Thursday, May 31, 2012

POLITIK: Oppositioneller Iwanischwili mobilisiert Massen. Zehntausende protestieren für "Georgiens Traum". Von Silvia Stöber (tagesschau.de)

(tagesschau.de) Er ist Milliardär und Chef der Partei "Georgiens Traum": Der Oppositionelle Bidsinia Iwanischwili setzt sich für die Demokratisierung Georgiens und den NATO-Beitritt ein. 80.000 Menschen kamen nach Tiflis, um ihn zum Auftakt des Wahlkampfes zu sehen und gegen Präsident Saakaschwili zu demonstrieren.


Zehntausende demonstrieren in Georgiens Hauptstadt Tiflis gegen Präsident Saakaschwili (Foto: REUTERS) (Klick führt weiter zum nächsten Bild)
Eine Demonstration mit Zehntausenden ohne Zwischenfälle am 27.052012. (Foto: REUTERS)
Viele Demonstranten waren gut gewappnet gegen die sengende Sonne auf dem Freiheitsplatz in Georgiens Hauptstadt Tiflis. Sie hatten sich die blauen Tücher oder auch weißen und schwarzen T-Shirts der Organisation "Georgiens Traum" um den Kopf gebunden. Viele fächelten sich mit blauen Papierfähnchen Luft zu, schwangen Flaggen mit dem Symbol von "Georgiens Traum", aber auch die georgische Nationalflagge, EU- und NATO-Flaggen. Sie füllten den Freiheitsplatz und den zentralen Rustaveli-Prospekt. So viele Menschen hatte die Opposition seit langem nicht mehr mobilisieren können.


Alle waren sie gekommen, um den Mann zu sehen, der die politische Bewegung in den vergangenen Monaten gegründet und damit in Georgien ein politisches Erdbeben ausgelöst hatte. Denn der Milliardär Bidsinia Iwanischwili scheint der erste oppositionelle Herausforderer zu sein, der der Regierungspartei von Präsident Michail Saakaschwili erstmals seit der Rosenrevolution 2003 ernsthaft Konkurrenz bereiten könnte. Viele Jahre sprachen die Menschen mit Bewunderung über Iwanischwili.


Es hieß, er habe den Bau von Kirchen, Museen und zahlreichen anderen öffentlichen Einrichtungen finanziert. Den Menschen in seiner Heimatregion Satschchere hatte er Strom, Gas, Dächer und manchem auch ganze Häuser bezahlt. Doch kaum jemand hatte ihn je gesehen - bis er im Herbst in die Öffentlichkeit trat und erklärte, er wolle Präsident Saakaschwili herausfordern. Seitdem setzt er auch sein Vermögen ein, um eine Opposition gegen die Regierungspartei aufzubauen. Er kaufte einen Fernsehsender, der nun in Konkurrenz zu den überwiegend regierungsnahen Fernsehstationen sendet.


Schmale Figur, unsichere Stimme


Die heutige Demonstration war gut vorbereitet. Hier und da tauchte die alte rot-schwarz-weiße Nationalflagge auf, ein Symbol für die Regierungszeit von Eduard Schewardnadse. Während die Menschen recht entspannt auf den Auftritt des Milliardärs warteten, fiel hier und da das Wort Schewardnadse. Zwar habe es damals meist keinen Strom und dafür viel Korruption gegeben, aber das Leben sei doch freier gewesen, erinnern sich ältere Frauen, die sich um die Bühne versammelt haben.


Als der Milliardär schließlich in der Menge auftauchte, riefen sie "Bidsina, Bidsina!" Wären nicht zahlreiche Kameras auf ihn gerichtet gewesen und viele Sicherheitsleute um ihn herum, er wäre mit seiner schmalen Figur kaum aufgefallen. Auf der Bühne wirkte seine Stimme zunächst unsicher, er sprach sehr schnell. In den Pausen war es still. Doch dann gewann er ein wenig an Fahrt. Hier und da flammten Sprechchöre auf, die Massen stimmten ein.


Demokratisierung, NATO-Beitritt, gute Beziehungen zu Russland


Iwanischwilis deutlichste Botschaft lautete in den vergangenen Monaten: Saakaschwili muss weg. Der Präsident regiere autoritär und kontrolliere alle Bereiche der Gesellschaft, insbesondere auch die Wirtschaft. Iwanischwili erklärte, er wolle eine Demokratisierung Georgiens, er wolle den NATO-Beitritt seines Landes, zugleich aber auch bessere Beziehungen zum feindlichen Nachbarn Russland. Wie er sich das konkret vorstellt, ließ er bislang offen. Auch die Auswahl seiner Verbündeten lässt wenige Schlüsse zu: Von westlich orientierten Demokraten über Nationalisten bis hin zu alten Kadern aus der Schewardnadse-Ära hat er Politiker um sich geschart.

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