Friday, January 24, 2014

KULTUR: Deutsche Siedlungen in Georgien. Von Hans- Ulrich Trosien (trosien.info)

(trosien.info) Da ich ja viel Zeit in Tbilisi hatte, machte ich endlich mal, was ich schon lange tun wollte. Ich hatte von deutschen Siedlungen, den Schwabendörfern gehört und gelesen und wollte dort einmal hin.

Bolnisi ist der wichtigste Ort. Um 1820 waren „radikale Pietisten“, die sich von der Landeskirche absonderten, aus Württemberg entflohen und siedelten dort. Damals hieß der Ort Katharinenfeld.


Lange waren sie aber nicht glücklich, denn muslimische Freischärler überfielen die Stadt und versklavten und töteten viele von ihnen. Als die Russen 1921 kamen, nannten sie den Ort Luxemburg. Später, 1941, in der Stalinära, wurden die Deutschen ohne georgische Ehepartner nach Sibirien und Kasachstan deportiert. 1944 wurde der Ort auf den heutigen Namen umgetauft.


Das Erbe der Deutschen wird von der evangelischen Gemeinde getragen. Das Geschichtliche kann man bei Bedarf aber besser und ausführlicher bei Wikipedia nachlesen.

Also startete ich morgens in das 30 Kilometer entfernte Asureti, um danach nach Bolnisi, noch weitere 30 Kilometer von Tbilisi entfernt, zu reisen.

Auf der Hauptkreuzung des Dorfes standen jede Menge Männer herum, die ich fragte ob ich hier richtig sei. Ja! Ich outete mich auch als Deutscher und einer der Truppe zeigte in eine Richtung und sagte immer Manfred. Da war aber nichts.

Ich stellte mir Manfred als einen steinalten Mann vor, der vielleicht gerade noch den Gruß der Kriegszeit beherrscht und ansonsten alles vergessen hat. Ich bedankte mich und fuhr erst einmal das Dorf ab. In Asureti war von schwäbischer Häuslebauer Mentalität nicht mehr viel zu spüren. Es ist reichlich runtergekommen. Die Straße endete kurz hinter der Kirche mit deutscher Inschrift über der Vordertür. Hintertüren gab es nicht, denn fleißige Sowjetbürger hatten in der Zeit der ruhmreichen Sowjetunion eine Art Werkstatt oder Garage direkt an die Kirche angeflanscht.

Das Dorf bietet leider bis auf wenige Lichtblicke ein Bild der Trostlosigkeit.

Als ich wieder zur Kreuzung zurückfuhr, stand der Mann, der von Manfred sprach, schon vor einem Haus. Ich hielt natürlich an und er rief dann nach dem ominösen Manfred. Erst tat sich gar nichts, dann wurden die Hunde im Haus wohl aufmerksam und meldeten sich. Es ging ein Fenster auf und ein Mann schaute heraus. Ich sagte so mehr fragend, dass er ja wohl noch etwas Deutsch spricht. Ja, ja. Kann er und ob ich reinkommen will. Ja gerne. Ok, bloß die Hunde sind so wild. Macht nichts, ich mag Hunde.

Also nachdem ich drei freudig erregte Hunde beglückt hatte, kam ich erst einmal dazu, den Hausherren zu begrüßen. Er war weder steinalt noch hatte er Lücken in der deutschen Sprache. Wir sind fast gleichaltrig und sind beide in Schwerin geboren. Manfred ist aber bei Parchim aufgewachsen. Er lebt seit 8 Jahren dort, hat das Haus gekauft, baut es um und aus und hat sich dem Weinanbau und der Weinproduktion im kleinen Rahmen verschrieben. Eine kleine Pension richtet er gerade ein. Platz hat er wirklich genug.

Es war ein unheimlich anregendes und interessantes Gespräch. Er wollte eigentlich heute nach Bolnisi und fragte, ob ich nicht mitwill. Keine Frage, dahin wollte ich ohnehin fahren. So fuhren wir zusammen dorthin.

Unterwegs realisierte ich, dass ich schon einmal in dieser Kleinstadt war. Zur Hochzeit vom Freund meines Kollegen Davit haben wir da die Braut abgeholt. Keiner der Georgier hatte damals aber etwas zur Geschichte der Stadt gesagt. Gut, gefragt hatte ich aber auch nicht.

Auf jeden Fall bietet Bolnisi für Denkmalpfleger ein Betätigungsfeld über Jahre. Es ist eine wunderschöne alte, aber leider marode Bausubstanz vorhanden.

Natürlich kennt Manfred nach 8 Jahren dort viele Leute. Unter anderem auch den Besitzer einer alten Wassermühle. Auch ein Deutscher, der diese Mühle zum Hotel und Restaurant umgebaut hat. Eine Perle in der Gegend dort. Vom Feinsten. Allerdings, das investierte Geld wird er nicht mehr erwirtschaften können. Aber das spielt nicht die Rolle. Es ist ein Liebhaberstück.


Leider war der gute Mann gerade in Deutschland. So verzehrten wir die wirklich schmackhaften Forellen in seinem schönen Restaurant alleine. Aber ich weiß, da fahre ich noch mindestens einmal hin. Manfred hat auch ein paar Mal gesagt, dass wir uns wieder treffen sollten. Weihnachten könnten wir Gans mit Rotkohl und Klößen zubereiten. Ich denke darüber nach, weil ich Weihnachten höchstwahrscheinlich in Georgien verleben werde, wo es natürlich keine deutschen Weihnachtstage gibt.


Dann besuchten wir noch eine Familie, wo alle Russisch sprachen, aber der Mann Tomas heißt. Die deutschen Wurzeln habe ich noch nicht ergründet. Vielleicht nächstes Mal.

Die Hausfrau hatte natürlich etwas zu Essen vorbereitet, aber nach den Forellen waren wir eigentlich schon satt. Es war schon etwas gewöhnungsbedürftig, wie die Familie dort lebt. Dafür aber umso herzlicher.

Auf den ersten Blick erscheint es gar nicht so, aber es ist eine spannende Gegend. Mit einem Stausee, der verschwunden ist, weil ein paar Trottel das Wehr öffneten, um Fische zu fangen. Dann haben sie es nicht mehr zubekommen. Seitdem ist die Natur dort durcheinander. Es gibt auch eine alte Goldmine dort und ehemals vollbewässerte Ackerflächen, aus denen jetzt andere Spinner die Stahlrohre ausbuddeln und verkaufen. So ist die eigentlich fruchtbare Ackerfläche braun wie in Australien, wenn es monatelang nicht geregnet hat.

Ich brachte Manfred nach Asureti zurück und er wusste viel über die Gegend dort zu berichten. Vor Allem Aserbaidschaner haben dort riesige Ländereien gekauft oder gepachtet und betreiben dort sehr fleißig Ackerbau und Viehzucht und schaffen es zu bescheidenem Wohlstand. Es gibt sogar einen McDonalds. Das soll schon was heißen.

Die Straße war auch einmal kurz blockiert, weil eine riesige Schafherde dort langlief. Die Schäfer waren allesamt Azeris. Einer fragte nach Wasser und zufällig hatte ich etwas davon im Auto, weil ein Mitfahrer es irgendwann vergessen hatte. So konnte es schließlich doch noch einem guten Zweck zugeführt werden.

Sonntag machte ich mich auf den Rückweg nach Batumi. Allerdings war das nur für eine kurze Zeit dort, weil ich am folgenden Sonntag, am 24. November, schon wieder in die Hauptstadt musste.

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