Wachleute eines Sicherheitsdienstes sitzen plaudernd auf einer weiß angestrichenen Parkbank vor dem Museum. Das zeigt die großbürgerliche Lebensart seines Erbauers inmitten kleinbäuerlicher Bescheidenheit: 1886 erbaute der georgische Schriftsteller und Militär Alexander Tschawtschawadse das Weingut Zinandali samt Weinkellerei an einem Hang wenig östlich von der kachetischen Provinzhauptstadt Telawi.
Die Lebensart von damals ist ein Besuchermagnet. Im Garten, an einer Palme, posiert ein Hochzeitspaar - die Braut ganz in weiß, der Bräutigam mit schwarzer Tracht, Wams, Dolch und stilisierten Patronenhülsen an der Brust. Eine Besuchergruppe nach der nächsten strömt hinein in das Schlösschen. Die meisten haben Führung durch Museum und Weinkeller sowie eine anschließende Weinprobe gebucht. Zu Zeiten der Sowjetunion war Zinandali Erholungsort für die Nomenklatur. Ganz in der Nachbarschaft soll bis heute Eduard Schewardnadse ein Wochenendhaus haben. Doch die Führerin Marina Msuqnishwili spricht viel lieber vom vergangenen Glanz des 19. Jahrhunderts:
"Also das ist das Hausmuseum des genialen georgischen Dichters Alexander Tschawtschawadse. Er wurde in Petersburg geboren. Er war Generalleutnant und hat an vielen Kämpfen teilgenommen. Alexanders Vater war georgischer Botschafter in Russland. Die Mutter war eine Adlige und eine gute Erzieherin ihres Sohnes. Sie starb in Tblisi, begraben ist sie hier in Kachetien im Kloster Neu-Shoamta, 20 Kilometer von hier entfernt."
Gezeigt werden die beiden wohl ältesten Klaviere und Flügel, die es in Georgien gibt - 200 Jahre sind sie alt. Sie stehen im Salon und stammen aus Deutschland, Marke Becker. Der Salon des Offiziers - Ende des 19. Jahrhunderts ein Sommertreffpunkt der geistigen Elite.
"Alexander Tschawtschawadse war ein sehr gebildeter Mensch, er beherrschte sechs Sprachen. Dieses Haus war das Sommerhaus des Dichters, meistens lebte die Familie des Dichters in Tbilisi. Sie waren sehr gastfreundlich. Hier waren zu verschiedenen Zeiten der französische Schriftsteller Dumas, Professor Koch von der Universität Jena, russische Schriftsteller wie Lermontow und Puschkin."
Den runden Esstisch ziert weit gereistes Porzellan aus Limoges und Meißen. Vom Speisesaal hat man einen Blick auf den schneebedeckten Kaukasus. Ausnahmsweise wird auch die Kristallglocke angeschlagen, die schon den Dichter zum Essen rief und ansonsten still zwischen Sauciere und Weingläsern liegt.
Das Signal für den Abgang Richtung Weinkeller und Weinprobe. In einem tief unter der Erde liegenden Keller lagern bis heute über 16.000 Flaschen bei konstant 10 bis 14 Grad. Die ältesten sind von 1814. Fotos von ihnen darf man nicht machen. Und natürlich auch nicht den echten Staub von den Etiketten abwischen. Ob sie noch trinkbar sind? Seit Sowjetzeiten soll keine Flasche aus dem 19. Jahrhundert mehr neu verkorkt oder aufgefüllt worden sein.
"Alexander Tschawtschawadse war selbst ein großer Wirtschaftler. Er hatte große Weinberge. Und sein Wein hatte eine hohe Qualität und sein Wein konkurrierte mit französischen Weinen. Hier im ersten Stock haben wir einen Raum, in dem man Wein probieren kann, und hier gibt es auch rote und weiße Weine. Rote Weine namens Zinandali."
Seit Tausenden von Jahren läuft das Keltern im Weinland Georgien anders ab als in den Anbaugebieten Europas. Die Reiseführerin Nino Kurtskhalia kann das im Weinkeller von Zinandali erklären:
"Das unterscheidet man von den Europäischen: Damit man Maische und Saft von den Weintrauben nicht voneinander trennt, hält man sie zusammen in einem Kessel für ein paar Tage. Damit diese Maische eine eigene Farbe und einen eigenen Geschmack gibt und auch das Tannin dabei ist und auch die Stärken. Dann nach ein paar Tagen trennt man schon diesen Saft und die Maische voneinander. Dann braucht man noch Zeit. Manche kommen in die Tongefäße, manche in Holzfässer, um dort zu altern. Und mit der Maische macht man den georgischen Schnaps namens Tschatscha."
Früherer Hauptabnehmer georgischen Weins war der Nachbarstaat Russland. Doch die Beziehungen liegen auf Eis, 2008 gab es einen Krieg zwischen beiden Staaten, der Georgien die Kontrolle über zwei Provinzen kostete. Bereits 2006 hatte Russland ein Handelsembargo für georgische Waren verhängt. Der Hauptexportmarkt brach weg - offiziell haben die georgischen Winzer darauf mit einer Qualitätsoffensive reagiert. Heute wollen sich georgische Spitzenwinzer mit spanischen und französischen Tropfen messen lassen. Aber auch die Masse der Weingüter hat nach dem ersten Schock durch das Handelsembargo eine Lösung gefunden: Georgischer Wein finde auch heute noch trotz Verbots seinen Weg nach Norden über Kazbegi und den hohen Kaukasus hinein nach Russland, verrät Nino Kurtskhalia:
"Macht man das, natürlich offiziell, sondern illegal. Das ist also durch Armenien. Zuerst bringt man die Waren nach Armenien. Und dann werden in Armenien diese Waren als armenische ausgegeben. Und dann bringt man sie wiederum durch Georgien nach Russland. Und durch Aserbaidschan geht es auch. Alles, was man erntet, kann man in Georgien auch verkaufen oder exportieren."
Darauf wird dann noch angestoßen mit einem abschließenden Glas Zinandali in Zinandali.
Quelle: www.dradio.de
Wednesday, November 10, 2010
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