Monday, January 12, 2009

PRESSE: Lehren aus dem Gas-Streit (euro|topics)

Europäische Presseschau vom 12/01/2009

Im Gas-Streit hat es einen neuen Zwischenfall gegeben. Der russische Präsident Dmitirij Medwedjew erklärte eine vorläufige Einigung mit der Ukraine für ungültig. Ein Zusatz aus Kiew zu dem Dokument sei "verlogen". Die Ukraine nahm die Ergänzung zurück. Jetzt, da sich eine Einigung abzeichnet, zieht die europäische Presse erste Lehren aus der Krise.

Der Standard - Österreich.
In Energiefragen sei Europa Russland völlig ausgeliefert. Ein strategisches "Energie-Rettungspaket" sei daher notwendig, schreibt die Tageszeitung Der Standard: "Die schlechte Nachricht für Europa ist, dass die Abhängigkeit vom russischen Gas in den kommenden Jahren noch deutlich wachsen wird. Derzeit kommen 42 Prozent des Erdgases in der EU aus Russland, 2020 werden es bereits 65 bis 70 Prozent sein, die Bedeutung der Lieferanten Norwegen und
Algerien nimmt hingegen ab. ... Wenn es möglich ist, hunderte Milliarden Euro in die Rettung von Banken zu investieren, sollten ähnlich hohe Investitionen auch für den Energiesektor möglich sein, will Europa nicht zunehmend politisch erpressbar werden. Und rasche Investitionen in Solaranlagen, Bioenergie, Gebäudedämmungen und Wasserstoffantriebe im Rahmen eines 'Energie-Marshallplanes' könnten die darniederliegende Wirtschaft kräftig ankurbeln." (12.01.2009) +++
http://derstandard.at/

Sme - Slowakei.
Wegen der Gas-Krise will die Slowakei ihr erst Silvester auf Druck der EU abgeschaltetes veraltetes Atomkraftwerk Bohunice wieder anfahren. Die liberale Tageszeitung Sme kritisiert diese "dramatische Entscheidung": "Wir sind in die EU aufgenommen worden, weil wir versprochen haben, Bohunice zu schließen, nicht es abzuschalten, um es beim ersten Frost wieder anzuschalten. Wir sind auch deshalb in die EU geholt worden, weil wir versprochen haben, uns wie ein vertrauenswürdiger Partner zu verhalten. Und Vertrauenswürdigkeit ist eine Qualität, die sich gerade in diesen Tagen als eine der wichtigsten erweist. Auf der einen Seite sind die unzuverlässigen Russen und Ukrainer, auf der anderen Seite sollte das zuverlässige Europa stehen. Die Slowakei steht wieder einmal vor einer ernsten Frage: Welcher Kultur steht sie näher? Bohunice stinkt nach Russland." (12.01.2009) mehr >>>

ABC - Spanien.
Angesichts des Gas-Streits zwischen Russland und der Ukraine fordert die spanische Tageszeitung ABC eine neue Debatte über die Produktion und Nutzung von Atomenergie: "Die Europäische Union kann eine für viele Regierungen so sensible Debatte nicht führen. Aber wir können auch nicht weiterhin ignorieren, dass die Entscheidung, aus der Atomenergie auszusteigen, mit Realismus und ohne Demagogie überdacht werden muss. In Spanien ist es unverständlich, dass wir diese Energiequelle aufgegeben haben und dafür den Strom französischer Kraftwerke kaufen. Der zweite Teil der Strategie muss zweifelsohne die Verstärkung des wechselseitigen Energieaustauschs innerhalb der Mitgliedstaaten sein. ... Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Situation durch das Gas entsteht, das durch die Ukraine fließt, und es wird vermutlich nicht das letzte Mal sein. Die Art und Weise, in der die Bürger Europas davon betroffen sind, darf sich nicht wiederholen." (12.01.2009) mehr >>>

Frankfurter Rundschau - Deutschland.
Obwohl viele Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft nicht zugetraut haben, zeige Prag gerade im Gasstreit seine Stärken, meint die Tageszeitung Frankfurter Rundschau: "Die Vermittlung des Kontrollabkommens im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine nimmt den Skeptikern einigen Wind aus den Segeln, die Prag eine EU-Führungsrolle zuvor gar nicht zugetraut haben. ... Gerade im verfahrenen Dialog zwischen Russland und der Ukraine können die Tschechen ihre immer noch glänzenden Kontakte in Richtung Osten ausspielen - zum Nutzen der gesamten EU. ... Die Tschechen sehen sich dabei als Mittler zwischen der EU und Ländern wie der Ukraine und Serbien, die schon lange auf eine Beitrittsperspektive hoffen. Gerade in diesem Dialog ist Tschechien wegen der gemeinsamen Vergangenheit ein glaubwürdiger Ansprechpartner für die übrigen ehemaligen Ostblock-Länder." (12.01.2009) mehr >>>

NRC Handelsblad - Niederlande.
Der Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine hat nach Ansicht der überregionalen
Tageszeitung NRC Handelsblad erneut deutlich gemacht, dass die Gas abnehmenden Länder Alternativen zu den russischen Pipelines entwickeln müssen. Die Niederlande, die bislang noch Gasproduzent sind, wollen "die Gasdrehscheibe für Westeuropa werden: der Mittelpunkt von Lagerung und Umschlag. Das ist ein gesundes und angesichts der bestehenden Infrastruktur vermutlich technisch machbares Vorhaben. Es ist zu hoffen, dass die Niederlande ihre nationalen Ambitionen auch in die europäische Politik integrieren. Selbstverständlich muss sich
der Westen - vor allem durch Energiediversifizierung - weniger abhängig von fossilen Brandstoffen machen. Aber solange Gas und Öl unentbehrlich sind, gilt, dass gegenüber der gebündelten Kraft der produzierenden Staaten nur eine Bündelung der Abnehmerländer eine effektive Gegenmacht bilden kann." (12.01.2009) mehr >>>

No comments: