Manuskript gesendet April/2004 auf dem SWR
Georgien, Georgien. Über die Boulevards von Tiflis flanieren die elegantesten Frauen. Die Politik spielt verrückt. Der Verkehr mit seinen ramponierten Ladas und glänzenden Jeeps ist dramatisch. Die Ampeln hängen in den Bäumen oder hinter Laternen. Rot und Grün sind eh bedeutungslos. Die Stadt bebt voller Leben. Über die von Krieg und Erdbeben gezeichneten Fassaden der Altstadt sendet die untergehende Sonne einen goldenen Glanz. Doch das alles ist halb so schlimm. In den Kneipen brummt das Geschäft. Argo und Kasbegi-Bier, Wodka-David, Tschatscha, der Tsinandali, Saperavi und der Kindsmarauli fließen in Strömen. Auf den Tischen Stör in Walnussöl und Kaviar. Lari oder Tetri, was kostet die Welt …
Wie eine Klippe steht dagegen das Iveria-Hotel am Beginn der wichtigsten Hauptstraße. Das Iveria dominiert die Stadt – es ist beinahe von überall zu sehen. Als der Abchasien-Krieg begann und die vielen Touristen abrupt ausblieben, verwandelte sich das Iveria in ein bestürzenden Koloss – ein Flüchtlingsheim für mehr als tausend Vertriebene aus dem paradiesischen Abchasien und Süd-Ossetien ragt in den Himmel. Noch heute harren die Flüchtlinge dort aus. Doch trotz engster Lebensverhältnisse richteten sie in diesem Gebäude eine Pension ein. Wer möchte, kann unter den Flüchtlingen für 15 Dollar pro Nacht übernachten.
Draußen auf den Straßen sieht man ernste Menschen, gepresst zwischen den Autos im Straßenverkehr. Manchmal stoppen die Fahrer ihre Autos in der Mitte der Straße, schwingen die Tür auf und gestikulieren zornig über andere Fahrer, schlagen die Tür zu und fahren fort, genauso hitzköpfig wie der gemeinte Fahrer.
Der christlichen Glaube mischte sich hier mit orientalischen Emotionen. Ein Engländer schrieb: „eine Psychologie des 12. Jahrhunderts lebt hier im 20. Jahrhundert“. Heute erscheinen solche Impressionen ungelenk bezüglich des ökonomischen Desasters, das dem Bürgerkrieg folgte. In dem neuen Staat der Armut kämpft die Stadt zäh für das frühere Selbstverständnis von Duft und Reichtum. Mit dem ersten Tag nach dem Bürgerkrieg las man emblematisch dafür das Wort Casino über der Restaurant-Tür des Iveria – während das Hotel darüber die Flüchtlinge bezogen.
Eine empfehlenswerte Route ist – weg vom Iveria-Hotel - der Rustaveli-Prospekt; eine Platanen-Allee, bebaut im Petersburger Stil. Unter den eleganten Fassaden des 19. Jahrhunderts strahlt die Straße eine Gegenwart verfeinerter Wachsamkeit aus. Hier laufen südländische Männer mit einem sagenhaften Selbstbewusstsein herum. Sie konfrontieren die Welt mit ihren tief liegenden Augen unter ihren dunklen Augenbrauen. Es wird gesagt, dass bis zum Zusammenbruch der Georgischen Monarchie bei einem von fünf Georgiern blaues Blut fließt.
Die Frauen erscheinen aufgeschlossener. Sie tragen geschmackvoll ihre Kleider, lieben ihre Schuhe, sind sehr modebewusst frisiert und beinahe immer geschminkt. Die Frauen fielen mir durch ihren olivfarbenen Teint, durch ihre vorzügliche Gefälligkeit auf. Lela erzählte mir auf dieser Flaniermeile, dass die Georgier wohl deshalb so ernst und schwarz gekleidet daherkommen, da vermutlich ihre Vergangenheit immer schon von Trauer begleitet war. Hier erinnert man sich der Tragödien, Dramen und Komödien des Lebens. Deshalb wohl auch ihre Aufrichtigkeit dem Tod gegenüber. An jeder Tafel gedenkt der Tamada – der traditionelle Tischführer - der Toten und derjenigen, die ohne Angehörige sind.
