Zu den bedeutenden siebenbürgischen Forscherpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, die fern von ihrer Heimat zu Ruhm und Anerkennung gelangten, gehört auch der Kronstädter Friedrich Bayern (1817-1886), dessen umfangreiche naturwissenschaftlichen Sammlungen die Gründung des kaukasischen Museums in Tiflis ermöglichten. Ab 1864 widmete er sich hier vorrangig archäologischen Untersuchungen und wurde durch seine erfolgreiche Tätigkeit auf diesem Gebiet zum Begründer der prähistorischen Forschung im Kaukasus- und Araratgebiet.
Friedrich Bayern, der eigentlich Bayer hieß und sich später in Bayern umbenannte, wurde am 20. Oktober 1817 in Kronstadt geboren. Hier besuchte er die Volks- und Realschule. Zur Förderung seiner schulischen Ausbildung bekam er 1827 einen Erzieher, der ihn in die Beobachtung der Natur einführte. Auf Exkursionen vermittelte ihm sein Lehrer Hiemesch mineralogische Kenntnisse, während Lehrer Wolf ihn die Technik des Sammelns und Präparierens von Pflanzen und Insekten lehrte. 1832 beendete er die Realschule. Nachdem er Kaufmann werden wollte, besuchte er in den folgenden zwei Jahren verschiedene Kronstädter Handelshäuser, um sich auf seinen künftigen Beruf vorzubereiten. Im Sommer 1834 begann er seine kaufmännische Ausbildung beim Kaufmann Bömches in Kronstadt, der ihn zu seiner Ausbildung in sein Geschäft nach Bukarest schickte. Im März 1838 legte er in Kronstadt seine Kaufmanns-Prüfung ab, übersiedelte dann nach Hermannstadt, wo er 14 Monate als kaufmännischer Angestellter tätig war. Nach einem kurzen Aufenthalt bei seiner Familie in Kronstadt übersiedelte Bayern im Herbst 1839 nach Bukarest, wo er bis 1842 die Führung eines Geschäftes übernahm. Danach war er hier bis 1845 als Privatlehrer tätig. – Die Behauptung von Dr. Erduard Gusbeth (1890), dass Bayern den Beruf des Apothekers erlernt und in Bukarest als solcher einige Jahre konditioniert hätte, ist demnach nicht zutreffend. Nicht einmal eine „Apothekerlehre“ wäre bei ihm zeitlich möglich gewesen. In seiner Biographie bedauert Bayern, dass er in Kronstadt nicht die Honterusschule absolvierte, weil dieser Abschluss ihm den Zugang zur Universität eröffnet hätte.
Als Schulmann und Naturforscher in Odessa (1845-1850)
Im Januar 1845 entschloss sich Bayern, eine Reise nach Russland und in die Türkei durchzuführen. Bereits in Jassy erkrankte er schwer und musste drei Wochen in einem Krankenhaus zubringen. Halbwegs genesen setzte er seine Winterreise fort und kam schließlich in Odessa an. Hier unterbrach er zunächst seine Weiterreise und widmete sich seiner weiteren Genesung. Zufällig lernte er hier den Direktor einer Privatschule kennen, der ihn als Sprachlehrer anstellte. In seiner Freizeit erforschte er die Küstenlandschaft von Odessa und richtete mit den heimgebrachten Sammelstücken in dieser Schule ein kleines Museum ein. Glücklicherweise lernte er hier den Anatom Nordmann kennen, der Bayern als „Autodidakt“ beim Bestimmen seiner Sammlungsstücke (Knochenfunde) behilflich war. Ebenfalls dieser machte ihn mit europäischen Käferforschern bekannt, die sich vorübergehend in Odessa aufhielten und die an ihm als Exkursionsführer in diesem Gebiet interessiert waren. Dafür führten diese ihn in die wissenschaftlichen Methoden des Sammelns und Bestimmens ein und halfen ihm auch beim Bestimmen seiner Käfersammlung. Seit dieser Zeit bezeichnete sich Bayern als „Naturalist“.
