Wie auch bei früheren Verletzungen des internationalen Rechtes und der Souveränität Georgiens seitens Moskau blieb die Reaktion Europas aus. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, gab beschämt zu, dass sie über die Raketen vom russischen Außenminister Lavrov erfuhr. Auch die USA begrenzten sich mit kurzem Murmeln des Botschafters in der russischen Hauptstadt: „Die USA haben davon längst gewusst“. Doch was Europäern und Amerikanern als ein bedauerliches, aber dennoch zu ignorierendes Ereignis erscheint, kann ein Baustein in Russlands geopolitischer Strategie sein. Diese könnte für den Kaukasus und seine benachbarten Regionen gefährlich werden und die Gegend in eine neue Runde der Krisen und Konflikte stürzen. Und für den Westen könnte das ebenfalls extrem negative Konsequenzen haben und ihre eigenen geostrategischen Interessen beeinflussen.
Kaukasus – die gelenkte Instabilität
Die russische Intervention in Georgien betrachten viele Politiker in Europa als ein Missverständnis oder gar als die “gerechte“ russische Antwort auf die “unbedachten“ Bemühungen der georgischen Regierung, den von Russland geschürten Separatismus in Abchasien und Samatschablo (Südossetien) einzudämmen - man darf eben den Bären nicht reizen, selbst wenn der Bär bereits wütend ist. Doch sie übersehen einen kontinuierlichen Trend in der aktuellen russischen Außenpolitik, der von drei Prinzipien bestimmt wird: Die globale Politik darf nicht von einer Supermacht, sprich den USA und dem Westen, dominiert werden. Um den Einfluss der Supermacht auszugleichen, darf man kurz- und mittelfristige Allianzen mit anderen Machtpolen und Regionalspieler schmieden. Der postsowjetische Raum muss wieder zu einem exklusiv russischen Einflussgebiet werden.
Durch die kontinuierliche Zerstückelung und Schwächung Georgiens, macht Russland auch dem Streben Aserbaidschans, sich an den Westen zu binden, ein kurzes Ende, denn Georgien ist der Anschluss Aserbaidschans ans Schwarze Meer und an Europa. Im Nachbarland Armenien sind die russischen Truppen sowieso seit Jahrzehnten stationiert, und die Landeselite sieht im Moment keine Alternative der militärpolitischen Allianz mit Russland im Ramen der “ODKB“ (Organisation des Vertrages für Kollektive Sicherheit). Würde es Moskau gelingen, in Georgien die Oberhand zu gewinnen, geriete der gesamte kaukasische Korridor mit seinen für Europa wichtigen Verbindungen zu Zentralasien einschließlich der Öl- und Gaspipelines unter seinen Einfluss. Am liebsten hätten es die Machthaber in Kreml, wenn die ganze Energielieferung vom kaspischen Raum nach Europa ausschließlich über Russland liefe. Um das zu erreichen, versucht der Kreml eine Situation der permanenten Instabilität in der Region zu etablieren. So liefert Moskau seit Jahren die Waffen und Militärausrüstung an Armenien. Aber auch sein Erzfeind um das strittige Gebiet Bergkarabach in Aserbaidschan bekommt zwecks “Ausgleichs“ dieselben bedeutenden Systeme wie z.B. Luftabwehrraketen vom Typ S-300. Doch wenn man den russischen Außenminister Lavrov am 19.August in der armenischen Hauptstadt nach diesen dicken Geschäften fragte, antwortete er heuchlerisch – Russland werde keine Waffen in irgendwelche Region der Welt verkaufen, wenn es zur Destabilisierung führen werde. Die Militarisierung des Kaukasus macht den brüchigen Frieden in der Region noch instabiler. Und im Falle des Wiederaufflammens des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan, wäre Moskau “gezwungen“, seinem Alliierten Armenien zu Hilfe zu eilen – so wird zumindest in frisch unterschriebenem Vertrag festgelegt. Der Aufmarsch liefe allerdings durch georgisches Gebiet. Manchen mag dieses Szenario unrealistisch erscheinen, doch Anfang August gaben die russischen Militärs die Gründung eines Sonderkommandozentrale der Armee bekannt – des Vereinigten Strategischen Kommandozentrums “Jug“ (zu Deutsch – Süden) – das vor allem Georgien ins Visier nehmen werde. Auch einige neue U-Boote mit “Klab“-Präzisionsraketen wurden für die Schwarzmeerflotte bestellt. Die Ziele der Raketen befinden sich in Georgien,erklärten die russischen Militärs.
