Tuesday, September 05, 2017

LITERATUR: Die georgische Lyrikerin Bela Chekurishvili (fixpoetry.com)

Bela Chekurishvili (c) Dirk Skiba
(fixpoetry.com) * 1974 Gurjaani (Georgien)

Hat georgische Sprache und Literatur an der Universität Tbilisi studiert. Sie arbeitete als Kulturjournalistin und auch als Lehrerin, zeitweise war sie auch eine begeisterte Alpinistin. Jetzt ist sie Doktorantin für Komparatistik an der Universität Tbilisi, zur Zeit studiert sie an der Universität Bonn.

Autorin von vier Gedichtbänden in Georgien, 2012 Fragen an Sisyphus bei Diogenes Tbilisi und zuletzt August 2017 Detektor der Nacktheit bei Intelekti Tbilisi. Auch erschien 2016 bei Intelekti Tbilisi ein Band mit Kurzgeschichten unter dem Titel Rheinische Aufzeichnungen auf Georgisch.

2015 wurden 4 Gedichte in der Sammlung Aus der Ferne Neue Georgische Lyrik Corvinus Presse Berlin erstmals in Deutscher Sprache herausgebracht. Der erste deutsche Lyrikband Wir, die Apfelbäume wurde 2016 bei Wunderhorn Heidelberg veröffentlicht.

Die Dichter zählen ihre Schritte nicht
Georgisches Sprichwort

Sie zählen
die Zeilen, die Wörter in den Zeilen, die Silben in den Wörtern.
Sie zählen, wo sie stehen bleiben,
still sein, atmen, wo sie klagen, wo sie stöhnen
wo sie einen Laut verdoppeln und die Mimik ändern sollten.
Sie zählen und berechnen
wie Baumeister des Altertums, wie Alchemisten, Banker, Wucherer,
wie Markthändler, Versicherungsvertreter, Schuster.
Sie werten die Gefühle aus,
die Lust, das Charisma, den Suizid, die Freunde, Nutten, Stars,
Statisten, die Tage auf der Straße und die Nächte in den Hütten.
Sie zählen und sie wiegen alles wie die Steine,
Kieselsteine, den geschnitzten Findling, Marmor, Ziegel und Granit.
Sie zählen und bemessen,
damit sie’s später passend machen,
wenn sie die Herbergen, die Burgen und die Tempel bauen,
damit man fliehen, sich verstecken oder beichten kann.
Und so passiert es dann, dass diese Tempel, Burgen und Gemächer
zur Zuflucht für die andern werden
und keiner kann sich mehr erinnern
was dafür zurechtgestutzt, poliert, geschnitzt, in Form gebracht
und abgeschliffen worden ist.

Wie’s in den Schulbüchern so steht: das alles ist jetzt ein Gedicht.

Aus: Wir, die Apfelbäume, Wunderhorn 2016 (wunderhorn.de)

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