Sunday, September 15, 2013

POLITIK: Das Verhältnis zu Russland bleibt kompliziert. Gespräch mit Georgiens Aussenministerin Maya Panjikidze. Von Volker Pabst (nzz.ch)

(nzz.ch) Georgien hält an der Westorientierung fest. Der Konflikt mit Moskau um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien bestimmt die Politik des Landes.
Volker Pabst, Bern

Die georgische Aussenministerin Maia Pandschikidse. 

Georgien arbeitet weiter auf eine Integration in die westlichen Institutionen EU und Nato hin. Am Gipfel der Europäischen Union mit den östlichen Partnerländern im November in Vilnius soll der erste Schritt für ein Assoziierungsabkommen gemacht werden. «Dies ist ein wichtiger Schritt für uns», erklärt die georgische Aussenministerin Maia Pandschikidse im Gespräch am Rande eines Arbeitsbesuchs in der Schweiz. «Und ich hoffe, dass auch die Ukraine und die Moldau in Litauen die Zusammenarbeit mit Brüssel weiter intensivieren!»

Druckversuche aus Moskau

Russland ist die Annäherung ehemaliger Sowjetrepubliken an die EU ein Dorn im Auge. Auf Kiew und Chisinau hat Moskau unlängst den Druck erhöht, um eine Abwendung der beiden Länder von der Union zu erwirken. Russische Vertreter haben jüngst unverhohlen mit Gaslieferunterbrüchen in diesem Winter gedroht, sollten die beiden Staaten sich stärker zur EU hinwenden. Die Einfuhr moldauischen Weins wurde bereits verboten; Russland war wichtigster Abnehmer moldauischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Georgiens Nachbarland Armenien, ebenfalls ein Zielland der östlichen Partnerschaft, wie das EU-Programm zur Zusammenarbeit Brüssels mit Georgien, Armenien, Aserbeidschan, Weissrussland, der Moldau und der Ukraine offiziell genannt wird, gab zudem vor einigen Tagen bekannt, in Vilnius kein Abkommen zu unterzeichnen, sondern sich der Zollunion von Russland, Weissrussland und Kasachstan anzuschliessen. «Wir verstehen Armeniens Situation. Dennoch bedauern wir den Schritt», erklärt Pandschikidse. Armenien ist angesichts des rohstoffreichen und somit wirtschaftlich überlegenen Erzfeinds Aserbeidschan auf auswärtigen Schutz angewiesen. Diesen kann nur Russland bieten.

Auf Druckversuche gegenüber Georgien angesprochen, antwortet die Ministerin rhetorisch: «Was kann uns schon passieren?» Georgien und Russland befinden sich immer noch im Kriegszustand, die Schweiz vertritt in den beiden Hauptstädten die Interessen des jeweils anderen Landes.

Leichte Entspannung

Seit dem Regierungswechsel im vergangenen September hat sich das Verhältnis Tbilissis zu Moskau aber etwas verbessert. Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili gilt, anders als sein Widersacher, Präsident Saakaschwili, in Moskau nicht als Persona non grata. «Man kann durchaus von einigen positiven Veränderungen sprechen», resümiert Pandschikidse die Entwicklungen des vergangenen Jahres. Die Einreisebedingungen wurden gelockert, Moskau hob das Importverbot für georgischen Wein auf, Tbilissi verzichtete auf ein Veto gegen Russlands Beitritt zur WTO und machte seine Ankündigung, die Winterspiele in Sotschi zu boykottieren, rückgängig. Im Verlaufe der Krise in Syrien bot Moskau sogar an, georgische Staatsbürger aus dem Bürgerkriegsland zu evakuieren.

Für Saakaschwilis Anhänger verträgt sich ein prowestlicher Kurs allerdings nicht mit versöhnlichen Gesten gegenüber Moskau. Aus Saakaschwilis Lager wird Iwanischwili immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, georgische Interessen zu verraten. Auch in den Wahlen um das Präsidentenamt im Oktober wird die Frage der aussenpolitischen Ausrichtung des Landes eine Rolle spielen. Pandschikidse weist den Vorwurf der Russlandfreundlichkeit ihrer Regierung zurück. Zudem hätten gewisse Fortschritte in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nichts an den grundlegenden Problemen mit Moskau, der Statusfrage von Abchasien und Südossetien, geändert. «Das Verhältnis zu Russland bleibt für uns kompliziert.

Werben um Sympathien

Die Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens sei noch in weiter Ferne, doch arbeite man weiter daran, erklärt die Ministerin. Dazu gehörten neben der diplomatischen Arbeit auch die Bemühungen der Regierung, die Bewohner der abtrünnigen Gebiete, die mehrheitlich auch russische Staatsbürger sind, von den Vorzügen der Zugehörigkeit zu Georgien zu überzeugen. Deshalb sei man zum Beispiel auch darum besorgt, dass der georgische Pass nicht unattraktiver sei als der russische. Ein Assoziierungsabkommen mit der EU sei ein erster Schritt, um Visabestimmungen zu lockern. Auch während des Besuches in der Schweiz spielen Visafragen eine Rolle. Am Samstag ist die Unterzeichnung eines Abkommens zur Lockerung von Einreisebestimmungen geplant.

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