Zum Status der Zivilgesellschaft im Transformationsprozess Georgiens
von Patricia Scherer
Zusammenfassung / Abstract
Georgien befindet sich seit der Rosenrevolution von 2003 im Transformationsprozeß. Hierbei ist nicht eindeutig, ob sich die Demokratie konsolidiert oder ob sich die Defekte der jungen Demokratie weiter manifestieren und ausbauen.
Unstrittig ist, dass es unter anderem einer funktionstüchtigen Zivilgesellschaft bedarf, um den Transformationsprozess hin zu einer stabilen Demokratie zu stärken. Hier stellt sich die Frage, ob der dritte Sektor in Georgien ausgeprägt genug ist, um eine Demokratie auf tönernen Füßen zu konsolidieren. Dabei kommt es weniger auf Quantität als auf Qualität an.
Die folgende Arbeit geht der Frage nach, welche Qualität die georgische Zivilgesellschaft hat und welchen Einfluss sie auf die Konsolidierung der Demokratie in Georgien nimmt. Zum Anderen zeigt sie auf, welche weiteren Voraussetzungen auch in Zukunft notwendig sind, um die georgische Zivilgesellschaft befördern.
Die Entwicklung der georgischen Zivilgesellschaft hat zunächst einen ähnlichen Verlauf genommen, wie die in anderen Ländern Osteuropas, die mit samtenen Revolutionen einen Regimewechsel eingeleitet haben. Sie bildete eine breite Basis für Massenproteste nach den manipulierten Parlamentswahlen im November 2003, bei denen Präsident Schewardnadse unberechtigt als Sieger hervorging. Dem gemeinsamen Ziel und der anfänglichen Euphorie weicht nun der "zivilgesellschaftlichen 'Rezession'"[1]. Drei primäre Entwicklungspfade erscheinen nun möglich: Das Regressions-, Stagnations- und das Progressionsszenario. Im Falle Georgiens deckt sich trotz der aktuellen politischen Situation das Regressionsszenario sich am ehesten mit der momentanen Entwicklung: Die politische Macht beginnt, sich erneut bei der Exekutiven zu bündeln. Freedom House schätzt die politischen und die zivilen Rechte derzeit mit nur jeweils drei Punkten ein und betont das Fehlen einer glaubwürdigen Opposition[2]. Die Zivilgesellschaft kann hier als Puffer wirken, wenn es ihr gelingt, erneut genug Verve zu entwickeln um dem Zerfall der Demokratie entgegen zu wirken.
Die Schwächen der georgischen Zivilgesellschaft sind systemimmanent. Zum einen sind Organisationen und Vereine auf ausländische Finanzierungen und Hilfe angewiesen, zum anderen konzentrieren sich die Initiativen auf die städtischen Ballungszentren. Hinzu kommt sicherlich ein Resignationsverhalten der Bevölkerung, welches einerseits mit ökonomischem Notstand und andererseits mit der erneuten Enttäuschung und dem Vertrauensverlust in die Regierung einhergeht. Die Zivilgesellschaft kann unterschiedliche Ausprägungen annehmen und sich weiterhin auf die über Jahrzehnte erlernten Verhaltensmuster stützen, die dem Klientelismus und der Korruption eher förderlich sind oder sich hin zu einer "reflexiven Zivilgesellschaft"[3] bewegen. Allerdings festigt sich die Zivilgesellschaft in Osteuropa unter erschwerten Bedingungen. Daher lag es nah, die georgische Zivilgesellschaft qualitativ zu untersuchen. Recherche und Beobachtung wurden hauptsächlich in Form von Experteninterviews durchgeführt. Dabei wurde bei der Auswertung ein möglichst ausführliches und übergreifendes Bild der derzeitigen georgischen Zivilgesellschaft und ihrem Einfluss auf die demokratischen Konsolidierung angestrebt.
Drei Gruppen sind im Fokus: die Gewerkschaften, die Kirche und unabhängige Vereine und Verbände mit demokratiefördernder Zielsetzung. Zusätzlich wurden international agierende Vereine, Verbände und Stiftungen in die Untersuchung mit einbezogen im Hinblick auf ihre Förderung und Unterstützung der nationalen Zivilgesellschaft.
[1] Croissant, A., Lauth, H.-J., Merkel, W (2000): Zivilgesellschaft und Transformation: ein internationaler Vergleich. In: Merkel, W. (Hg.): Systemwechsel. Zivilgesellschaft & Transformation. Bd. 5. Opladen: Leske + Budrich
[2] Freedom House 2006. www.freedomhouse.org
[3] Croissant, Lauth, Merkel (2000), ebd.
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Saturday, January 12, 2008
WISSENSCHAFT: Von der samtenen Revolution zur defekten Demokratie?
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