18. Februar - 5. Juni 2011
Kunsthalle Wien
Die Intensität und die Verschiedenheit meiner Empfindung ist aber so stark, dass ich damit etwas machen muss, weil sie mich sozusagen spaltet.
Andro Wekua
Never Sleep with a Strawberry in Your Mouth heißt der aktuelle, für die Ausstellung fertiggestellte Film des in Georgien geborenen Künstlers Andro Wekua. Der surreale Filmtitel, der als Handlungsanweisung kaum Sinn ergibt, überrascht mit einer Nonsenselogik, die für die verführerische Kraft einer symbolträchtigen Kunst typisch ist. Egal ob Gegenstand, Landschaft, Figur oder Porträt, die hyperreale Schönheit und Absurdität, Weltabgewandtheit und Selbstreferenzialität von Andro Wekuas Arbeit entfalten sich in einem Spiel von Nähe und Distanz, Intimität und Lust. Seine Bildfindungen speisen sich aus Impressionen des Alltags und aus persönlichen Erinnerungsbildern, die oft um seine Kindheit in der Stadt Sochumi am Schwarzen Meer kreisen.
Der Meistercollagist, der auf handwerklich präzise Ausführung bedacht ist und eine an das Palimpsest angelehnte künstlerische Praxis entwickelt, bedient sich nahezu jedes Mediums: Im Akkord von Raum, Skulptur, Film und zweidimensionalen Arbeiten entfaltet sich eine Wirkkraft, deren expressiv erhabenes Pathos mit Elementen poetischer Selbstironie ausbalanciert wird. Wekuas Kunst überschreitet das Werk im Raum und verwebt einzelne Arbeiten als Teilelemente zu größeren gesamtkunstwerklichen Sinnzusammenhängen, welche den White Cube hinter sich lassen und Platz für geheimnisvolle Atmosphären schaffen: Emotional eindringliche Arrangements, Bühnenkonstruktionen und ein Raum im Raum bilden zusammen mit Großprojektionen sowie abgedunkelten Räumen den Ausgangspunkt für eine sinnliche Kunst, die theatralisch inszeniert ist. Andro Wekua setzt narrative Impulse. Um jedoch die Fantasien und Assoziationen des Betrachters zu stimulieren, setzt er bewusst Zäsuren und verzichtet auf einen erzählerischen Fluss. Von Mal zu Mal entladen sich Launen genauso in der Geste wie im Terror der Introspektion: „Sicherlich geht es nicht um reale Gewalt – eher um eine Stimmung der Gewalt, um eine Bedrohung, eine beklemmende Atmosphäre”, so Wekua.
Seine Raumgebilde versieht Wekua mit einzelnen auratischen Figuren: häufig lebensgroßen jungen Frauen aus Wachs, die sich wie in My Bike and Your Swamp (6 pm) auf einem verchromt glänzenden Motorrad räkeln und in ihrer Androgynität an Mannequins erinnern. Es sind selbstvergessene Figuren, die, wie der Künstler erklärt, keine Augen haben, weil sie den Blick nicht erwidern sollen. Ausgestattet mit einem manieristischen Temperament und stoischer Ruhe leben die Gestalten in einer Zeit des Aufschubs: Sie warten und warten und wiegen sich in einer der Melancholie eigenen schlafwandlerischen Sicherheit. Sie haben nichts zu verlieren, da sie eine Bedrohung durch die Endlichkeit nicht kennen. Mit ihren vieldeutigen Gesten und formelhaften Posen unterliegen sie einem Rhythmus von Anziehung und Abstoßung, Perfektion und Obsession und formulieren eine „Anatomie des Begehrens“, die manchmal an Kunst von Hans Bellmer oder Medardo Rosso erinnert. Wekuas häufig beklemmende Reflexionen über den schönen Körper lassen klassizistische Implikationen vermuten, doch gnadenlos überprüft er historische Formeln der Skulptur auf zeitgenössische Tauglichkeit, lässt sie ins Leere laufen oder installiert Platzhalter für Interpretation und Resonanz.
Kuratorin: Angela Stief
Biografische Angaben:
Andro Wekua wurde 1977 geboren, er studierte in Georgien und der Schweiz (Basel). Seit 2007 lebt und arbeitet er in Berlin und Zürich.
Einzelausstellungen (Auswahl): 2010 Schinkel Pavillon, Berlin / Gladstone Gallery, Brüssel. 2009 Wiels, Brüssel / Galerie Peter Kilchmann, Zürich / Museion, Bozen. 2008 Camden Art Center, London / Le Magasin CNAC, Grenoble. 2007 Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam. 2006 Kunstmuseum Winterthur.
Gruppenausstellungen (Auswahl): 2010 8th Gwangju Biennale / New Museum, New York / Carnegie Museum of Art, Pittsburgh. 2009 Albright Knox Art Gallery, Buffalo / CAC, Vilnius. 2008 Kunsthaus Zürich. 2006 Centre Pompidou, Paris / 4. Berlin Biennale, Berlin
Publikation:
Anlässlich der Ausstellung wird eine dreiteilige Publikation erscheinen. Hg.: Kunsthalle Wien, Kunsthalle Fridericianum in Kassel und Castello di Rivoli, Turin. Mit Texten von Douglas Fogle und Miciah Hussey. Dt./engl./ital.
Verlag: Walther König
Pressekonferenz: Donnerstag, 17. Februar 2011, 10 Uhr
Eröffnung: Donnerstag 17. Februar 2011, 19 Uhr
Saturday, February 05, 2011
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