Samstag, 29.6. und Sonntag, 30.6.2013
RETROSPEKTIVE MICHAIL KALATOSOW - Vier Meisterwerke des
sowjetischen Films
Im Filmforum im Museum Ludwig, Köln
Im Filmforum im Museum Ludwig, Köln
Michail Kalatosow (georgisch: Micheil Kalatosischwili)
wurde am 28. Dezember 1903 in Tbilissi (Tiflis), Georgien geboren. Er
studierte Wirtschaftswissenschaften, war Schauspieler, Cutter, Kameramann und
zu Beginn seiner Karriere drehte er Dokumentarfilme. Nach seinem Meisterwerk
DAS SALZ SWANETIENS (1930) warfen die sowjetischen Behörden ihm vor, im
Widerspruch zur Staatsideologie zu stehen. Kalatosow durfte acht Jahre lang
keine Filme mehr drehen und beschränkte sich auf Verwaltungsaufgaben in der
georgischen Filmindustrie.
1936 wurde er für „Formalismus“ angeklagt und verhaftet.
Letztendlich rettete der Regisseur sich selbst, verließ Georgien und wanderte
nach Russland aus. 1939 wurde Kalatosow für eine kurze Zeit sowjetischer
Filmattaché in Los Angeles. In den 1940er Jahren findet man seinen Namen neben Stalin.
Seine Propagandafilme retteten Kalatosow nicht nur vor der Verbannung nach
Sibirien, sondern machten ihn überdies zum stellvertretenden Minister der
sowjetischen Kinoindustrie (1946-1948).
Mit seiner poetischen Ballade DIE KRANICHE ZIEHEN von
1957, gelang es Kalatosow dem sowjetischen Film in der ganzen Welt sein Ansehen
wiederzugeben. DIE KRANICHE ZIEHEN wurde einer der größten Kinoerfolge im
Westen: 1958 erhielt der Film in Cannes die „Goldenen Palme“, die Kalatosow
nicht persönlich entgegennehmen durfte. Sartre, Picasso, Chaplin, Fellini und
Kurosawa hielten ihn für einen der bedeutendsten Filmschaffenden. Aber er wurde
nie in einem Zug mit Eisenstein, Dowschenko oder Pudowkin genannt.
1963 äußerte Kalatosow den Wunsch, einen Film über die
Revolution in Kuba zu drehen. Der Kreml hatte keinerlei Einwände. Das Filmteam
wurde in Kuba sogar auf höchster Ebene empfangen. Sowohl die sowjetische, als
auch die kubanische Regierung erhofften sich, dass der Cannes-Festival
Preisträger einen antiamerikanischen Film drehen würde. Aber Kalatosow drehte
alles andere als einen antiamerikanischen Film. Bei der Premierenfeier von ICH
BIN KUBA verließen die Vertreter des Staatsapparats den Saal. Der Film, der
ästhetisch ganz in der Tradition des großen sowjetischen Revolutionskinos eines
Eisenstein oder Pudowkin steht, landete kurze Zeit später im Moskauer
Filmarchiv. In seinem letzten Lebensabschnitt produzierte Kalatosow DAS ROTE
ZELT, einen aufwändigen Abenteuerfilm. Michail Kalatosow starb am 27.März 1973
in Moskau.
Interessant an Kalatosows Filmschaffen, das im Ausland
nur echten Kennern bekannt war, ist vor allem das innovative Potential. Auf
viele Filmschaffende, wie etwa Michael Ballhaus, hat er vielleicht sogar
entscheidenden Einfluss ausgeübt.
Die Retrospektive ist chronologisch aufgebaut und
präsentiert vier Filme, die Michail Kalatosow im Laufe seiner umstrittenen
Schaffenszeit vollendete, wobei der Schwerpunkt auf seinen letzten Werken
liegt.
(Irina Kurtishvili)
Samstag, 29.6. 19.00 Uhr
DAS SALZ SWANETIENS / Jim Shvante
UDSSR / Georgien 1930, 60 Min, 35mm, stumm, Regie und
Kamera: Michail Kalatosow, Stummfilm mit Klavierbegleitung Der Film ist ein
ethnographischer Bericht über die isolierte Bergregion Swanetien im Kaukasus.
