Tuesday, August 09, 2011

ARTICLE: Zwischen Bürgerkriegen und Wirtschaftswachstum. Georgien: Ein Land im Aufbruch. (european-circle.de)

1991 war eigentlich ein verheißungsvolles Jahr für Georgien. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlangte das Land nach 70 Jahren endlich wieder seine Unabhängigkeit. Doch mit dem Fall des “großen Bruders” verschwand auch der größte Handelspartner und Importeur georgischer Produkte. Die Folge war ein massiver Wirtschaftseinbruch. Die Fehden mit den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien kosteten zusätzliche Kraft und Wirtschaftsleistung. Die Infrastruktur verweilte in einem rudimentären Status und die staatlichen Betriebe erbrachten nur noch ein Viertel der Leistung der Vorjahre. Ein signifikantes Wachstum war auf Dauer nicht in Sicht.

Sozialistische Denkweisen werden aus der Wirtschaft verbannt

Ausgerechnet dem umstrittenen Präsidenten Micheil Saakaschwili gelang seit seinem Amtsantritt 2004 schließlich die entscheidende ökonomische Wende. Entgegen der planwirtschaftlichen Tradition sorgte er für eine Liberalisierung des Georgischen Marktes. Unterstützung bekam er dabei von dem russisch-georgischen Unternehmer Kacha Bendukidse, den er noch im Juli des selben Jahres zum Wirtschaftsminister ernannt hatte. Das Duo deregulierte die Wirtschaft und privatisierte zahlreiche Staatsunternehmen. Die Georgische Botschaft in Berlin sieht vor allem die Korruptionsbekämpfung als Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg: “Durch die sehr investitionsfreundlichen Strukturen wurde ein Klima geschaffen, das die Entwicklung der Wirtschaft fördert.” Derzeit steigt das Bruttoinlandsprodukt um rund 5,5%, die Inflationsrate verringerte sich auf 8,5%. Durch Reformen des Steuersystems und Vereinfachungen bei der Unternehmensgründung, wurden Investoren gewonnen und die Steuereinnahmen erhöht. Die letzten Jahre lobten vor allem die Weltbank und der IWF, der zusammen mit Deutschland Georgien 1996 mit Millionen-Krediten unter die Arme griff, die wirtschaftliche Leistung des Kaukasus-Staates.

Neue Absatzmärkte für alte Produkte

Doch wie konnte Georgien eine derartige Entwicklung im Schatten des ehemaligen Hegemons Russland vollziehen? Waren die Beziehungen nach dem Umbruch 1991 nicht die Besten, sind sie seit der Eskalation im Kaukasus-Konflikt im August 2008 katastrophal. Betrachtet man die ehemalige Abhängigkeit Georgiens vor allem von russischen Gasimporten, scheint die derzeitige, verheißungsvolle Situation äußerst abstrus. Zumal der Tourismussektor auf Grund der Sezessionskriege und dem Konfliktausbruch 2008 fast vollständig erlegen ist. Zwar beschränken sich die Hauptexportgüter des 4,4-Millionen-Einwohner-Staates nach wie vor auf landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Zitrusfrüchte und Wein, oder auch Metalle wie Kupfer. Dennoch konnten die Erlöse nach einem Einbruch 2009 wieder ansteigen; 2010 sogar um über 20%. Saakaschwili und seiner Regierung ist es gelungen alternative Handelspartner an Land zu ziehen. Neben Deutschland und China sind es vor allem die Türkei, die Ukraine und Aserbaidschan, die georgische Produkte importieren und das Land mit Energie versorgen. Vor allem aus Aserbaidschan strömt Gas ins Land. Darüber hinaus dienen als weitere Energiequelle Wasserkraftwerke, die in den vergangenen Jahren ausgebaut wurden. Russland bezieht zwar immer noch Wein, Mineralwasser und andere Güter, doch hat es längst nur noch eine marginale Bedeutung für den georgischen Absatzmarkt.

Dass über 30% der georgischen Bevölkerung immer noch unter der Armutsgrenze leben, dämpft jedoch eine allzu euphorische Haltung gegenüber dem georgischen “Wirtschaftswunder”. Auf lange Sicht ist die ökonomische Emanzipation von Russland gelungen, der Streit um Abchasien und Südossetien bleibt jedoch bestehen. Laut Georgischer Botschaft ist die Regierung um Saakaschwili durchaus bereit, die diplomatischen Beziehungen mit Russland wieder aufzunehmen: “Bis jetzt gibt es jedoch leider darauf keine Antwort von der russischen Seite”. Es ist zu hoffen, dass aus dieser Entfremdung nicht erneut eine Animosität entsteht und sich die Ereignisse im August 2008, die etwa 850 Menschen das Leben gekostet haben, wiederholen. Beim diesjährigen Eurovision Songcontest in Düsseldorf bekam der georgische Beitrag aus Russland sechs Punkte. Vielleicht ein erster Schritt in eine friedliche Zukunft.


Quelle: european-circle.de

No comments: