Tuesday, May 01, 2007

Georgische Musik & der Antschis-Chati-Chor


Georgien, Georgische Musik und der Antschis-Chati-Chor
Die Georgier sind die ältesten autochthonen Bewohner des Kaukasus. Das beweisen die Funde auf ihrem Territorium südlich des Kaukasus, wo man eine kontinuierliche Entwicklung über mindestens 6000 Jahre verfolgen kann, vom Neolithikum bis zum XIII. Jht. vor Christus. Ab dem XIII. Jht. v. Chr. finden wir in einigen schriftlichen Quellen Informationen über georgische Stämme in den assyrischen und urartischen Keilschriften, später in griechischen und lateinischen Quellen. Die archäologischen Ausgrabungen zeigen, dass es südwestlich des Kaukasus, wo die Georgier leben, verschiedene kulturelle Entwicklungen, aber keine Unterbrechung gibt, die irgendwie auf einen Wechsel der Bevölkerung schließen lässt.
In der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends vor Christus haben sich die georgischen Stämme in einem Staat organisiert. (Diauki und Kolchida)
Die griechischen Autoren Xenophon und Strabon wussten, dass deren Zeitgenossen die Kolcher waren, die Nachfolger des legendären Staates Kolchis und des Königs Aiet, von dem der Grieche Iason und seine Argonauten noch vor dem Trojanischen Krieg das goldene Vlies gestohlen haben.
Im IV. Jht. v. Chr. verliert Kolchis (in anderen Quellen Egrissi) an Bedeutung. Seinen Platz nimmt das weiter östlich gelegene Kartli (von den Griechen auch Iveria genannt) ein.
Das Königreich Kartli ist seit dem X./XI. Jht. n. Chr. bis heute als Sakartvelo (Georgien) bekannt.
Die christliche Religion wurde in Georgien seit dem 1. Jht. n. Chr. von dem Apostel Andreas gepredigt und wurde im Jahr 326 Staatsreligion. Dies hat die weitere kulturelle Geschichte des Landes stark geprägt.
Die georgische Sprache gehört zur allein stehenden Ibero-Kaukasischen Sprachfamilie und hat ihre eigene Schrift.

Die musikalische Tradition Georgiens ist insofern bedeutsam, als das Land von Kulturen umgeben ist, in denen es keine Mehrstimmigkeit gibt. In den Nachbarländern Byzanz, Türkei, Armenien, Persien und Asserbeidschan ist die monophone Musik verbreitet. In Georgien entstand und blieb bis heute eine einzigartige mehrstimmige Gesangskultur erhalten.
Die georgische Musiktradition ist nicht nur dadurch einzigartig, dass sie keiner anderen Musikkultur ähnelt, sondern Klang und Formen der georgischen Musik sind bis heute lebendig und unverändert überliefert. In ihrer Form und strukturellen Vielfalt können wir alle Entwicklungsstufen der Polyphonie beobachten. Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, alte Musik zu erforschen, ohne die georgische Musik mit einzubeziehen. Mehr noch: Die georgische Musik hat eigene Stimmsysteme und Modi, die mindestens 3000 Jahre alt sein müssen.

Seit Anfang des 20. Jht.s befindet sich diese Gesangstradition in der Krise. Im Zuge der Urbanisierung verliert der Gesang seine funktionelle Bedeutung.
Von der Annexion des Landes durch das zaristische Russland (1801) war auch die georgische Musik betroffen. Der seit dem 4. Jht. unabhängigen georgischen Kirche wurde die Autokephalie genommen und der georgische Kirchengesang verboten.
In kommunistischer Zeit entstehen sogenannte Cover Ensembles, die die traditionellen Lieder in temperierter Stimmung singen.
Die traditionelle Stimmung und ihre Improvisationstechnik gehen weitgehend verloren.
Von unserer heutigen Welt spricht man gern als einer Informationsgesellschaft: Nachrichten und neue Erkenntnisse sind in kürzester Zeit auf der ganzen Welt verfügbar. Und so mag auch die Kultur des kleinen Georgien vielleicht für die ganze Welt noch viele Entdeckungen bereit halten: Heute ist ein steigendes Interesse an georgischer Musik zu verzeichnen. Georgische Lieder werden in verschiedenen Ländern (Kanada, Japan, England, Frankreich, Belgien, Schweden) erforscht und gesungen.
Georgische Musik steht als einzige Musiktradition unter dem Schutz der UNESCO.