Als Naturforscher und Archäologe in Tiflis (1850-1886)
Von dem damals noch wenig erschlossenen Kaukasusgebiet fasziniert, entschloss sich Bayern 1850 von Odessa nach Tiflis zu übersiedeln. In Tiflis eröffnete er zunächst eine Buchhandlung und hoffte, hier vom Buchhandel leben zu können. Seine diesbezügliche Hoffnung ging jedoch nicht in Erfüllung.
Im Herbst 1851 kam der Naturforscher Abich nach Tiflis, den Bayern kennen lernte und der ihn als Forschungsreisenden einer Gesellschaft empfahl, die in Tiflis ein Museum einrichten wollte. Gemeinsam wurde vereinbart, dass Bayern auf Kosten dieser Gesellschaft eine Sammelreise durchführen und mit den mitgebrachten Sammlungen das neue Museum einrichten sollte. Reisekosten und das Honorar für die mitgebrachten Sammlungen wurden vereinbart. Im Frühsommer 1852 begann Bayern die vereinbarte Forschungsreise und kehrte im Herbst dieses Jahres mit reichen Sammlungen, aber auch schwer krank nach Tiflis zurück. Als er nach einigen Tagen halbwegs genesen das Krankenhaus verlassen konnte, um mit der Museumseinrichtung zu beginnen, fand er nicht nur ein instand gesetztes Museumsgebäude vor, sondern es wohnte auch schon ein Direktor darin. Somit war die mit Bayern vereinbarte Museumseinrichtung nicht mehr notwendig. Maßlos enttäuscht blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Sammlungen beim schon vorhandenen Direktor abzugeben, damit das Museum eingerichtet werden konnte.
Noch enttäuschender für Bayern war jedoch, dass ihm von der Museumsgesellschaft auch die Auszahlung des vereinbarten Honorars für die mitgebrachten Sammlungen verweigert wurde. Es folgten Jahre, die durch größte Armut, Entbehrung und Krankheit gekennzeichnet waren. Lediglich durch geringe Einkommen als Reiseführer und den Verkauf von kleinen Sammlungen konnte er überleben. Dennoch setzte Bayern in diesen Jahren seine Sammeltätigkeit unvermindert fort, so dass sich seine Sammlungen zunehmend vergrößerten. Erst als er 1856 von einem Oberst als Hauslehrer angestellt wurde, ging es ihm wieder deutlich besser.
Im Frühjahr 1859 kam der Naturforscher Abich wieder nach Tiflis und vermittelte Bayern eine Stelle als Konservator am „Museum der Geographischen Gesellschaft“ dieser Stadt. Als solcher wurde er beauftragt, eine Forschungsreise nach Armenien durchzuführen, während der er am Nordhang des Ararat wertvolle prähistorische Funde machte.
Seine großen naturwissenschaftlichen Sammlungen (Insekten- und Gesteinssammlungen, Herbarien) hat er teils dem kaukasischen Museum in Tiflis geschenkt, größerenteils aber wurden ihm diese während seinen Forschungsreisen in den Jahren 1863/64 vom Museum einfach weggenommen, was ihn ebenfalls zutiefst enttäuschte. – Allein der Katalog seiner Käfersammlung in Tiflis wies damals 28000 Käfer nach. Teile seiner Sammlungen befinden sich aber auch in Privatsammlungen und in den Museen in Moskau, Petersburg und Wien.
Erst als er sich ab 1864 verstärkt der Archäologie der Kaukasusländer zuwandte, wurde er über die Grenzen Russlands hinaus bekannt. Obwohl auch auf diesem Gebiet Autodidakt, war er zu jener Zeit der beste Kenner der ethnographischen und prähistorischen Verhältnisse des Kaukasus- und Araratgebietes. Der französische Archäologe Ernest Chantre, der Bayern 1879 als Reiseführer kennen lernte, schreibt diesbezüglich: „Keiner, der irgendwelche Forschungen in diesen Ländern vornehmen wollte, konnte seinen Rat entbehren, am allerwenigsten auf archäologischem Gebiet“.
