Monday, January 12, 2009

STATEMENT: Der Fall Georgien: Medienpolitik als Organ der Vermittlung oder als Instrument des Kulturkampfes? (pdf)

Von Marika Lapauri-Burk und Frank Tremmel


Betreff ZDF-Dokumentationen am 14.12.08 „Machtpoker im Kaukasus“ am 17.12.08 „Die Spur des Goldes“ /„Abenteuer Wissen“

Abstract: In der Zeit des eisernen Vorhangs und erneut in der Zeit nach der Perestroika war Georgien und der Kaukasus eine Terra incognita. Auch die offenbar mit heißer Feder geschriebenen Artikel und Bücher der jüngeren Zeit bewegen sich entweder auf dem problematischen Niveau einer Weltbürgerkriegsdiagnostik oder ergehen sich in ahistorische Sophistereien über völkerrechtliche Einzelfragen, die den Leser oftmals ratlos zurücklassen. Den westlichen Berichterstattern ist oftmals nicht bewusst, dass mit den politischen, ökonomischen und kulturellen Umbrüchen in Osteuropa für uns alle eine neue Ära angebrochen ist, die es erforderlich macht, unterschiedliche Erfahrungen in einem wechselseitigen Prozess auszutauschen und nicht einfach durch die Raster der jeweils überkommenen Kategorienssysteme zu filtern. Durch die Ereignisse im 20. Jahrhundert ist Georgiens natürliche Entwicklung als eine der ältesten europäischen Kulturen abgebrochen worden. Durch die veränderte Weltlage, wie sie nach dem Zerfall der Sowjet Union entstand, bekam die geopolitische Stellung des Kaukasus erneut Bedeutung. Wir waren immer der Auffassung, dass europäische Politik im 21. Jahrhundert wesentlich Kulturpolitik im weitesten Sinne sein sollte. Kultur ist eine Möglichkeit, auch die oben angesprochenen politischen Krisen besser zu verstehen.

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2 comments:

Anonymous said...

Dieses Gefuhl dass Georgien von allen nicht gut genug verstanden oder behandelt wird kommt staendig in georgischen Berichten vor. Man muss wohl auch die Realitaet akzeptieren und sehen, dass Georgien nun doch ein kleines und relativ gesehen nicht alzu sehr bedeutsames Land ist. Für uns mag Georgien eine riesige bedeutung haben, aber fuer gemeinen deutschen Zuschaeur ist es nicht der Fall. Ausserdem, hat sich Georgien in diesem Krieg nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt. Meiner Meinung nach, haben die meisten Berichte Georgien sympatisiert. Erst spaeter wurden Fragen gestellt ob Georgien sich doch nicht vielleicht uebernommen haette. In 20er waren in Tskhinvali vielleicht drei osetischen Familien. Doch wie viele waren in Tskhinvali's Keller versteckt als die Stadt unter Beschuss von georgischen Armee war.

Deustche Medien, in meiner Sicht (besonders Zeitungen und Fernsehen) haben nicht die Qualitaet und Berichtunfang von Deutschlandfunk/Deutschlandradio, BBC oder Weltgrossen Zeitungen, wie New York Times oder Washington Post.

Daher begruesse ich sehr jeden Versuch dessen Berichterstattung zu kritisieren wenn dabei falsche Schlussfolgerungen gemacht werden. Doch der, wer sich an einer Kritik wagt sollte selbst versuchen bei der Faktendarstellung und Realitaetswahrnehmung eine gewisse Objektivitaet zu bewahren. So wie dieses Statement verfasst ist, hat es nun keine Ueberzeugunskraft, ungeachtet einiger wertvolllen Punkte die dort angesprochen wurden.

Anonymous said...

