
Die Deutsche Internationale Schule in Tbilissi – nur eine von vielen kommerzielle Privatschulen oder doch etwas Anderes? Von Barbara Wattendorf [pdf]
Seit zehn Jahren gibt es in Georgien eine Deutsche Auslandsschule – eine Schule also, die es ermöglicht,
in Georgien eine Schulausbildung in deutscher Sprache, nach deutschen Lehrplänen und mit deutschen,
weltweit anerkannten Schulabschlüssen zu absolvieren.
Im Südkaukasus ist diese Schule einzigartig. Sie verdankt ihre Existenz engagierten Bürgern beider Länder
und der tatkräftigen Unterstützung sowohl Georgiens als auch Deutschlands.
Die Schule nimmt auch deshalb eine Sonderstellung in der Privatschullandschaft Georgiens ein, weil sie
keinen Gewinn erwirtschaftet und die Gebühren der Eltern unmittelbar und ausschließlich in die
schulische Arbeit fließen. Das bedarf in einem Umfeld, in dem es eine kaum noch überschaubare Anzahl
kommerzieller Schulangebote gibt, besonderer Erläuterung.
Was zeichnet diese Schule aus und warum ist sie ein Gewinn für die Schullandschaft Georgiens?
Warum gibt es in Georgien eine Deutsche Auslandsschule? Wie ist sie aufgebaut?
Die Deutsche Internationale Schule Tbilissi ist im Jahr 2009 durch eine Elterninitiative gegründet worden:
Deutsche und Georgier, die beruflich und privat mit Georgien und Deutschland verbunden sind, haben
einen gemeinnützigen Verein gegründet mit dem Ziel, in Tbilissi eine Deutsche Auslandsschule zu
gründen. Weltweit gibt es rund 140 solcher Schulen, zum Teil sind sie sehr alt. Sie werden von der
Bundesrepublik Deutschland unterstützt und sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik – ebenso wie die Goethe-Institute und der Deutsche Akademische
Austauschdienst (DAAD). Nicht viele haben daran geglaubt, dass Deutschland einer Schulgründung in
Georgien zustimmt. Finden sich genug Eltern, die an einem deutschsprachigen Schulangebot interessiert
sind? Ist Deutschland bereit, sich im Südkaukasus auf ein neues langfristiges Engagement dieser
Größenordnung einzulassen? Die Elterninitiative fand tatkräftige Unterstützung in der Deutschen
Botschaft Tiflis und konnte im Jahr 2010 mit 8 Erstklässlern und einer kleinen Kindergartengruppe in
einem angemieteten Privathaus in Tbilissi eröffnen. Die georgische Seite hat die Schulgründung begrüßt
und unterstützend begleitet. Im Schuljahr 2021/2022 werden die ersten Absolventen die Schule mit dem
Abitur, dem weltweit anerkannten deutschen Schulabschluss, verlassen. Ihnen folgen immer größer
werdende Klassen, jedes Jahr nimmt die Schule bis zu 25 Schülerinnen und Schüler in die erste Klasse auf.
Die Gesamtverantwortung für das junge „Public-Private-Partnership“ hat, ebenso wie an allen Deutschen
Auslandsschulen weltweit, ein vom Schulverein gewählter ehrenamtlich tätiger Vorstand. In Georgien
stößt diese Konstruktion oft auf ungläubiges Staunen oder gar auf Misstrauen: Wie kann es sein, dass über
so viele Jahre hinweg beruflich stark eingespannte Menschen Managementaufgaben und erhebliche
Verantwortung übernehmen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten? In Deutschland hat
ehrenamtliches Engagement dagegen eine lange Tradition – im Sport beispielsweise, in der Jugendarbeit
und in der Kultur. Es ist ein fester Bestandteil des Alltags, vieles in Deutschland würde ohne
ehrenamtliches Engagement nicht funktionieren. Kein Vorstandsmitglied dieser Schule erhält eine
Vergütung oder eine anderweitige Gegenleistung. Selbst wenn ein Vorstandsmitglied eigene Kinder in der
Schule hat, zahlt es dafür genau die Schulgebühren, die alle anderen Eltern auch zahlen. Alle investieren
ihre persönliche Expertise und Erfahrung allein aus der Überzeugung heraus, für eine gute und sinnvolle
Sache einzustehen. Erstaunlich vielleicht, aber doch wahr und in den jährlichen Finanzberichten der
Schule an die Mitgliederversammlung des Schulvereins und an die fördernden Stellen in Deutschland
nachprüfbar.
