Friday, October 25, 2013

MEDIEN: Fragwürdige Doku: Aust in Aserbaidschan (ndr.de)

(ndr.de) Fragwürdige Doku: Aust in Aserbaidschan
von Kathrin Drehkopf & Christoph Heinzle, NDR Info


 
Mit dem Namen Stefan Aust verbindet man unabhängige Berichterstattung und pointierte Kritik an den Mächtigen. Der frühere "Spiegel"-Chefredakteur ist einer der profiliertesten deutschen Journalisten. Doch jetzt gerät Aust selbst in die Kritik. Experten werfen ihm auf NDR Info und im NDR Medienmagazin ZAPP eine einseitig positive Darstellung des autoritär geführten Staates Aserbaidschan vor. Dabei hatte alle Welt vergangenes Jahr zum Eurovision Song Contest in Baku die Menschenrechtslage in Aserbaidschan diskutiert. Doch eine Fernsehdokumentation von Austs Firma malte gleichzeitig ein auffällig rosiges Bild des Landes.

Der Film "Unterwegs im Land des Feuers - Unbekanntes Aserbaidschan" (YouTube-Link) für den Nachrichtenkanal N24 glänzt mit schönen bunten Bildern und mit einem oft euphorischen Grundton. "Aus den Trümmern des Sozialismus", heißt es in der Dokumentation, "wuchs in nur 20 Jahren ein Staat, dessen Wirtschaft boomt und der mit seiner Mischung aus Tradition und Zukunft einzigartig ist in Europa". 45 Minuten lang ist vor allem von Wachstum und Wohlstand im heutigen Aserbaidschan die Rede.

"Entsetzt" sei er über den Film, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer, bis vor kurzem Sonderberichterstatter des Europarates für die Lage der politischen Gefangenen in Aserbaidschan. Er kann nicht verstehen,"dass man einen Film über so eine Dauer produziert, ohne auch nur einen einzigen Satz darüber zu verlieren, was auch in diesem Land los ist, was die Demokratie, was die Menschenrechte, was die Pressefreiheit angeht - null, nichts". Eine derartige Werbung sei "schon fast unsittlich", so Strässer, und habe mit "objektivem Journalismus nichts mehr zu tun".

Dabei hatten vor allem deutsche Medien die Lage in Aserbaidschan vor dem Finale des Eurovision Song Contest in Baku vergangenes Jahr monatelang kritisch beleuchtet. Zu diesem Anlass auch hatte N24 den Film bei Austs Hamburger Firma Agenda Media in Auftrag gegeben. Der Starjournalist selbst interviewte dafür den Außenminister Aserbaidschans. Gleich sieben Vertreter des staatlichen Ölkonzerns Socar äußern sich zu politischen, historischen und wirtschaftlichen Fragen - aber kein einziger Regimekritiker, Menschenrechtler, Oppositioneller. 

Diskussion über Austs Aserbaidschan-Film
23.10.2013 | 16:38 Uhr
NDR Info
Die Kritik am ehemaligen "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust hält nach Berichterstattung im NDR über einen Aserbaidschan-Film an - auch wegen eines Werbefilms für das autoritär regierte Land.
Audiobeitrag starten (03:20 min)


Stellungnahmen

23.10.2013 | 23:20 Uhr
Christoph Strässer war Sonderberichterstatter im Europarat für politische Gefangene in Aserbaidschan. Über die Aust-Dokumentation zu Aserbaidschan äußert er sich im Interview "entsetzt".
Video starten (14:28 min)

"Ich finde das skandalös", sagt der aserbaidschanische Oppositionelle Emin Milli, der selbst zweimal im Gefängnis saß, bevor er ins Exil nach Berlin ging. Er habe den Eindruck, das sei "ein Stück Propaganda, von der Regierung bezahlt." Über politische Gefangene oder inhaftierte Journalisten etwa sei in der Fernsehdoku nicht die Rede. "Ich habe hier nur eine Story von Aserbaidschan gehört: die der Regierung", so Milli, und leider habe sich N24 von dieser Regierung instrumentalisieren lassen. Der vom Nachrichtensender im vergangenen Jahr gleich mehrmals ausgestrahlte Film blende "konsequent alle kritischen Fragen aus" und wirke mit seinen "einseitig" ausgewählten Interviewpartnern wie ein "Werbefilm" für das vom Alijew-Clan autoritär regierte Land in Vorderasien, meint auch Uwe Halbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Keine Stellungnahme von Aust

