oder (Genadi): "Das Paradies, wo die Milch und der Honig fließt"
Bisher war ich dieses Jahr zweimal in Kakhetien, dem Weinanbaugebiet im Osten Georgiens, nicht weit von der aserbaidschanischen Grenze. Mit unserem Fahrer und Reisebegleiter Genadi Akhverdashvili kamen wir aus Armenien, unterbrachen die Reise in Tbilisi, um danach nach Aserbaidschan aufzubrechen.
Hinter Gurjani machten wir Rast, um unseren Hunger zu stillen. In Georgien ist es nicht üblich ein ausgiebiges Frühstück zu sich zu nehmen. Vormittags brachen wir auf und fuhren aus Tbilisi heraus in diese Region, die für ihre Küche, ihren Wein und ihre Herzlichkeit auch unter den Georgiern bekannt ist. Unserem Beifahrer knurrte der Magen, und so war es nur noch eine Frage der Gelegenheit, wann wir endlich etwas essen konnten.
An der mittlerweile gut asphaltierten Straße, sahen wir plötzlich ein pink angestrichenes Restaurant. Nebenan liefen die jungen Schweine um eine ausgebaute Schaschlik-Küche. Hier gab es vorzügliches Essen - u.a. gegrillter Fisch. Als wir wohlbeleibt in die Sonne traten und das Areal überblickten, sahen wir, dass die Renovierung noch im vollen Gange war. Direkt an der Straße lackierte ein Kakhetier die Außenanlagen pink. Unter anderem war der Bärenzwinger, der die Autofahrer zum Anhalten bewegen sollte, mit eben dieser Farbe frisch angestrichen. Da man nicht ohne weiteres den Bären ausquartieren konnte, musste er die Prozedur über sich ergehen lassen. Kurz darauf schnüffelte er weiterhin in seinem beengtem Zuhause durch den Käfig, wobei er sich eine Färbung des Fells verpasste. Wir waren etwas angetrunken, glaubten es nicht so richtig, blinzelten in die grelle Sonne, währenddessen unser Fahrer Genadi drängte, in seinem Mercedes Platz zu nehmen. Schließlich wolle er uns noch Kakhetien zeigen. Wir fuhren weiter durch die sogenannte Wintersteppe von Shiraki. Sie wird so genannt, da die Halb-Nomaden aus den tushetischen Bergen ihre Schafs- und Rinderherden hierher zum Überwintern bringen. DavidGareji war ein Ziel unser Reise bevor wir weiterfuhren, um uns die Renovierung Sighnaghi anzusehen.
David Gareji ist ein Felsenkloster unweit der aserbaidschanischen Grenze, wobei man in dieser Landschaft alles andere als Felsen sieht. Doch plötzlich geht es zügig bergan. Ein orthodoxer Mönch vor Ort mit altem Bart und lebhaften Augen erklärte uns die christliche Sicht in diesem territorialen Bezirk und emfahl uns den Hang hinaufzusteigen, um uns die uralten christlichen Bemalungen auf der anderen Seite des Bergrückens anzusehen, die nicht mal in einem Haus beherbergt sind. Hier findet man frei zugänglich unter Überhangen und in Höhlen, auch durch keine kulturelle Initiative konserviert und beschlagnahmt, einige der ältesten christlichen Darstellungen, wobei die Farben nicht wirklich verblasst sind. Nur die Gesichter sind bis auf den Stein zerkratzt. Krieger persischer Reiterheere sollen mit ihren Säbeln diese Iconen martialisch drangsaliert haben.
Von diesem Bergrücken aus überblickt man dann die teils faltig aufgeworfene Ebene bis hinüber zu der nahe gelegenen aserbaidschanischen Grenze. Ach hier gibt es wieder Diskussion, wem wohl dieser Bereich des Kaukasus gehört. Ich frage mich, worum es dabei geht? Wollen sich manche Aserbaidschaner der Nomenklatur aus Mangel an Gelegenheiten um das christliche Erbe kümmern?
