen Ausstellung wird über die Repressionsopfer aus der Gori-Region berichtet.
Bei den jungen Menschen von Gori ist das Stalin-Museum ein beliebter Treffpunkt. In einer Gruppe von acht jungen Leuten spricht der 16-jährige Georgi Geliaschwili als einziger Russisch. Auf Stalin hält er große Stücke. Sein Landsmann sei in erster Linie ein Sowjetmensch und erst dann ein Georgier gewesen. Und ein ganz großer Führer sei er gewesen, auf den die Georgier stolz sein könnten, denn Stalin habe das ganze Land, ja die ganze Welt fest im Griff gehabt.
Von den furchtbaren Repressionen der Stalin-Zeit haben weder Georgi noch seine Freunde eine Ahnung. Auch für den 29-jährigen Bankangestellten Gia Kabulaschwili (29) ist der Name Stalin positiv besetzt. Die Repressionen seien von seinem Geheimdienst NKWD durchgeführt worden, Stalin habe davon nichts gewusst. Denn Russland sei groß, woher hätte erwissen können, was in den Regionen passierte? Und Stalin sei ja selber ermordet worden. Gia ist sicher: Die Geschichtswissenschaft sei Stalin noch ein richtiges, ein positives Urteil schuldig.
Das Kapitel "Stalin und sein Erbe" scheint jedenfalls – nicht nur in Georgien – noch lange nicht aufgearbeitet zu sein. Davon zeugt unter anderem die Tatsache, dass das gewaltge Stalin-Denkmal, das im Juni auf dem Hauptplatz von Gori demontiert wurde, demnächst vor dem Stalin-Museum wiederrichtet werden soll. Und für viele Einwohner ist das ein positives Zeichen. Denn Stalin sei für sie in erster Linie eine gute Einnahmequelle, sagt die Museumsführerin Kazaschwili.
Monday, December 27, 2010
Subscribe to:
Post Comments (Atom)
No comments:
Post a Comment