Die pädagogische Leitung der Schule übernimmt immer eine aus Deutschland entsandte Lehrkraft mit
Schulleitungserfahrung.
Die Schule untersteht der deutschen Schulaufsicht. Sie erfüllt bestimmte Kriterien, um deutsche
Abschlüsse vergeben zu dürfen. Ein eigens für Deutsche Auslandsschulen entwickeltes
Qualitätsmanagement sieht regelmäßige Schulinspektionen vor. Ende des Jahres 2019 hat die Schule eine
solche Schulinspektion durch erfahrene Schulinspektorinnen aus Deutschland mit Bravour absolviert. Sie
ist aus dieser Inspektion mit dem Gütesiegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule“ (unterzeichnet durch
den deutschen Bundespräsidenten) hervorgegangen, einer Auszeichnung, die für eine junge Schule im
Aufbau durchaus nicht selbstverständlich ist.
Gleichzeitig untersteht die Schule auch der georgischen Schulaufsicht, sie verfügt über eine immer wieder
zu erneuernde staatliche Autorisierung. Sie muss also auch die Auflagen erfüllen, die der georgische Staat
an seine Schulen stellt. Das ist eine besondere Herausforderung, weil diese Anforderungen in einigen
(wenigen) Punkten von den deutschen Maßgaben abweichen. Von Beginn an war den Schulgründern und
der Schulgemeinschaft die georgische staatliche Autorisierung ein großes Anliegen. Die für die
Schulaufsicht zuständigen georgischen Behörden haben die Schule dabei immer aufgeschlossen und
konstruktiv begleitet.
Wie finanziert sich die Schule?
Die Deutsche Internationale Schule Tbilissi ist eine Privatschule, die keinen Gewinn erwirtschaftet. Sie
finanziert sich zum größten Teil (zu mehr als 85 Prozent) aus den Schulgeldern der Eltern. Daneben erhält
sie finanzielle und personelle Unterstützung aus Deutschland. Neben einer an der Größe der Schule
bemessenen Fördersumme übernimmt die Bundesrepublik Deutschland die Personalkosten für eine Reihe
von deutschen Lehrern, die an der Schule unterrichten und die Schulentwicklung unterstützen. Die Anzahl
der aus Deutschland entsandten Lehrer deckt jedoch nicht den kompletten pädagogischen Personalbedarf
der Schule. Die Schule muss einen erheblichen Teil ihrer Lehrkräfte selbst finanzieren.
Die Schule wandert so seit ihrer Gründung auf einem schmalen Grat: Wie hoch müssen die Schulgelder
bemessen sein, damit die Schule den hohen Qualitätsansprüchen, die an Deutsche Auslandsschulen
gestellt werden, gerecht werden kann? Wie hoch können sie bemessen sein, damit die Schule noch
zugänglich bleibt für georgische Familien, die ihren Kindern eine deutsche Schulausbildung ermöglichen
wollen? Rund zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler sind georgische Staatsbürger.
Eine überaus konservative Haushaltsführung trägt seit der Gründung dazu bei, dass die Schule keine roten
Zahlen schreibt und minimale, von deutscher Seite vorgeschriebene, Rücklagen hat. Die Schulgelder der
Eltern fließen ausschließlich in den Unterrichtsbetrieb und den Unterhalt der Schule (Personal,
Gebäudekosten, Ausstattung, Verpflegung).