Sehr geehrte Frau König,
zunächst handelt es sich bei dem Ihrer Stellungnahme zugrundeliegenden Artikel nicht um einen geor-gischen Bericht, sondern um die Darstellung zweier regierungsunabhängiger Personen, die beide deutsche Staatsbürger sind. Zudem haben Sie offenbar unsere Intention gründlich missverstanden. Wir haben an mehreren Stellen betont, dass es uns um eine generelle Perzeptionsweise bundesdeut-scher Medien in bezug auf Länder der ehemaligen UdSSR bzw. des osteuropäischen Raums geht, nicht um eine georgische Position, die es so - wie Sie sehr wohl wissen - nicht gibt. Im Gegensatz zur russischen Öffentlichkeit wurde und wird in Georgien über die Regierungsposition sehr intensiv gestrit-ten.
Es wäre in der Tat interessant, die Berichterstattung internationaler Medien über Georgien ebenfalls hinzuziehen, aber das ändert nichts daran, dass die Meinungsbildung in Deutschland für die europäi-sche Bewertung der dortigen Verhältnisse nun nicht eben gleich null gesetzt werden kann. Zudem bestätigen sie mit ihrer relativierenden Betrachtungsweise der kaukasischen Verhältnisse gerade die geopolitische Sichtweise, die wir kritisieren. Das steht Ihnen natürlich frei. Allerdings sind wir immer noch der Auffassung, dass gerade das Schicksal der Regionen an den Bruchkanten der neuen geopo-litischen Großräume die Qualität der neuen polyzentrischen Weltordnung besonders deutlich erschei-nen läßt. Wer sich nicht einordnet wird semantisch abgewertet und durch Strafexpeditionen abge-mahnt. Das wir uns alle nicht so wichtig nehmen sollten, ist immer richtig. Allerdings sollte damit jeder bei sich anfangen. Anderen nonchalant Bedeutsamkeit abzusprechen ist in der Regel die Vorstufe zu einer Flegelei. Zudem ist uns in diesem Zusammenhang nicht ganz klar, warum Sie Ihre akademi-schen Ambitionen auf einen vermeintlich dermaßen unbedeutenden Forschungsgegenstand gerichtet haben. Das muss doch auch für Sie eine ausgesprochen freudlose Angelegenheit sein. Wir sind dage-gen mit dem russischen Kulturhistoriker Dmitri S. Lichatschow der Auffassung, dass gerade der Erhalt der kleinen Kulturen für den Thesaurus der Menschheit von großer Bedeutung ist.
Die von Ihnen beschworene Objektivität ist zweifellos wichtig, aber die von Ihnen damit verbundene Äquidistanz gegenüber den Konfliktparteien muss uns nicht unbedingt der Wahrheit näher bringen. An dieser Stelle möchten wir Sie an die folgende Äußerung Max Webers aus seinem berühmten "Objekti-vitätsaufsatz" erinnern: "Die `mittlere Linie´ ist um kein Haarbreit mehr wissenschaftliche Wahrheit als die extremsten Parteiideale von rechts und links." Diese klassische Position zur Objektivität in den Kulturwissenschaften wird Ihnen doch bei Ihrer Ausbildung begegnet sein. Warum übrigens bei sehr unterschiedlichen Positionen gleich der Gegenseite mangelnde Faktenkenntnis und Realitätswahr-nehmung unterstellen? Sie haben in Ihrem Statement zum ersten Mal sehr deutlich ausgesprochen, welche Haltung sich hinter Ihrer scheinbar ausgewogenen Distanz verbirgt. Für diese Deutlichkeit sind wir zumindest dankbar. Die eigentliche Diskussion müsste nun aber erst beginnen. Wir sind gerne bereit, im Dialog zu einer komplexeren Sicht beizutragen. Dialog heißt aber nicht, dass eine Seite die statthaften Werturteile festlegt und zudem der anderen Seite von vornherein ein mangelndes Verhält-nis zur Wirklichkeit unterstellt. Sie selbst argumentieren in der Südossetienfrage auf der Grundlage mehr als wirklichkeitsfremder historischer Konstrukte, was Sie ja in Ihrer Erwiderung satzweise sogar zugeben (betr. historische Demographie der Zchinwaliregion), um dann diesen Erkenntnismangel durch wilde Wertungen zu kompensieren. Wer auf dem Boden einer „Wirklichkeitswissenschaft“ im Sinne des oben genannten Max Webers steht, sollte souveräner argumentieren.
Beste Grüße
Frank Tremmel