(ndr.de) Hunderttausende Tscherkessen wurden vor 150 Jahren aus Sotschi, dem Olympia-Austragungsort, vertrieben. Einer der wenigen, der sich für die Ureinwohner einsetzt, ist Cem Özdemir.
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Timur Shogen |
Der Schlächter des Kaukasus'
Manfred Quiering |
1864 fand in Sotschi, der Hauptstadt der Tscherkessen, die letzte Schlacht statt. Tausende wurden massakriert. Wer überlebte, wurde übers Schwarze Meer in die Türkei deportiert. Um dem zu entgehen, stürzten sich Hunderte Tscherkessen in eine Schlucht, auch Frauen mit ihren Babys. Ein Völkermord, so sehen es die Tscherkessen heute, der von Russland nicht anerkannt wird. "In Russland sagt man immer: 'Über den Sieger urteilt man nicht.' Die Russen sind die Sieger und bis heute schreiben sie auch die Geschichte des kaukasischen Krieges", so Quiring.
Keine Rede vom Völkermord
Zamir Shukow |
Das alte Siedlungsgebiet der Tscherkessen im Nordkaukasus ist heute nur noch ein Flickenteppich. Und im offiziellen russischen Sotschi-Werbevideo und anderswo ist vom Völkermord keine Rede. Dagegen protestiert die tscherkessische Organisation "No Sochi" - in ihren Moskauer Büros gab's schon eine Razzia. Viele sagen ab, als wir tscherkessische Historiker und Aktivisten um Interviews bitten. Nur einer redet mit uns: Zamir Shukow. Ihn empört besonders, dass die Parade, mit der die Russen vor 150 Jahren ihren Sieg über die Tscherkessen feierten, zu Olympia als Kostümschau wiederholt werden soll: "Wenn das wirklich stattfindet, dann gibt es dafür nur eine Bezeichnung: Es ist eine Schändung. Es wäre eine Siegesfeier auf Massengräbern, unbarmherzig und gefühllos. Man stelle sich nur vor, was los wäre, wenn Neonazis in Auschwitz eine Parade abhielten."
Hamburger Museum erinnert an die Tscherkessen
Bei uns ist diese Tragödie so gut wie unbekannt. "Tscherkessen - Vom Kaukasus in alle Winde verweht" heißt eine kleine Ausstellung imHamburger Völkerkundemuseum: Erinnerung an das Reitervolk, das lange der Inbegriff der Kaukasuskultur war. Anlass für die Schau: Olympia in Sotschi. "Ich habe in Sotschi, als ich schon mal da war vor einigen Jahren, natürlich Sachen gehört, die einem die Haare zu Berge stehen lassen", so Museumsdirektor Wulf Köpke. "Da sagte die Frau, die uns dort auf dem Olympiagelände herumführte: 'Na klar, die Tscherkessen. Wir wollten denen ja die Zivilisation beibringen. Das wollten die nicht, da mussten wir die ja totschlagen.'"Grünen-Politiker setzt sich für Tscherkessen ein
Einer der wenigen, der sich für die Sache der Tscherkessen einsetzt, ist Cem Özdemir. Sein Vater ist Tscherkesse, dessen Vorfahren in die Türkei gekommen waren. Russland soll sich endlich der Vergangenheit stellen. "Mittlerweile ist das Klima auch dank der Tschetschenienauseinandersetzung in Russland ein sehr vergiftetes gegenüber den gesamten Kaukasiern", sagt Cem Özdemir, Vorsitzender Bündnis90/Die Grünen. "Viele unterscheiden da nicht mehr. Kaukasus gleich Terrorismus gleich Islam gleich Islamismus. Insofern wären die Olympischen Spiele eine Chance für Russland, diesen dunklen Teil der Vergangenheit aufzuarbeiten."Tscherkessen fordern Ende des Schweigens
Im aufpolierten Sotschi erinnert nichts an die Tscherkessen. Dabei drohen sie nicht mit Gewalt und wollen kein Land zurück. Aber eine Anerkennung ihres Leids und ein Ende des Schweigens. "Diese Ereignisse haben dazu geführt, dass ich jetzt in Deutschland bin", erzählt Timur Shogen. "Gerade mal 700.000 sind in ihrer ursprünglichen Heimat. Der Rest ist auf die ganze Welt vertrieben, oder verteilt worden. In über 14 Ländern leben wir zurzeit." Und das habe man Sotschi zu verdanken, so Shogun. "Schlusspunkt war Sotschi."INTERVIEW
Cem Özdemir engagiert sich für Tscherkessen
27.01.2014 | 22:45 UhrVideo starten (06:55 min)
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