Stefan Aust nimmt zu der Kritik nicht selbst Stellung und lässt seine Firma Agenda Media schriftlich antworten. Der Film für N24 sei eine Reportage, "die sich vor allem mit der Geschichte und der Kultur des Landes beschäftigte", während "Kritik am Vorgehen der Regierung" von den aktuellen Nachrichtensendungen auf N24 abgedeckt werde. Auftraggeber der TV-Dokumentation sei N24 gewesen. Es habe keine "Zuschüsse von dritter Seite" gegeben. Der staatliche Ölkonzern Socar habe lediglich "logistische Unterstützung" geleistet und Archivmaterial zur Verfügung gestellt. Socar habe nach Ausstrahlung Rohmaterial von Agenda Media gekauft, das der Konzern "für eigene Zwecke" habe verwenden wollen.

Mit Bildmaterial aus der N24-Dokumentation wurde ein fünfminütiger Imagefilm über Aserbaidschan (YouTube-Link zu "Azerbaijan - Land of the Future") produziert, der bei einer Veranstaltung des staatlichen Ölkonzerns Socar während des diesjährigen Weltwirtschaftsforums in Davos präsentiert wurde - mit Stefan Aust im Publikum. Und das aserbaidschanische Außenministerium zeigt auf seinem Kanal auf YouTube ein 15-minütiges Interview von Aust mit dem aserbaidschanischen Außenminister Elmar Mammadyarov.

Auf Nachfragen an Agenda Media bekam der NDR über die kurze schriftliche Stellungnahme hinaus keine zusätzlichen Antworten mehr. Der erfahrene Fragensteller Stefan Aust selbst möchte zu der Kritik an dem Film ausdrücklich kein Interview geben. SPD-Menschenrechtspolitiker Strässer äußert sich enttäuscht über den prominenten Journalisten. "Wenn da so ein Name dahinter steht, der früher für wirklich kritischen Journalismus gestanden hat, da kann ich nur sagen: da hat es wohl eine schwere Wandlung gegeben."
  
"Mein Eindruck: Das ist Propaganda"
23.10.2013 | 23:20 Uhr
Emin Milli ist Exil-Aserbaidschaner und lebt in Berlin. Im Interview urteilt der Blogger über Austs Aserbaidschan-Dokumentation: "Das ist nicht die wahre Geschichte dieses Landes."
Video starten (11:01 min)
 
+++


(textintern.de) Der N24-Geschäftsführer und Chef der Produktionsfirma Agenda Media, Stefan Aust, ist für eine Dokumentation über Aserbaidschan in die Kritik geraten. Sein für N24 produzierter Film "Unterwegs im Land des Feuers - Unbekanntes Aserbaidschan", in dem er auch als Autor fungierte, beinhalte laut dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) eine "einseitige Darstellung des Landes im Sinne des autoritären Alijew-Regimes". Auslöser für die Berichterstattung des Zapp Medienmagazins und NDR Info war der kürzliche Hinweis eines Zuschauers. Die Dokumentation lief im vergangenen Jahr mehrfach auf N24. Der Film blende "konsequent alle kritischen Fragen aus" und wirke mit seinen "einseitig" ausgewählten Interviewpartnern wie ein "Werbefilm" für das vom Alijew-Clan autoritär regierte Land in Vorderasien, sagte Uwe Halbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gegenüber dem NDR.

Die Kritik bezieht sich vor allem auf ein Interview mit dem aserbaidschanischen Außenminister Elmar Mammadyarov, das der ehemalige Chefredakteur des Spiegel ohne kritische Nachfragen zu der politischen Situation und der internationalen Kritik am aserbaidschanischen Regime geführt habe. Des Weiteren kämen sieben Vertreter des staatlichen Ölkonzerns Socar zu Wort. Das Unternehmen habe mit Material aus der Dokumentation später einen Imagefilm produziert, der auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos gezeigt wurde.