Unser Aufenthalt in Sighnaghi war dann kurz. Gehört hatte ich schon von der rühmlichen Renovierung dieses auf einem Gipfel gelegenen, beinahe italienisch anmutenden Städtchen. In Kampagnen spricht man hier von der Toskana Georgiens. Ich erlebte das alles als ein überstürztes Unterfangen. Wie an den Kulissenarbeiten eines gigantischen Filmprojektes werkelten überall Bauarbeiter und Handwerker gleichzeitig. Hier ging nichts nach und nach, sondern alles auf einmal. Erhaschte man einen Blick in eine Seitestraße, konnte man sehen, wie es dort mal aussah. Doch andererseits leben dort noch Einheimische mit ihren Lebensumständen, für die sich die Renovierungsinitiative nicht weiter interessiert. Das ganze wirkt paradox. Für wen passiert das ganze? Für die Reichen, die sich inmitten auch schwieriger sozialer Lebensumstände niederlassen wollen? Für die Amerikaner, die hier kräftig eingekauft haben sollen? Für die Touristen? Die Touristen, die bisher hierher kommen, suchen meines Erachtens noch etwas anderes ... Doch, ja ja, auch in Kroatien hat sich manches zügig verändert.
Als ich dann aus Aserbaidschan zurückkehrte, lernte ich das Leben in einem kakhetischen Dorf kennen. Gavazi hieß der belebte Ort. Klingt italienisch, doch das Leben ist hier ein ganz anderes. Jedenfalls bringen die Leute dort viel Zeit damit zu - und das selbst in der Erntezeit der Weintrauben auf den Feldern - sich gegenseitig zu besuchen, auf der Straße zu stehen, sich etwas zu erzählen, nach etwas zu fragen, einen von den vielen Cousins zu besuchen, gemeinsam für das Dorf, oder besser für die große Familie Brot zu backen, zu kochen, rumzusitzen, obwohl man mir sagte, dass der ältere Herr das Feld bewache ... Rumgestrommert wird auch, doch die Mädchen und Frauen obliegen der Obhut der Familie und der Nachbarschaft. Einen Blick zu erheischen ist eine Seltenheit, und könnte vielleicht sogar viel mehr bedeuten ... Es ist ein bisschen so, wie in alten Zeiten, obwohl man keine wirkliche Vorstellung davon hat. Man erinnert sich dabei wohl an einen gelesenen Roman des vergangenen Jahrhunderts. Manchmal auch an die drei Schwestern von Tschechow. Doch das Essen ist gut und die Kakhetier sind keinesfalls einfältig, um hier nicht einen falschen Eindruck zu hinterlassen - und nicht nur die Frauen sind von ausgemachter Schönheit. Manchmal wirken sie so beherzt aristokratisch - ich hab es nicht gesehen ... sie sind zart und hart - in jedem Fall. Hier wird sich gestreckt ... Da hat es der Mann sicher nicht immer einfach, die Frau glücklich zu machen. Da gibt es die Sehnsucht nach der großen Stadt, da gibt es die große Familie, das gibt es die Ruhe des Landes, das gibt es Begehrlichkeiten ... und auch hier, siehe, da kann man sich auch langweilen - wie überall auf der Erde!
Aber eins kann ich genau sagen, es gibt dort den Wein - vielleicht nicht jahrtausende- aber jahrhundertealt. Ich wurde in einen Weingarten einer Familie geführt, wo der Wein erst drei Jahre alt war. Riesige Weintrauben gab es da. Selbst das Fernsehen sendete schon davon. Rekordverdächtig soll das sein! Alle waren begeistert, als sie meine Fotos und das Video davon sahen. "Wei me!" war ihr Ausspruch ... "Weih me, weih me!", was soviel heißt wie "Mein Gott!" ... "Mein Gott, mein Gott!"
Text und Photos on October 15, 2007 by Ralph Hälbig
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