von Timo Vogt
Kachas* Augen werden zusehens kleiner. Die gelbe Nylonschnur mit der Trillerpfeife an ihrem Ende, die er eben noch mit den Zähnen stramm um seinen Oberarm gezogen hatte, lässt er aus dem Mund in seinen Schoß fallen. Ganz ruhig sitzt er nun da, seine Atmung verlangsamt sich und wird zu einem leisen Hauchen. Unaufhaltsam beginnt es ihm den Boden unter den Füssen wegzuziehen. Ein leerer Blick auf die leere Spritze, dann gleitet das Besteck für einen sorgenfreien Freitagabend aus Kachas Hand auf den Glastisch vor ihm. Sein linker Arm liegt immer noch ausgestreckt auf seinem Knie, während er sich in Zeitlupe in die Sofalehne sinken lässt und die Augen schliesst.
„Kacha nimmt immer zu viel von allem“, meint einer seiner Freunde über den 17 Jährigen mit dem noch spärlichen Bartwuchs. Die weite Jeans kann sich kaum auf Kachas schmalen, jungenhaften Becken halten. Die Grenzen hat Kacha aber ohnehin schon vor langem überschritten. Dieser Freitagabend in irgendeiner Seitenstraße im Zentrum der georgischen Metropole Tiflis ändert daran nichts. Es ist ein Abend von vielen und Kacha ist nicht allein. David* setzt sich neben seinen Kumpel und holt seine Spritze aus der Tasche, die er für umgerechnet 13 Euro fertig mit dem berauschenden Stoff aufgezogen von einem weiteren Kumpel kaufte, den er nicht vorstellen wollte. Es war eine Kleinigkeit, den Stoff zu beschaffen. Auch er zieht die Schnur mit den Zähnen stramm um seinen Arm und bald darauf schiebt er mit der rechten Hand die Nadel in die Vene seines linken Arms. Er trifft nicht richtig und ein wenig Blut läuft aus der Wunde und bildet einen Fleck auf seiner blassen Haut.
Subutex, ein Wort das auf den Strassen von Tiflis jeder kennt, aber man nur leise ausspricht. Als synthetisches Opioid wird Subutex in Westeuropa und den USA von Medizinern zur Behandlung von Heroinabhängigen eingesetzt. Die Tablette wird im Kaukasus jedoch zur Jedermann-Droge, die sich dort unkontrolliert wie ein Buschfeuer ausbreitet. Von Schmugglern illegal ins Land gebracht, wird die Pille zunächst in mehre Teile geteilt und anschließend in Flüssigkeit gelöst, damit eine Spritze damit aufgezogen werden kann. Oft wird Subutex von den Dealern bereits so vorbereitet, dass der Käufer gleich eine fertig aufgezogene Spritze mitbekommt, die er sich nur noch selber setzen muss. Vertrauen in die Reinheit des Stoffes ist im Preis inbegriffen, denn letztlich möchten die Händler doch, dass die Kunden wiederkommen. Das Restrisiko aber bleibt bei den Konsumenten.
Längjährig und stark Abhängige sind meist in diverse kriminelle Machenschaften verwickelt, um die finanziellen Mittel für die Droge zu beschaffen. Die Jugendlichen, die sich einmal die Woche eine Spitze Subutex als etwas besonderes gönnen, bitten ihre Eltern unter einem Vorwand um Geld oder nehmen es heimlich sich aus deren Geldbörse. Aber letztlich bleibt es das Geheimnis eines jeden in diesem mittellosen Land, wo das Geld für die Drogen, wie auch für teure Kleidung oder nagelneue Mobiltelefone, herkommt.
Der von der UN gegründete International Narcotics Control Board (INCB) kommt zu einem negativen Bild der Entwicklung des Drogenhandels in Georgien. Nach Einschätzung der Organisation habe sich der südliche Kaukasus als ein wichtiger Transitkorridor für den internationalen Drogenhandel entwickelt. Zudem sei der Drogenkonsum in der Region deutlich angestiegen. Wie der INCB in seinem Jahresbericht 2006 schreibt, gebe es in Georgien geschätzte 275.000 Drogenkonsumenten. Dies sei gegenüber dem Jahr 2003 ein Anstieg von 80%. Dabei mache der größte Teil des Anstiegs die Droge Subutex aus, welche sich die Drogenkonsumenten in die Venen spritzen.
* Namen geändert
Der ganze Text: http://www.i-traxx.net/reportagen/Subutex/
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