Auf seinen zahlreichen Forschungsreisen hat Bayern viele Grabstätten entdeckt und an deren Ausgrabungen mitgewirkt. Aus einem um ihn entstandenen Freundeskreis der Archäologie ging die „Gesellschaft der Altertumsforscher des Kaukasus“ hervor, und somit wurde Bayern zum Begründer der prähistorischen Forschung im Kaukasus- und Araratgebiet. Diese Gesellschaft gründete auch ein Museum, dessen Verwalter er wurde. Auf Kosten dieser Gesellschaft unternahm er nun Grabungen, deren Ergebnisse zahlreiche Forscher in den Kaukasus lockten, zu denen auch der namhafte Berliner Pathologe Rudolf Virchow gehörte. Bei gemeinsamen Ausgrabungen auf den Totenfeldern von Mzchet (Samthavro) und Marienfeld (Sartaschli) lernte dieser ihn persönlich kennen und schätzen. Virchow schreibt diesbezüglich: „Man kann ohne Übertreibung von ihm sagen, dass er, ein lebendes Inventar der kaukasischen Altertümer, alle nennenswerten Tatsachen in seiner Erinnerung bewahrte“.
Ernest Chantre schreibt an anderer Stelle über ihn: „Als mich ein neuer Auftrag im Jahre 1881 in das Gebiet des Ararat und Kaukasus führte, konnte ich mir keinen besseren Führer als Bayern wünschen. (…) Während der langen Fahrten und Grabungen, der eingehenden und interessanten Gespräche lernte ich sein umfangreiches Wissen und seinen lauteren Charakter schätzen. Damals verwandelte sich meine Bewunderung für den gewissenhaften, ausdauernden, wahrhaft vielseitigen Gelehrten in aufrichtigste Zuneigung für den selbstlosen Menschen“. – Zu den bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit, mit denen Bayern in engerer Verbindung stand, gehörte auch die Schriftstellerin Bertha v. Suttner.
Im Alter schwer erkrankt, wurde er von seiner Schwester Luise, die ihm nach Tiflis gefolgt war, liebevoll betreut und gepflegt. Hier starb Bayern, schon fast erblindet, am 4. März 1886. Der 4. März dieses Jahres war somit sein 125. Todestag.
Nachwort
Friedrich Bayern war korrespondierendes Mitglied der „Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“ und Mitglied anderer wissenschaftlichen Gesellschaften. Über seine Forschungsergebnisse sind im Druck 17 Veröffentlichungen erschienen. Für seine außergewöhnlichen Verdienste ist er wiederholt ausgezeichnet worden. 1862 erhielt er das Kaukasische Kreuz, in den Jahren 1864-1870 Medaillen der Ausstellungen in Moskau, Tiflis, Paris und Petersburg. Während der Weltausstellung 1873 in Wien wurde ihm von der österreichischen Regierung der Franz Josef-Orden verliehen. – Ein Teil seiner Manuskripte blieb unveröffentlicht, darunter auch sein „Pflanzenkatalog des Kaukasus“.
Einen Teil seines Nachlasses, darunter auch ein Bild von ihm, brachte seine Schwester nach dessen Tod nach Kronstadt. Nach ihrem Tod gelangte dieser in die naturwissenschaftliche Sammlung der Honterusschule. 1937 wurde dieser Nachlass vom Burzenländer Sächsischen Museum in Kronstadt übernommen und ein Teil davon in einer Friedrich Bayern gewidmeten Vitrine, in der Abteilung „Bedeutende Kronstädter“ ausgestellt. Hier konnte dieser bis zur Schließung des Museums im Herbst 1944 bewundert werden.
Dr. Heinz Heltmann
www.siebenbuerger.de
Wednesday, April 13, 2011
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