By Meline Toumani (texte from her: here>>>)
The New York Times
FRIDAY, AUGUST 26, 2005
BATUMI, Georgia
In Georgien hatte vor zwei Jahren der deutsche Dirigent Uwe Berkemer, der in der Georgischen Hauptstadt Tbilisi arbeitete, die Idee gehabt, einfach ein Kammerorchester zu schaffen - mit Musikern vor allem aus dem Kaukasus, also aus der Region zwischen dem Schwarzem und den Kaspischem Meer, welches Europa von Asien trennt, in der viele Ethnien, mit über 40 Sprachen leben.
Durch das Orchester, so stellte er sich vor, würde die Musik eine Kraft der Identität hervorbringen. Das Orchester würde das Potential für Frieden unter den verschiedenen Völkern symbolisieren, die sich bisher in Konflikten zwischen ihren Land und ihre Souveränität auseinandersetzten: Russen und Tschetschenen, Georgier und Abchasier, Armenier und Aserbaidschaner - um nur einige zu nennen.
Berkemer war begeistert von den Veränderungen in Georgien, - der "Rosenrevolution" 2003 - durch die der ehemalige Regierungschef Eduard Shevardnadze abdanken musste. Berkemer träumte daraufhin von einer gegenseitigen Durchdringung von Musik und Politik. Sein Kaukasisches Kammerorchester sollte die besten Musiker Georgiens, Armeniens, Aserbaidschans und die des Nördlichen Kaukasus in Russland zusammenbringen.
Als Berkemer Unterstützung in den verschiedenen Ministerien der Länder suchte, machte er die Erfahrung, dass nicht jeder mit ihm darüber übereinstimmte, dass die Musik auf die ethnischen Debatten Einfluss nehmen sollte. Georgien war sofort bereit zu unterzeichnen. Armenien folgte Georgien bald, trotz anfänglicher Zweifel, da zwischen Georgiern und ethnischen Armeniern in der Region Javakheti in Georgien Spannungen herrschen. Jedoch gab es keine Reaktion aus Aserbaidschan. Nach fünf Monaten und etlichen Bemühungen von Berkemer, von der Europaïsche Union und von Diplomaten, kam endlich ein Antwort. Der aserbaidschanische Kultur-Minister Polad Bulbuloglu, ein ehemaliger Popstar der Sowjetunion, äußerte, dass aserbaidschanische Musiker nicht teilnehmen können. "Es wäre unbegreiflich, sie mit armenischen Musikern auftreten zu lassen", schrieb er; zudem haben armenische Kräfte die Enklave von Nagorno-Karabakh besetzt.
Berkemer hat schließlich fünf Musiker aus Armenien, 10 aus Georgien und einen aus Dagestan eingestellt. Dagestan ist eine größtenteils muslimisch bevölkerte Region in Russland, an der Grenze zu Tschetschenien. Ein Kammerorchester sollte 16 bis 19 Musikern haben, "so sparen wir drei Sitze - für die Aserbaidschaner", sagte Berkemer, " wenn sie bereit sind, sich uns anzuschließen".
Das nächste Problem für das Orchester war, wie dieses sein Debut gestalten sollte. Berkemer und sein Personal entschieden, eine Feier in Batumi - der adscharischen Hauptstadt am Schwarzen Meer - zu organisieren. Warum Batumi? Die Stadt liegt an der Küste, Palmen säumen die Straßen und ein mildes, nasses Klima schafft ein entspanntes, tropisches Gefühl. Zudem ragen immer noch große Wohnblöcke aus der Sowjetzeit über die Strandcafés hinaus, die auf eine gemeinsame Geschichte auch in den anderen Regionen verweißt. Die Besucher werden daran erinnert, dass dieser einst legendäre Kur- und Erholungsort auch ein Ort schwerwiegender Veränderungen im letzten Jahrhundert gewesen war - vor allem die letzten Jahre hinterließen auch ihre Spuren.