The Greater Middle East
So könnte man die russische Politik im Kaukasus als Kontaminierung der Amerikanischen Strategie in der gesamten Region des Greater Middle East verstehen. In Moskau weiß man genau, dass selbst solch ein Koloss wie die USA nicht in der Lage ist, noch mehr Kriege als die im Irak und in Afghanistan zu führen. Und das andere Problem – das Verhältnis zum Iran - wird immer explosiver. Die permanente Unruhe im Nahen Osten und die Störung der Öllieferungen vom Persischen Golf würden die Öl- und zum Teil die Gaspreise in die Höhe treiben. Das russische Budget wird zu zwei Dritteln durch den Export der fossilen Energieträger bestritten. Es ist nicht übertrieben. dass die sozialwirtschaftliche Stabilität und damit die Zukunft Russland gerade von diesem Faktor abhängt. Trotz aller Änderungsversuche seitens der Regierung hat die russische Wirtschaft immer noch ziemlich primitive Struktur: die Hi-Tech Industrie ist erschreckend gering entwickelt, umso höher ist es die Rohstoff-Industrie. Russland degeneriert langsam zum Rohstofflieferanten modernerer Länder und Wirtschaftsregionen. „Unser Land braucht Modernisierung“, - wiederholt der russische Präsident Medvedev zum zigsten Mal und trommelt alle seine Manager, noch nicht verhaftete Oligarchen und Industrievetreter zusammen, um das russische Silikon-Valley aufzubauen: das Projekt Skolkovo. Doch jeder weiß mittlerweile, dass diese Modernisierung einerseits nur mit westlicher Hilfe und anderseits nur zusammen mit der politischen Liberalisierung des Landes zu erreichen wäre. Ohne wirtschaftspolitische Modernisierung ist die Zukunft Russlands erledigt, bevor sie kommt. Und die Liberalisierung Russlands würde das Ende der jetzigen Putinischen Machtelite selbst bedeuten. Genau deswegen erklärt Alexander Dugin, der Hauptideologe der neurussischen Geopolitik, den Westen und das westliche Gesellschaftsmodell als für mit Russland inkompatibel. Es ist eine schwierige Wahl für Putin und seinen Freund Medvedev. Es sieht aber so aus, als würden beide letzte Chancen ausnützen, für Russland so viel Einfluss wie möglich zu sichern, bevor es diesen mit einer unvermeidlichen Integration mit Westen endgültig aufgeben muss. Iran bekommt für Milliarden Dollar Waffen geliefert, die die Luftangriffe auf seine Atomindustriezentren erschweren sollten. Syrien wird ebenfalls reichlich beliefert – mit Panzer- und Luftabwehrraketen, die später bei der Hisbollah auftauchen und gegen Israel eingesetzt werden. In der Vollversammlung der Vereinten Nationen stimmte die russische Delegation zwar für die Sanktionen gegen den Iran. Im Lande selber aber arbeiten russische Spezialisten weiter dan der Inbetriebnahme der Busher-Nukleranlage.
Im Falle eines Krieges gegen Iran würde Russland nicht nur einen rein finanziellen Gewinn einstreichen, sondern auch einen geopolitischen - auf Kosten des Kaukasus. Schon jetzt ist Europa halb taub gegenüber Georgiens Hilferufen und zieht es vor, seinen eigenen Friedensplan von 12. August 2008 zu vergessen. Wenn die Russen mit ihrer aggressiven Expansionspolitik tatsächlich bis an die iranischen Grenzen gelangen sollten, können die Amerikaner und Europäer eine Lösung der Probleme mit dem Iran glatt vergessen.
Friday, October 22, 2010
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