In seinem schönen, herben und mitunter grausamen Werk, lässt uns Kalatosow eine
archaische Gesellschaft betrachten und tut dies mittels Montage und visuell
betonter Filmsprache, den klassischen Mitteln der sowjetischen Filmkunst.
Beeindruckend ist die Kraft der entfesselten Kamera. Die Bildspannung erwächst
aus dem Kontrast zwischen den grandiosen Aufnahmen der kaukasischen Bergnatur
und den durch Armut und Aberglauben gekennzeichneten Dorfbewohnern. Die
Thematik über den Sinn des Lebens widersprach in diesem Film den Dogmen des
sozialistischen Realismus.
Samstag, 29.6. 21.00 Uhr
DIE KRANICHE ZIEHEN / Letjat Zhuravli (1957) UDSSR 1957,
90 Min, 35mm, OmU, Regie: Michail Kalatosow; Kamera: Sergej Urusevsky, mit:
Tatjana Samoilowa, Alexej Batalow DIE KRANICHE ZIEHEN wurde 1958 in Cannes mit
dem Hauptpreis prämiert.
Man sprach damals von einer „Kinorevolution“ in Russland.
Der Film überraschte nicht nur durch seine Form, eine bewegte, unkonventionelle
Kamera, die an die expressive Bildsprache des sowjetischen Stummfilms
erinnerte, sondern auch durch seine Geschichte. Der Film zeigt das Schicksal
des Liebespaares Veronika und Boris, deren Heiratspläne der zweite Weltkrieg
zunichte macht.
Für die Sowjetunion war es etwas Neues, beim Thema Krieg
das persönliche Leid anstatt des heldenhaften Kampfes für das sozialistische
Vaterland in den Mittelpunkt zu stellen. Nach einer Umfrage unter Cineasten der
ehemaligen Sowjetrepubliken im Jahr 2001 wurde DIE KRANICHE ZIEHEN zum „besten
sowjetischen Film aller Zeiten“ gewählt.
Sonntag, 30.6. 17.00 Uhr
ICH BIN KUBA / Soy Cuba Ya Kuba
Enrique Pineda Barnet, Yewgeni Yewtuschenko, Kamera:
Sergej Urusevsky,
mit: Sergio Corrieri, Salvador Wood, José Gallardo, Raúl
García Vier Episoden über die kubanische Revolution und ihre Folgen. Der Film
beschreibt die Zeit in einer phänomenalen Bildsprache, in atemberaubenden
Kamerabewegungen und einer Montage, die aus dem Vollen der klassischen
sowjetischen Filmkunst schöpft. ICH BIN KUBA provoziert Staunen und sinnliche
Lust, erzählt von Rache und Niederlagen, von Sehnsüchten und sexueller
Anziehung. Der Film stieß bei seinem Kinostart Mitte der sechziger Jahre auf
Ablehnung beim kubanischen Publikum und nach den feierlichen Premieren
verschwand der Streifen im Moskauer Filmarchiv. Der legendäre Klassiker wurde
in den neunziger Jahren von Martin Scorsese und Francis Ford Coppola
wiederentdeckt.
Sonntag, 30.6. 20.00 Uhr
DAS ROTE ZELT / Krasnaya Palatka La Tenda Rossa UDSSR /
Italien 1970, 120 Min, DVD, OmeU, Regie: Michail Kalatosow,
Drehbuch: Richard De Long Adams, Ennio De Concini,
Kamera: Leonid Kalaschnikow, Musik: Enrico Morricone, Aleksandr Zatsepin, mit:
Sean Connery, Peter Fintch, Claudia Cardinale, Hardy Krüger, Massimo Girotti,
Mario Adorf Die Filmgeschichte basiert auf einer wahren Begebenheit aus dem
Jahr
1928: Der tragische Absturz des Luftschiffs „Italia“ am
Nordpol. Doch die Überlebenden können sich in ein Zelt retten, welches sie rot
anstreichen, um vielleicht doch entdeckt zu werden. Das Drama in der Eiswelt
dauerte 109 Tage. In seiner Erinnerung lässt der bekannte italienische
Konstrukteur, General Umberto Nobile, die dramatischen Ereignisse wieder
aufleben und löst das Rätsel seiner verunglückten Expedition. Ein mitreißender
Abenteuerfilm mit internationaler Starbesetzung und außergewöhnlichem
technischem Aufwand.
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