Saturday, January 26, 2013

BAKU: Festnahmen bei Protestaktion. Die wachsende Wut in Aserbaidschan. Von Silvia Stöber (tagesschau.de)

(tagesschau.de) In Aserbaidschan sind bei einer Demonstration zahlreiche Menschen festgenommen worden, darunter prominente Journalisten und Aktivisten. Seit zwei Wochen kommt es immer wieder zu spontanen Protestaktionen gegen Korruption, Gewalt und Selbstherrlichkeit der autoritär herrschenden Führung.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Festnahmen in Baku

In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku sind bei einer Protestaktion zahlreiche Demonstranten und Journalisten festgenommen worden. Unter ihnen waren der prominente Blogger Emin Milli und die international bekannte Journalistin Khadija Ismailowa. Videos des Senders "Radio Liberty" zeigen Milli und Ismailowa, wie sie von der Polizei in Busse abgeführt werden. Beide berichteten auf Facebook und Twitter, dass sie mit Dutzenden weiteren Demonstranten in Polizeistationen gebracht wurden.

Blogger Emin Milli
Blogger Milli
Zu der Protestaktion im Zentrum Bakus am Kaspischen Meer hatten Aktivisten auf Facebook aufgerufen, ohne diese bei den Behörden der Hauptstadt anzumelden, da seit Jahren keine Demonstrationen gegen die Regierung in der Innenstadt mehr zugelassen werden. Die Polizei hatte im Vorfeld den Treffpunkt am zentralen Springbrunnenplatz abgesperrt und ging sofort gegen die Demonstranten vor, die sich daraufhin in einem Park und an der Uferpromenade versammelten.

Protestwelle auch in der Provinz

Khadija Ismailowa
Journalistin Ismailowa
Die Demonstranten wollten ihre Solidarität zeigen mit den Menschen in der Stadt Ismayili, wo am Mittwoch ebenfalls spontan Proteste gegen den Gouverneur und einen Hotelbesitzer begonnen hatten. Der Hotelbesitzer hatte nach einem Verkehrsunfall einen Taxifahrer verprügelt. Der Gouverneur wird der Korruption beschuldigt. Aus Wut setzten die Protestierenden Autos und Gebäude in Brand. Als die Polizei einschritt, wurden mehrere Menschen verletzt und zahlreiche Personen festgenommen.

In jüngster Vergangenheit kam es in dem Land immer wieder zu Zusammenstößen. Vor einer Woche bereits hatten Hunderte Händler am Rande Bakus eine Autobahn blockiert, weil sie Stände in einem neuen Marktgebäude beziehen und dafür hohe Mietpreise zahlen mussten. Auch diese Demonstration wurde mit Tränengas und Gummigeschossen aufgelöst.

Vor zwei Wochen hatten im Zentrum Bakus Hunderte Menschen gegen die Gewalt an Rekruten in der Armee protestiert. Mehr als 70 Soldaten waren Menschenrechtlern zufolge im vergangenen Jahr außerhalb von Kampfhandlungen ums Leben gekommen. Etwa 20 junge Demonstranten, die bei der Protestaktion vor zwei Wochen festgenommen worden waren, wurden in Schnellverfahren zu Geldstrafen von umgerechnet 500 Euro verurteilt.

Parlamentssitz für eine Million Euro

Zudem sorgt seit Monaten ein Korruptionsskandal in den höchsten Kreisen der aserbaidschanischen Führung für Wut in der Bevölkerung. Im September hatte ein ehemaliger Universitätsdekan ein Video veröffentlicht, das ihn in Verhandlungen mit einer prominenten Politikerin der Regierungspartei zeigt. Dabei geht es um den Kauf eines Parlamentssitzes für bis zu eine Million Euro. Der Professor gibt vor, er habe Abgeordneter werden wollen, um den Verbleib seines verschollenen Bruders aufzuklären. Dieser hatte eine hohe Position bei den Sicherheitskräften. Eine auf dem Video ebenfalls zu sehende Frau starb kürzlich unter noch ungeklärten Umständen in Istanbul.

Im Oktober steht die Präsidentenwahl an. Beobachter gehen bislang davon aus, dass Präsident Ilham Alijew wie zwei Mal zuvor - auch durch Wahlfälschungen - gewinnen wird. Eine unbegrenzte Anzahl von Amtszeiten hatte er sich in mit einem umstrittenen Referendum im Jahr 2008 gesichert. Alijew war 2003 seinem Vater Haidar Alijew im Amt gefolgt.

Ein wichtiger Partner für EU und USA - trotz allem

Aserbaidschan zählt laut Transparency International zu den korruptesten Staaten der Welt. Aufgrund seiner geostrategischen Lage zwischen Russland und dem Iran sowie wegen Öl- und Gasvorkommen ist es aber ein wichtiger Partner für die Europäische Union und die USA.

Als Mitglied des Europarates dürfte die Ex-Sowjetrepublik eigentlich keine politischen Gefangenen haben. Der deutsche Europaratsabgeordnete Christoph Strässer setzt sich als Berichterstatter seit mehr als zwei Jahren dafür ein, dass das Thema anerkannt und Aserbaidschan zur Freilassung der politischen Gefangenen gedrängt wird. Er wurde dabei immer wieder behindert durch Lobby-Aktionen der aserbaidschanischen Regierung, in die auch Politiker aus Deutschland, Großbritannien, Spanien und anderen westeuropäischen Ländern involviert waren.

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