(diepresse.com) Premier Bidsina Iwanischwili beteuert, keinen Einfluss auf die Justiz zu nehmen, und erklärt, wie er die Beziehung zu Moskau verbessern will.
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Die Presse: Ihre erste Auslandsreise führt Sie nach Brüssel. Wie ist es für Sie, als Premierminister Georgiens in Brüssel empfangen zu werden?
Bidsina Iwanischwili: Es waren herzliche und angenehme Treffen. Der Wunsch, in die europäische Familie aufgenommen zu werden, ist gewachsen. Denn ich habe Europa genau so vorgefunden, wie ich es mir vorgestellt habe.
Es wurden auch Bedenken geäußert. EU-Kommissionspräsident Barroso zeigte sich besorgt über eine selektive Justiz in Georgien. Vor wenigen Tagen wurden der Ex-Innen- und Verteidigungsminister Bacho Achalaia sowie zwei Armeegeneräle festgenommen.
Barroso hat Bedenken geäußert, aber keine sehr großen. Auch für mich ist es nicht angenehm, dass Achalaia verhaftet wurde. Ich habe Herrn Barroso erklärt, dass wir keine selektive Jurisprudenz haben.
Gegen den ehemaligen Minister Achalaia gibt es seit Jahren Vorwürfe, er habe Menschenrechte verletzt. Aber die Festnahme des Generalstabschefs der Armee, Giorgi Kalandadze, wirkt wie ein Machtkampf zwischen dem neuen Verteidigungsminister und Präsident Saakaschwili. Saakaschwili bestimmt den Generalstabschef, aber laut Medienberichten will der neue Verteidigungsminister einen Vertrauten auf diesen Posten berufen.
Es gibt keinen Machtkampf zwischen dem Verteidigungsminister und dem Präsidenten. Aber wir haben keinen Einfluss auf den Generalstaatsanwalt, der die Anklage erhoben hat. Wir wissen, dass er ein ehrlicher und akkurater Mensch ist. Wir haben auch eine sehr gute Justizministerin. Beide sind Musterbeispiele für Gerechtigkeit, Sauberkeit und Ehrlichkeit. Deshalb habe ich sie für diese Ämter ausgewählt. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Selbst wenn ich oder der große Gott die beiden auffordern würde, etwas zu tun, dann würden sie keinesfalls dem Gesetz zuwiderhandeln.
Aber ist es nicht problematisch, dass der neue Generalstaatsanwalt vorher Ihr persönlicher Anwalt war?
Er war so geradlinig und ehrlich, dass man überhaupt keinen Einfluss auf ihn hatte. Weil er so ist, habe ich ihn zum Generalstaatsanwalt gemacht. Ich bin mir sicher, dass er unabhängig handelt.
Während des Wahlkampfes haben Sie schwere Vorwürfe gegen Präsident Saakaschwili erhoben und ihm den Rücktritt nahegelegt. Wird es ein Impeachment-Verfahren gegen Präsident Saakaschwili geben?
Ich meinerseits habe nicht den Wunsch. Es wäre vor allem in Europa schwer nachzuvollziehen. Es würde aussehen wie politische Rache und nicht wie ein gerichtliches Verfahren. Wir haben bisher der Versuchung widerstanden und werden es weiterhin tun, um dem Land zu helfen, das Gesicht zu wahren. Aber ich kann die Justiz nicht von ihrer Arbeit abhalten.
Der Präsident wirkt im Moment recht schwach und Institutionen wie das Gerichtssystem sind nicht stark und unabhängig. Können Sie die Sorge verstehen, dass Sie wie bisher Präsident Saakaschwili die Macht nun in Ihren Händen konzentrieren könnten?
Meine Politik besteht nicht aus Heuchelei. Saakaschwilis Leute kamen, betrieben Geschäfte und raubten das Land aus. Ich dagegen habe zwei Milliarden für das Land ausgegeben und werde dies fortsetzen. Ich bin ein großer Demokrat. Ich bin strikt, prinzipientreu, geradlinig und klar. Deshalb besteht eine solche Gefahr nicht.
Sie warfen Saakaschwili vor, er und seine Verbündeten hätten den Wirtschaftssektor unter ihre Kontrolle gebracht. Wie wollen Sie anders handeln?
Ja, die Wirtschaft Georgiens ist monopolisiert. Ich vertrete einen liberalen Ansatz und bin für Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Mein wichtigstes Vorhaben ist die Schaffung von Jobs und Unternehmen. Dies wird sogar dazu beitragen, die Konflikte um die besetzten Gebiete Abchasien und Südossetien zu lösen.
Im Wahlkampf hatten Sie eine Verbesserung der Beziehung zum verfeindeten Nachbarn Russland angekündigt. Saakaschwili warf Ihnen vor, ein Handlanger Moskaus zu sein, unter anderem, weil Sie Ihr Vermögen in Russland gemacht haben. Nach der Wahl haben Sie einen Sondergesandten für Russland ernannt. Doch die Reaktion aus Russland war nicht sehr enthusiastisch.
Leider nicht. Ich war enttäuscht. Die Russen haben konkretere Schritte gefordert. Wir haben nichts Konkreteres anzubieten. Ich bin sicher, dass die Russen dies überdenken werden. Wir sind bereit dafür.
Planen Sie konkrete Schritte zur Verbesserung der Beziehungen zu den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien?
Wir setzen auf das Konzept „People Diplomacy“ (Kontakt zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Konfliktlinie, Anm.). Parallel dazu versuchen wir, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen. Und wir setzen die nach dem Krieg 2008 aufgenommenen Gespräche in Genf fort, an denen wir, Russland, Abchasien und Südossetien teilnehmen. Warten wir ab, wie sich diese entwickeln werden.
Haben Sie bereits Pläne für Ihre nächste Auslandsreise?
Ich werde voraussichtlich nach Washington reisen.
Als Sie vor einem Jahr in die Politik einstiegen, wurde Ihnen die georgische Staatsbürgerschaft aberkannt. Sie besaßen auch die französische Staatsbürgerschaft. Mit welchem Pass reisen Sie jetzt?
Ich besitze nur die französische Staatsbürgerschaft, und dies genügt laut Gesetz, um Premierminister zu sein. Würde ich wieder georgischer Staatsbürger werden, wäre das gegen das Gesetz, und ich würde als Premier abgesetzt. So sieht die georgische Verfassung aus. Das ist lächerlich. Das wird geändert – wie vieles andere auch.
Zur Person
Bidsina Iwanischwili (56) ist Unternehmer (Vermögen: ca. 6,4 Mrd. Dollar) und seit Oktober Premier der Kaukasusrepublik Georgien. Seine Partei „Georgischer Traum“ siegte bei der Parlamentswahl über die „Vereinte Nationale Bewegung“ von Präsident Michail Saakaschwili – wohl auch deshalb, weil kurz davor ein Folterskandal publik geworden war. Iwanischwilis erste Auslandsreise führte ihn nach Brüssel, wo das Interview stattfand. [AP]
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