Das schöne Gebäude der Schule im Stadtteil Bagebi steht auf einem Grundstück, das die georgische
Regierung dem Schulverein im Jahr 2015 übertragen hat. Klarer konnte die georgische Seite es kaum
ausdrücken: Diese Schule ist in Georgien erwünscht und verdient Unterstützung! Das Auswärtige Amt der
Bundesrepublik Deutschland hat in der Folge den Bau eines eigenen Schulgebäudes auf diesem
Grundstück mit einer großzügigen Fördersumme unterstützt. Der Schulverein hat zusätzlich ein
Baudarlehen aufgenommen. So konnte die Schule im Jahr 2017 nach Jahren in wechselnden
Mietgebäuden endlich ihr eigenes Gebäude beziehen und weiterwachsen. Der ehrenamtlich geführte
Schulverein hat sich dadurch aber auch über Jahre hinaus verschuldet, was die Gesamtverantwortung, in
der er steht, noch beträchtlich erhöht hat.
Jährlich legt der Vorstand der Mitgliederversammlung des Schulvereins ausführlich Rechenschaft über
seine Tätigkeit und die Finanzen der Schule ab. Das schreibt die Satzung des Schulvereins vor. Die
fördernden Stellen in Deutschland prüfen ihrerseits die Finanzen der Schule, werden doch neben den
Schulgeldzahlungen der Eltern auch öffentliche Mittel der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt.
Für wen gibt es diese Schule? Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule?
Die Schule dient zum einen Familien aus deutschsprachigen Ländern, die während eines beruflichen
Engagements in Georgien für ihre Kinder eine deutschsprachige Schulausbildung, einen deutschen
Schulabschluss oder einen reibungslosen Übergang zurück in die Heimat brauchen. Das Angebot der
Schule ist ein wichtiger Standortvorteil für Georgien, ermöglicht es doch Fachkräften aus
deutschsprachigen Ländern und ihren Familien einen mehrjährigen beruflichen Aufenthalt in Georgien.
Die Schule ist außerdem ein Angebot an georgische Familien, die ihren Kindern eine deutschsprachige
Schulausbildung ermöglichen wollen und finanziell dazu in der Lage sind. Manchmal haben diese Eltern
selbst in Deutschland studiert oder gearbeitet. Manchmal vertrauen sie einfach darauf, dass ihre Kinder
an der Deutschen Schule eine solide schulische Ausbildung und einen international anerkannten Abschluss
erhalten. Dieser gewährt ihnen später direkten Zugang zum gebührenfreien Studium in Deutschland.
Für georgische Familien ist die Deutsche Schule zunächst ein Wagnis. Manche sprechen selbst kein
Deutsch. In den ersten Schuljahren muss sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen ihnen und
der Schule entwickeln, eine echte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Wie sonst könnte man sein Kind
mit guten Gefühl einem fremden Schulsystem anvertrauen?
Den Gründern war von Anfang an bewusst, dass die Existenz der Schule von gelingenden Erziehungs- und
Bildungspartnerschaften mit den einzelnen Familien abhängt. Nur wenn die Schule das Vertrauen, das ihr
die Eltern entgegenbringen, rechtfertigen kann, wird sie bestehen können.
An der Schule gibt es fest etablierte Organe zur Elternmitsprache, die eine konstruktive und zielführende
Kommunikation zwischen Schule und Eltern sicherstellen sollen. So wählt jede Klasse eigene
Elternvertreter, es gibt regelmäßige Versammlungen dieser Elternvertreter und einen aktiven Austausch
mit der Schulleitung. Elternvertreter arbeiten an der Schulentwicklung mit und tragen zu einem
lebendigen Schulleben bei.
Das funktioniert nur, wenn beide Seiten offen sind für eine Zusammenarbeit. Die Schule muss bereit sein,
die Eltern und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Im Idealfall wird sie dadurch eine bessere Schule. Die Eltern
wiederum müssen bereit sein, die Positionen der Schule zu hören und sich damit aufrichtig
auseinanderzusetzen. Im Idealfall kommt man zu Kompromissen im Sinne der Kinder und mehr
Verständnis füreinander.