Unter der Leitung von Ansor Erkomaischwili hat man ihr in Tbilissi ein Zentrum errichtet, das sich u.a. mit der Wiederherstellung alten Tonaufnahmen beschäftigt.
Trotz vielfältiger Bemühungen konnte bislang leider noch kein Durchbruch in der Popularität und Anerkennung der georgischen Musik erzielt worden.
Die Zeit ist knapp. Die alten Sänger, die diese Tradition noch beherrschen, sterben.
Zentrale Aufgabe bleibt die Weitergabe der georgischen Musik mit seinen besonderen Stimmsystemen an die neue Generationen: Dies hat sich der Antschis-Chati-Chor zum Ziel gesetzt, darin soll man ihn unterstützen.



Der Antschis-Chati-Chor
wurde unter der Leitung von Malchaz Erkwanidze und einigen anderen Musikethnologen 1986 ins Leben gerufen. Ziel war die Rekonstruierung des georgischen Kirchengesangs und neue Forschungen. Seitdem hat der Chor enorme Arbeit geleistet: Feldforschungen, wissenschaftliche Untersuchungen alter Aufnahmen und liebevolle Kontakte mit alten Sängern, die die Tradition des georgischen Gesangs noch beherrschen, gehören dazu. Der Antschis-Chati-Chor veranstaltet jährlich in diesem Sinne Konzerte mit den alten Sängern. Seit einigen Jahren hat der Chor sich mit 12 ehrenamtlichen Mitgliedern stabilisiert, die in verschiedenen Berufen tätig sind.
Warum ist der Antschis-Chati-Chor einzigartig? Dieser Chor vereinigt Wissenschaftliches mit Pragmatischem und ist als Kirchenchor in der Antschis-Chati Kirche tätig. Diese Kathedrale aus dem 6. Jht. steht in der Altstadt von Tbilissi. Um mehr Flexibilität zu erreichen, wurde von den Chormitgliedern ein „Tochter-Chor“ Dzveli Kiloebi (alte Modi) gegründet, der in einer anderen Kirche tätig ist. So versucht der Chor neue Sänger zu ausbilden. Die Musikethnologen des Antschis-Chati-Chors haben mehrer Publikationen herausgegeben und eine Reihe von CDs aufgenommen, zuletzt bei der Edition Raumklang (
www.raumklang.de), die seit Anfang 2004 in Europa in den Handel ist. Der Antschis-Chati-Chor hat sich für den Aufbau einer Musikschule engagiert und hofft bei diesem wichtigen Unternehmen auf breite Unterstützung.

Text von Marika Lapauri-Burk


Die traditionelle Musik Georgiens war schon immer Gegenstand besonderer Bewunderung - auch seitens der westlichen Musikethnologie. Was die georgische traditionelle Musik ausmacht? Es ist die einmalige Art des dreistimmigen modalen A-cappella-Gesangs in virtuoser Polyphonie. Darüberhinaus unterscheiden sich die Harmonik und die Stimmung sehr stark von der europäischen. In verschiedenen Gesangsschulen und Regionen entwickelte sich ein individuell gefärbter Klang. Dieser seit dem frühen Mittelalter praktizierte Gesangsstil wurde jahrhundertelang überwiegend mündlich überliefert, abgesehen von einigen in Neumen aufgezeichneten Hymnenbüchern, die jedoch bisher nicht entziffert werden konnten.


Der Antschis-Chati-Chor ist nach der ältesten Kirche Georgiens benannt. Um diesen einzigartigen Klang des georgischen Musik wiederzubeleben, fand sich 1989 der Chor zusammen. Sein Anliegen ist, den georgischen sakralen Gesang in die Kirche zurückzubringen. Durch hundert Jahre russische Herrschaft war er praktisch vom Aussterben bedroht.

