Leider ist nicht bekannt, wer das Ereignis damals initiiert und organisiert hat. Nicht ausgeschlossen, ist, dass es einer der "Motiv-Jäger" selbst gewesen ist, die im Auftrag Lumières mit dessen Kamera Bilder machten. Zu ihnen gehörten später bekannt gewordene Kameraleute, wie z.B. Alexander Promio, von dem angenommen werden darf, dass sie selbst in Georgien gewesen sind.
Später haben Geschäftsleute, die Georgien besuchten, in Tbilissi an verschiedenen Orten wie Theatern oder Zirkussen Filme vorgeführt und weckten damit bei den Georgiern großes Interesse. Schon im Jahre 1904 wurden ein paar kleinere Kinotheater eröffnet (Iluzioni, Urani, Skifi, Mulen-Elektriki usw.), wo man ausländische Filme zeigte, zumeist französische. In die kleinen Kinosäle passten 50 bis 60 Zuschauer.
Für sommerliche Vorführungen gab es auch geeignete Filmtheater unter freiem Himmel. 1905 baute die Inhaberin des Kinotheaters „Iluzioni", Sophie Ivanizkaja, im Muschtaeti-Park ein solches Freiluft-Kino mit 150 Sitzplätzen. Sie kaufte Filme, zeigte sie, bis sie ihr überholt vorkamen und keine Kunden mehr anlockten – und verkaufte sie dann weiter in andere Städte.Das Abendprogramm dauerte etwa eine Stunde und bestand aus einigen Kurzfilmen von ganz unterschiedlichem Genre. Das begann etwa mit einem Dokumentarfilm, der Ansichten von verschiedenen Städten oder Dörfern, historischen Denkmälern und Sehenswürdigkeiten brachte. Auch schöne Landschaften und das Leben fremder Völker wurden vorgeführt. Im zweiten Teil des Kinoprogramms gab es dann "Chroniken" – Filmberichte aus verschiedenen Ländern über politische Ereignisse, offizielle Treffen, Zeremonien, Volksfeiern usw. Den dritten Teil bildeten Filme über Feen, Phantasiegestalten oder mythologische Figuren, im vierten wurden Komödien gezeigt und im fünften Teil schließlich Filme mit dramatischer Handlung. Oft gehörten zum Programm auch Neuigkeiten aus Sport und Kultur.
So entstand ein vielseitiges Programmangebot, das die Zuschauer informierte und gleichzeitig unterhielt. Da die Filme noch ohne Ton waren, wurden sie von Live-Musik begleitet, die von eigens eingeladenen Stummfilmmusikern gespielt wurde. Mit passenden Stücken aus der klassischen wie auch der modernen Musik wollte man eine synchrone Synthese der Töne und der ausgestrahlten Bilder erreichen.
Ein wichtiger Informationsvermittler waren die Untertitel. Sie verzeichneten vor allem die Filmtitel, den Namen und das Symbol der Filmgesellschaft, gaben Ort und Zeit des Geschehens an und zeigten, wenn nötig, auch Dialogtexte. Später wurden auch Daten über das Filmteam (Namen des Regisseurs, des Drehbuchautors, des Kameramannes und der Schauspieler) aufgeführt. Kamera und Filmprojektor wurden immer noch mit der Hand bedient.
Film und Filmproduktion zogen viele Menschen in ihren Bann, weil sich damit viel Geld verdienen ließ. 1907 wurden in Tbilissi bereits weitere Kinotheater gebaut: „Muse", Apollo", „Lira", „Minioni", „Cinema-Disk" u.a. Häufig bezeichnete man sie als „Projektor-" oder „Elektro-Theater". Auch Filialen ausländischer Filmgesellschaften wurden in Tbilissi eröffnet. Sie boten den örtlichen Kinotheatern eigene Produktionen an und drehten eigene Filme über das Leben in Tbilissi, die ins Ausland geschickt und in den dortigen Kinotheatern gezeigt wurden. Leider sind nur wenige der damals gedrehten Dokumentationen bis in unsere Zeit erhalten geblieben.
Natürlich hatten diese frühen Filmproduktionen noch keine hohen künstlerischen Qualitäten. Aber das Kino zog die Besucher magisch an, es war für alle sozialen Schichten zugänglich, verständlich, miterlebbar.
Aus dem Georgischen von Marika Lapauri-Burk
Foto: ehemaliges Kinotheater Apollo in Tbilisi
Quelle: einblickgeorgien.blogspot.com
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