Es gibt zahlreiche gelingende Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Sonst würde es die Schule gar
nicht mehr geben. Diese Partnerschaften sind beglückende Erfahrungen für alle am Schulleben
Beteiligten. Das heißt aber keineswegs, dass ein schulischer Werdegang frei sein muss von Krisen und
kritischen Auseinandersetzungen. Die gehören zum Schulleben dazu.
Es gibt, wie an jeder Schule, auch gescheiterte Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Das ist immer
schmerzlich, aber glücklicherweise eine Seltenheit. Zum Scheitern kommt es dann, wenn die
Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus dauerhaft nicht funktioniert. Die Gründe dafür sind
individuell und vielschichtig. Wenn Elternhaus und Schule auf Dauer in Opposition zueinanderstehen und
keine gemeinsamen Lösungen finden können, dann kann es in Einzelfällen besser sein, sich zu trennen.
Eine Schulausbildung in einer fremden Sprache ist eine außerordentliche Herausforderung für Kind und
Eltern. Ausführliche Informationsgespräche mit jeder Familie vor der Aufnahme eines Kindes dienen dazu,
dies im Einzelnen zu erläutern. Der Erwerb einer fremden Sprache auf einem hohen Niveau geht einher
mit Jahr für Jahr anspruchsvoller werdenden Lerninhalten. Es braucht Sprachbegabung, Fleiß und große
Leistungsbereitschaft, um im Ausland den Weg zum Abitur (dem höchsten deutschen Schulabschluss) zu
schaffen.
Was lernen Schülerinnen und Schüler an der Deutschen Internationalen Schule Tbilissi?
Sie lernen zunächst einmal das, was Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum höchsten deutschen
Schulabschuss lernen müssen – entlang der deutschen staatlichen Vorgaben.
Zusätzlich erhalten die georgischen Schülerinnen und Schüler Unterricht in ihrer Muttersprache Georgisch
– ihre ausländischen Mitschülerinnen und Mitschüler können Georgisch als Fremdsprache lernen.
Was die Deutsche Schule ihnen jedoch vermitteln möchte, geht weit darüber hinaus: Schülerinnen und
Schüler sollen lernen, das Leben an ihrer Schule mitzugestalten. Bereits in der Grundschule wählt jede
Klasse Klassensprecher, diese wiederum wählen aus ihrem Kreis Schulsprecher. Schülervertreter der
höheren Klassen sind in den wichtigen Gremien der Schule vertreten, beispielweise im pädagogischen
Qualitätsmanagement. So übernehmen sie altersgemäß wachsende Verantwortung in ihrem täglichen
Lebens- und Lernumfeld.
Schülerinnen und Schüler sind auf Augenhöhe mit ihren Lehrerinnen und Lehrern einbezogen in die
Entscheidungen zur Entwicklung der Schule. Sie nehmen an den Diskussionsprozessen innerhalb der
Schule teil, sie lernen zuzuhören, ihre Meinung und ihre Anliegen vorzutragen und Konflikte konstruktiv
auszutragen. Dabei werden sie erst genommen und gestützt. Sie erfahren, dass sie selbst Einfluss auf ihren
Alltag in der Schule und auf ihr Lernen nehmen können. Und sie erfahren, wie mühevoll eine
Konsensfindung sein kann: Was essen wir in der Schule? Was spricht für eine Nutzung des Mobiltelefons
in der Schule und was dagegen? Sind Hausaufgaben sinnvoll? Was machen wir mit dem Geld, das die
Schule beim Weihnachtsbasar eingenommen hat?
Demokratieerziehung ist das moderne Wort dafür – gelebt wird es an der Schule im Kleinen und im
Großen jeden Tag aufs Neue.
Im Jahr 2021 verlassen die ersten Absolventinnen und Absolventen die Deutsche Internationale Schule
Tbilissi. Ihnen folgt jedes Jahr ein neuer Jahrgang junger Menschen, die in beiden Sprachen und in beiden
Kulturen zuhause sind. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien werden zukünftig nachhaltig
von diesem einzigartigen Schulangebot profitieren.
Dieser Artikel wurde am 22. Oktober 2020 im georgischen Online-Journal "Mastsavlebeli" veröffentlicht:
mastsavlebeli.ge
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