Der originelle Klang des Antschis-Chati-Chors unterscheidet ihn von allen anderen heute in Georgien singenden Ensembles. Hierfür studierten die Chormitglieder zahlreiche Handschriften sowie alte Phonograph-und Tonbandaufnahmen, die in verschiedenen Bibliotheken und Archiven verstreut waren. Durch Besuche und Studien bei den noch lebenden Vertreten der einst großen Sängerfamilien gelang es dem Chor, das theoretische System dieser ungewöhnlichen und komplexen Vokalmusik zu rekonstruieren.

Mitterweile wird diese Musik auch wieder von vielen anderen georgischen Chören gesungen. Der Beitrag des Antschis-Chati-Chors zur Popularisierung der traditionellen georgischen Musik ist immens, und zahlreiche Auftritte sorgen dafür, daß dieses Ensemble allmählich auch außerhalb Georgiens bekannt und bewundert wird.



Kontakt:
Marika Lapauri-Burk Max-Brauer-Allee 68, 22765 Hamburg
Tel/Fax: +49 40 389 2222. Mob: +49 (0)171 851 3635
info@lile.de

Mitglieder des Antschis-Chati-Chors
Balavadze Gotcha, Beriashwili Nikoloz, Bulia Grigol, Giorgadze Gotcha, Erqwanidze Malchaz (Leiter des Chors), Kiknadze Mamuka, Megrelidze Davit, Schugliashwili Davit, Tsereteli Zaal, Tsetsxladze Wasil, Weschapidze Levan, Zathiashvili Davit
Die Mitglieder des Chors üben verschiedene Berufe aus; sie arbeiten als Musikethnologen, Musiker, Architekten, Mathematiker und Künstler.

Auftritte: u.a. in Athen, Venedig, Graz, Wien, London, Montreal, Toronto, GEORGIarte Hamburg, Moskau-Festival der Orthodoxen Gesänge, Eriwan, Riga, Festival MONTALBANE Freiburg-Unstrut, “Fest der Koninente” Berlin, Haraloo-Georgische Musiktage in Hamburg, Fesival Kraft Der Stille in Basel, GEORGIEN an der OSTSEE in Bad Doberan, Göttingen, Köln und mehrere Deutsche Städte, USA.
Mehrere Workshops in Paris. und Schweden.

Medien: Der Chor tritt regelmäßig im Georgische Radio und Fernsehen auf. Aufnahme beim Kanadischen Radiosender SBS.
Schweitzer Radio 2003
WDR3, hr2
DeutschlandRadio Berlin 2004 (Moderation von Marika Lapauri-Burk,
2 St.Programm)
Es gibt zwei Dokumentarfilme über den/mit demAntschis-Chati-Chor: “Das Phänomen” und “Antis-chatoba”.



Musikwissenschaftliche Veröffentlichungen:
Mehrere Artikeln in georgischen Zeitungen und Fachzeitschriften.
Malchaz Erkwanidze (Musikethnologe, Leiter des Chores):
1. Der Modus in der georgischen Musik (kartuli musikis bgerata ckoba)
2. Über den Charakter der georgischen Mehrstimmigkeit. (kartuli mravalxmianobis bunebis shesaxeb)
3.Georgische Mehrstimmigkeit - über die Gemeinsamkeit der Form. (kartuli mravalxmianobis buneba – formata ertianobis shesaxeb)
4.Georgische Hymnen - Edition der alten Manuskripte. Band I (kartuli galoba - dzveli sanoto xelnacerebisa redaktirebuli saxit I tomi)
5.Georgische Hymnen. II Ausgabe. Band I (igive - I tomi - II gamocema)
David Schugliashvili (Musikethnologe):
1.Gemeinsame Ursprünge der georgischen Kirchengesangsarten.( kartuli galobis shtota ertianobis shesaxeb)
2.Über den Charakter des georgischen Kirchengesangs.(kartuli galobisbunebisatvis)
3. “Unisone Mehrstimmigkeit” im georgischen Kirchengesang (kartuli galobis "unisonuri mravalxmianoba bunebisatvis)
4. Georgische Kirchen-Hymnen der Schemokmedi-Schule nach den Artem-Erkomaischwilis-Aufzeichnungen.(kartuli galoba. shemokmedis skolis sagaloblebi. artem erkomaishvilis chanacerebis mixedvit)
Lewan Weschapidze (Musikethnologe): 50 gurische (westgeorgische) Volkslieder nach den ältesten Aufnahmen


