Reihe: VERÄNDERUNGEN IN TBILISIS STADTLANDSCHAFT
Teil 1: BUNTE MÜLLKÖRBE ÜBERALL
von Birgit Kuch und Nicolas Landru
Seit der Rosen-Revolution scheint jeder Herbst eine tiefe Veränderung in der urbanen Landschaft der georgischen Hauptstadt anzukündigen. Letztes Jahr hatten pensionierte niederländische Autobusse die Marschrutkas, jene als improvisierte kollektive Taxis umgebauten VW-Busse, aus dem Stadtzentrum vertrieben. Die gelben Busse waren ein prunkvolles Geschenk der aus Holland stammenden First Lady, Sandra Saakaschwili. Wer hat dieses Jahr die grünen (und manchmal auch orange-farbigen) Müllkörbe, die den Rustaweli Prospekt kurz vor der Lokalwahl überschwemmt haben, der Hauptstadt an der Kura geschenkt?
Diese aus Deutschland vertrauten Behälter waren das erste, was uns bei unserer Ankunft in Tbilisi Mitte Oktober aufgefallen ist. Und sie hängen nicht nur im Zentrum: Als unser Freund Giorgi seine Liebste nach Hause brachte, nachdem er uns vom Flughafen abgeholt hatte, sahen wir die Mülltonnen auch in Vasisubani, eine der heißen Vorstädte. Und: sie werden auch benutzt. Im Vergleich zum letzten Herbst sieht Tbilisi sauberer aus, die Müllabfuhr kommt öfter, sogar Kehrmaschinen sind im Einsatz. Auch die Straßenkehrerinnen haben sich verjüngt und tragen jetzt orange-reflektierende Westen, damit man sie besser im Dunkeln sieht.
Tbilisi ist also bunter geworden, obwohl die Initiative der First Lady, überall Blumenrabatten anzulegen, abseits des Rustaweli Prospekts ein wenig versandet zu sein scheint. Statt Tulpen also Plastik: Die farbigen Behälter zählen für den Passanten zu den heiteren neuen Attraktionen der Stadt: sonst nackige Straßenlaternen oder früher graue Mauern werden meist als Anbringungsorte benutzt; die zahlreichen Farbkleckse hängen – vor allem außerhalb des Stadtzentrums – ein bisschen da, wo sie können, manchmal an schwierig erreichbaren Stellen, oder fast zwei Meter über dem Boden. Auch wenn Tbilisi immer moderner wird, behält die Stadt weiterhin ihre Eigenarten.
Während die gelben Busse wegen der Liebe der Hauptstädter zu ihren früheren schnellen Marschrutkas mit gemischten Gefühlen empfangen werden, könnten die bunten Müllkörbe vielleicht ein Symbol der modernen Identität in der Ära nach der Rosen-Revolution in Georgien werden. Ein georgischer Freund von uns, Levan, sagt: „von Baku hatte ich nur gehört, das es die modernste Stadt im Kaukasus sei. Als ich dort war, habe ich erkannt, das dies überhaupt nicht der Fall ist: sie haben gar keine Mülltonnen!“ Letzten Winter vertraute uns Armen, ein armenischer Freund aus Tbilisi, seinen Stolz darauf an, dass Eriwan viel sauberer als Tbilisi sei…
Ein Symbol des Fortschrittes und der Moderne: Im Zusammenhang der Konkurrenz zwischen den drei süd-kaukasischen Hauptstädten, stellt Müllentsorgung ein entscheidendes Argument dar, was den Entwicklungsstand betrifft. Und unser Freund Beso sagt: „Eigentlich wäre es schön, wenn es jedes Jahr Wahlen gäbe, denn dann gäbe es in unserer Stadt viel öfter schöne Überraschungen.“
Sunday, November 05, 2006
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