Stirbt jemand, dauert die Trauer hier Tage und droht die Hinterbliebenen zu verschulden. Denn eine beachtliche Zahl von Menschen begleitet den Toten auf seiner letzten Reise und besucht den Aufgebahrten im Haus. Der Tod soll seine Würde behalten; deshalb ist es wahrscheinlich für die Georgier oft so schwierig zu darüber zu reden, wenn die Not am größten ist, wenn Schermut sich einstellt, wenn Leute vor Verzweiflung aus dem Fenster springen.
Draußen auf den Straßen sieht man ernste Menschen, gepresst zwischen den Autos im Straßenverkehr. Manchmal stoppen die Fahrer ihre Autos in der Mitte der Straße, schwingen die Tür auf und gestikulieren zornig über andere Fahrer, schlagen die Tür zu und fahren fort, genauso hitzköpfig wie der gemeinte Fahrer.
Der christlichen Glaube mischte sich hier mit orientalischen Emotionen. Ein Engländer schrieb: „eine Psychologie des 12. Jahrhunderts lebt hier im 20. Jahrhundert“. Heute erscheinen solche Impressionen ungelenk bezüglich des ökonomischen Desasters, das dem Bürgerkrieg folgte. In dem neuen Staat der Armut kämpft die Stadt zäh für das frühere Selbstverständnis von Duft und Reichtum. Mit dem ersten Tag nach dem Bürgerkrieg las man emblematisch dafür das Wort Casino über der Restaurant-Tür des Iveria – während das Hotel darüber die Flüchtlinge bezogen.
Eine empfehlenswerte Route ist – weg vom Iveria-Hotel - der Rustaveli-Prospekt; eine Platanen-Allee, bebaut im Petersburger Stil. Unter den eleganten Fassaden des 19. Jahrhunderts strahlt die Straße eine Gegenwart verfeinerter Wachsamkeit aus. Hier laufen südländische Männer mit einem sagenhaften Selbstbewusstsein herum. Sie konfrontieren die Welt mit ihren tief liegenden Augen unter ihren dunklen Augenbrauen. Es wird gesagt, dass bis zum Zusammenbruch der Georgischen Monarchie bei einem von fünf Georgiern blaues Blut fließt.
Die Frauen erscheinen aufgeschlossener. Sie tragen geschmackvoll ihre Kleider, lieben ihre Schuhe, sind sehr modebewusst frisiert und beinahe immer geschminkt. Die Frauen fielen mir durch ihren olivfarbenen Teint, durch ihre vorzügliche Gefälligkeit auf. Lela erzählte mir auf dieser Flaniermeile, dass die Georgier wohl deshalb so ernst und schwarz gekleidet daherkommen, da vermutlich ihre Vergangenheit immer schon von Trauer begleitet war. Hier erinnert man sich der Tragödien, Dramen und Komödien des Lebens. Deshalb wohl auch ihre Aufrichtigkeit dem Tod gegenüber. An jeder Tafel gedenkt der Tamada – der traditionelle Tischführer - der Toten und derjenigen, die ohne Angehörige sind.
Stirbt jemand, dauert die Trauer hier Tage und droht die Hinterbliebenen zu verschulden. Denn eine beachtliche Zahl von Menschen begleitet den Toten auf seiner letzten Reise und besucht den Aufgebahrten im Haus. Der Tod soll seine Würde behalten; deshalb ist es wahrscheinlich für die Georgier oft so schwierig zu darüber zu reden, wenn die Not am größten ist, wenn Schermut sich einstellt, wenn Leute vor Verzweiflung aus dem Fenster springen.
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