Diskographie:
Georgische Hymnen (2 CDs)
Georgische Musik (2 CDs) Georgische Reise DoppelCD
Von www.raumklang.de und Marika Lapauri-Burk

Repertoire: über 300 Hymnen und Lieder - A cappella und mit Begleitung von traditionellen georgischen Instrumenten.

Pressestimmen:
“..Wie schön, wenn einen das vor Begeisterung beinahe auf die Stühle treibt, wovor sich am Sonntag beim Abschlusskonzert der Internationalen Tage der mittelaltarichen Musik zu Freyburg an der Unstrut .... Der Jubel galt... georgischen Ensemble “Antschi-Chati” mit seiner hinreißend dargebotenen treditionellen Vokalmusik”. Sächsiche Zeitung von Oliver Reinhard


“...this year it was a good thing that they saved Anchis Chati for last. Nothing could have followed.... and by the time you have sat through a concert of this music, you realize dissonances is culturally specific. Furthermore, medieval motets have nothing on Geirgian poly-textuality, and the Georgians know how to yodel! Their singing technique and stage presence fascinated and moved this audience very much.” Rebecca Bain

“.. doch was sie jetzt aus ihren Münden lassen, ist mit dem eigenschränkten mitteleuropäischenMusikverständnis nicht in Worte zu fassen.. .. Das Ergebnis kann keiner singen-außer Antschis Chati. Hinterher tobt die Menge. Zugaben müssen her. Dann wird es ruhig und doch so schön. Mit einem Frühlingslied verwandeln die stolzen Männer die Kirche in ein Trännenmeer. Schluchz. Aus. Vorbei. Die kommen so schnell nicht wieder. Ab jetzt wird gespart. Für eine Reise nach Georgien. ” Leipziger Volkszeitung von Johannes Brandt

“..Einen großartigen Abschluss setzte das Ensemble Antschis Chati aus Georgien, das in der Marienkirche den Zeuber dieses alten christlichen Landstrichs beschwor. .... Liedernnwussten bei diesem farbenreichen Programm, das durch getragene, aber trotzdem spontan-natürlich wirkende Ausstralung beeindruuckte, zu gefallen. ... in denen immer wieder hauchzarte, fast übererdisch wirkende Falsett-töne zu hören waren.” DRESDENER NEUESTE NACHRICHTEN von Cristian Ruf

“ Die überaschendsten Musiker waren aber die Sänger vom Antschis Chati Chot aus Georgien. Weitab von feinen und gediegenen Kunst der anderen Ensembles,.... Ein Hörerlebnis das seines Gleichen sucht.” www. Spielleut.de

“.. ..Chor hinterließ ein ergriffendes, begeistertes Publikum. ... Es scheint als würden die sänger beim Singen in sich und ihr Herz hineinhorchen. Die sakralen ortodoxen Gesänge sind komtenmplativ, manchmal schwebend. Selten wird Gott derart ergreifend gehuldigt. .... Der ernste und beseelte Gasang der Sänger des Antschis-Chati-Chores speist sich aus einer nie versiegenden Quelle: Es ist die Kraft, die aus den Tiefen eines gläubigen Herzens kommt.”
Göttingener Tagesblatt von Udo Hinz

“.. Äußerste Disziplin und Stupendes Können faszinierten von Anfang an. Helle, kräftig strahlende Tenorstimmen, herbe Bariton und markige Basslagen Fanden sich in einer Polyphonie zusammen, die im Wortsinne unerhörte Effekte hervorbrachte..”
Lippische Landes-Zeitung

“.... Und der Zuhöhrer kannsich auf eine perfekte Aufführung der Musik aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt freuen. ..”
Hagener Zeitung

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