Und Arno Wiedmann bemerkt treffend, dass neben seinen ausschweifenden Erzählungen die abendländischen Autoren provinziell daherkommen. Er schrieb in der Frankfurter Rundschau eine blendende Rezension. Und zu guter letzt (Das Substantiv die Letzt = veraltet für Abschiedsmahl hat sich nur noch in der Wendung zu guter Letzt erhalten) offeriert Wiedmann, dass Nizami aus Ganscha kommt. Die Anspielung zielt auf das indiche Wort Ganscha. Es bedeutet Hanf. Wohl deshalb kann Nizami berauschende, die Sinne vernebelnde Lektüre sein - ein spielerisches Vergnügen eben!
Der ganze Text >>>Wenn es so etwas wie Weltliteratur gibt: Nizami gehört dazu. Er lebte im 12. Jahhundert in Gandscha, im heutigen Aserbaidschan. Dort versucht man heute aus ihm einen Nationalschriftsteller zu machen. Über Nizamis Lebensumstände ist nur bekannt, was er in einen Büchern schrieb und was die nach seinem Tode ins Kraut schießende Legendenliteratur sich einfallen ließ. 1141 soll er geboren sein, und von einigen wird sein Todesdatum als der 12. März 1209 angegeben. Nehmen wir also den heutigen Tag als Anlass, an einen der bedeutendsten Autoren persischer Sprache zu erinnern. [...]
Bei Nizami wird die ganze Welt einbezogen in die Liebes- und Eifersuchtsdramen seiner Helden. Kein Wunder, dass er kein Freund des Happyend war. Er war ein Liebhaber der Sehnsucht, ein Verklärer des Geschehenden, und wenn er Schirins Geschichte aus Firdusis "Buch der Könige" übernahm, dann schmolz er hinein ein Porträt seiner früh verstorbenen ersten Frau. Alle Dichtung ist eben auch Bruchstück einer großen Konfession. Er liebte, und er liebte zu wissen. Seine Bücher sind voller Anspielungen. Jeder Satz hat mehrere Ebenen, jedes Wort verschiedene Bedeutungen. Mit allen spielt er. Mit den "lieblichsten Wechselwirkungen innigster Liebe" (Goethe) wie mit den großen Haupt- und Staatsaffären. Er zitiert Platon, Aristoteles, die Physik, die Astronomie seiner Zeit, und zugleich lässt keiner so beredt wie er auf jeder zweiten Seite die Sonne auf- und untergehen. Eichendorff und Terminator in einem.
Wer die Trennungen liebt, wird mit Nizami nichts anfangen können, wen aber das Hybride, die Vermischungen reizen, der wird, hat er erst einmal den Sprung hinein geschafft ins Fremde eines persischen Versromans aus dem 12. Jahrhundert, nicht so schnell wieder von ihm lassen. Der Autor ist witzig, spricht den Leser direkt an, treibt sich zur Eile, wenn es gar zu viel überlegt oder auch geschwärmt wird. Das zeigt, dass, was wir als Kennzeichnen des postmodernen Romans zu verstehen gelernt haben, noch weit hinter Sterne zurückreicht.Nizami macht einem auch klar, dass die Globalisierung nicht immer von Europa ausging, dass die Welt auch vor dem europäischen Imperialismus schon einmal eine Welt war. Nizami saß sein Leben lang in Gandscha, einem Ort, der heute 300 000 Einwohner hat. Die Stadt hieß übrigens von 1935 bis 1989 Kirowabad, nach Sergei Kirow, dessen Ermordung Auslöser und Vorwand für die großen Stalinschen Säuberungen und Schauprozesse war. Davor hatten Kurden, Mongolen, Perser und Türken die Stadt, die ein Zentrum an der Seidenstraße - Gandscha ist das indische Wort für Hanf - war, einander abwechselnd die Stadt erobert.
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