Es ist gerade etwas mehr als ein Jahr her, als Aslan Abashidze, der Adscharien, wie es im Kaukasus nicht selten vorkommt, für 13 Jahre sezessionistisch regierte, als ob es sein privates Königreiche wäre. Als der neue Präsident Georgiens, Mikhail Saakashvili die nationale Souveränität über Adscharien wiedererlangte, musste Abashidze das Land verlassen. Als Adscharien den neuen Kultur-Minister Alexandre Gegenava ins Amt brachte, wurde das örtliche kulturelle Leben umgestaltet. "13 Jahre lang hatte Abashidze alles kontrolliert, um es seinen eigenen Interessen unterzuordnen", sagte Gegenava. "Normale Leute konnten Konzerte nicht besuchen. Es waren immer nur die gleichen Leute: seine Minister, seine Bodyguards und seine Vasallen". Gegenava, der während der Sowjetzeit in der kulturellen Verwaltung tätig war, sagte, dass er in der Amtszeit Abashidze nicht fähig war, das Theater zu besuchen." Daraufhin hatte sich Berkemer sehr gewundert, dass das Erscheinen seines Orchesters und das Festival in Batumi insgesamt verurteilt wurde. Er rechnete damit, in leeren Hallen zu spielen.
Der 11. August ermutigte ihn jedoch. Das Batumi-Theater, das ungefähr 500 Zuschauer faßt, war zu zwei Dritteln gefüllt. Und die Unterschiedlichkeit des Publikums wäre überall in der Welt aufgefallen: eine Melange aus Kindern und Erwachsenen, aus den offiziellen Persönlichkeiten aus Tbilisi, aus Deutschland und aus Großbritannien, aus einem lokalen Priester; und dazwischen die vielen sonnengebräunten Touristen. Das Orchester spielte die "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi und die "Serenade für Streichorchester" von Tchaikovsky. Marina Iashvili, eine prominente Violinen-Solistin der Sowjetzeit trat zusammen mit dem Orchester auf. Die jungen Orchestermitglieder - viele von ihnen kamen frisch vom Konservatorium aus Tbilisi und aus Jerevan in Armenien - waren begeistert, als das Publikum vier Zugaben verlangte.
Daraufhin gewann Berkemer viele Anhänger. Ein Europäer mit weißblondem Haar war umringt von schwarzhaarigen und dunkeläugigen Kaukasiern, die die unoffizielle Hymne Georgiens ("Suliko" ) sangen. Für ein "Konzert für den Frieden", wählte Berkemer dann die "Lachrymae" von Britten und die "Trauermusik" von Hindemith (Beerdigungsmusik). Hindemith sollte deshalb gespielt werden, da der Komponist aus dem Nazi-Deutschland verbannt wurde, denn Goebbels hatte ihn als einen "atonalen Krachmacher" denunziert. Die Erfahrungen des Komponisten als Flüchtling führten zu einer melancholischen Qualität seiner Komposition, die Berkemer den kaukasischen Kriegenleidenden respektvoll widmete.
Das Vocal-Ensemble Largo präsentierte ebenfalls in dieser Nacht bei Kerzenschein im Kunstmuseum Lieder aus Tschetschenien, aus Ossetien und anderen Regionen Georgiens. Das staatliche Vocal-Ensemble von Batumi führte die charakteristische a cappella-Tradition eines georgischen Männerchores auf.
Batumis Einwohner waren begeistert über das Kaukasische Kammerorchester, jedoch haben sie weiterhin gemischte Gefühle, was die Lösung der ethnische Konflikte in der Region angeht. Giorgi Masalkin, Stellvertreter im Obersten Rat Adschariens und Professor für Philosophie an Staatlichen Universität von Batumi, hatte seine junge Tochter zu den Konzerten mitgenommen. "Ich will, dass sie die Ähnlichkeiten zwischen Leuten sieht," sagte er. "Sie soll die Gemeinsamkeiten zwischen den Nachbarn kennenlernen - in 50 Prozent der Fälle sind es gute Beziehungen."
Full Text: Music: Caucasus' orchestra for peace (International Herald Tribune)
Other Article by Meline Toumanie: Hoping Music Is the Food of Peace, an Orchestra Plays On
Saturday, August 27, 2005
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