Sender und Produktionsfirma stritten gegenüber dem NDR ab, dass es "Zuschüsse von dritter Seite" gegeben habe. Socar habe lediglich "logistische Unterstützung" geleistet und Archivmaterial zur Verfügung gestellt. Nach der Ausstrahlung habe das Unternehmen "für eigene Zwecke" Rohmaterial von Agenda Media gekauft. Zu der inhaltlichen Kritik hieß es: Der Film beschäftige sich "vor allem mit der Geschichte und der Kultur des Landes", während "Kritik am Vorgehen der Regierung" von den aktuellen Nachrichtensendungen auf N24 abgedeckt werde. (ls) 

+++


Ex-Spiegel-Chef sieht keine Aserbaidschan-”Propaganda”

Stefan Aust kontert NDR-Kritik an N24-Doku

(meedia.de) Der NDR hat in seinem Radioprogramm NDR Info und der MedienSendung “Zapp” Vorwürfe gegen den ehemaligen Spiegel-Chef und TV-Produzenten Stefan Aust erhoben. Aust hat auf seinem Sender N24 im Jahr 2012 im Umfeld des Eurovision Song Contests in Baku eine Doku über Aserbaidschan gezeigt. Kritiker bezeichnen den Film jetzt als “Propaganda”, weil darin keine regierungskritischen Stimmen vorkommen. Aust kontert: “Ein Film ist ein Film, ein anderer Film ist ein anderer.”

Eine Doku für N24 müsse eben so produziert werden, dass sie über einen längeren Zeitraum ausgestrahlt werden kann, so Aust gegenüber MEEDIA. Aktuelle Ereignisse, die schnell überholt sein könnten, würden darum in einem solchen Format ausgespart. Für das aktuell Politische sei das Nachrichtenprogramm von N24 zuständig. Aust: “Über die damals aktuellen Diskussionen zur Lage der Menschenrechte hat N24 vielfach in seinen Nachrichtensendungen berichtet.”

Der NDR zitierte Uwe Halbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der zu Protokoll gab, der Film "Unterwegs im Land des Feuers - Unbekanntes Aserbaidschan" blende "konsequent alle kritischen Fragen aus" und wirke mit seinen "einseitig" ausgewählten Interviewpartnern wie ein "Werbefilm" für das vom Alijew-Clan autoritär regierte Land. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer, bis Januar 2013 Sonderberichterstatter des Europarates für die Lage der politischen Gefangenen in Aserbaidschan, zeigte sich im NDR "entsetzt". "Eine derartige Werbung ist aus meiner Sicht schon fast unsittlich", sagte er. Der Film habe mit "objektivem Journalismus nichts mehr zu tun". Und der im Berliner Exil lebende aserbaidschanische Oppositionelle Emin Milli nannte den N24-Film "ein Stück Propaganda", das wirke, als sei es "von der Regierung in Baku bezahlt".

Der NDR hält Aust außerdem vor, dass Teile seines Films von der staatlichen aserbaidschanischen Ölfirma Socar für einen Imagefilm verwendet wurden, der beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos gezeigt wurde. Bei diesem Gipfel besuchte Aust selbst auch den Socar-Empfang. Außerdem, so der NDR, habe Aust den aserbaidschanischen Außenminister Elmar Mammadyarov interviewt und das Interview sei von der dortigen Regierung bei YouTube eingestellt worden.

Die mehr oder weniger unterschwelligen Vorwürfe: Stefan Aust kungelt mit einem autoritären Regime.

Zur Kritik, dass in der N24-Doku keine kritischen Stimmen zu Aserbaidschan zu Wort kamen sagt Aust zu MEEDIA: “Dieselbe Kritik könnte der NDR übrigens an seine eigene Berichterstattung über den Song Contest in Baku anlegen, dort ist auch nicht in jeder Übertragung auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen worden.” Es könne nicht in jedem Film über alles berichtet werden, so Aust. Es gebe auch Filme über den Baikal See, die nicht auf Menschenrechtsverletzungen in Russland eingingen und Filme über die USA, die nicht die Folter von Gefangenen in Guantanamo thematisieren würden. Der kritisierte Film „Unbekanntes Aserbaidschan“ habe schwerpunktmäßig Geschichte und Kultur des Landes darstellen sollen.

Zu Verwendung von Material seiner Doku in dem Imagefilm des staatlichen Ölkonzerns Socar sagt Aust: “Wir haben Socar zwar Material dafür zur Verfügung gestellt, der weit überwiegende Teil dieses Trailers bestand aber aus Materialien, die in erheblich längerer und ausführlicherer Version zuvor bereits unter anderem auch in der ARD im Zusammenhang mit dem Eurovision Song Contest gezeigt worden sind.”

Es sei richtig, dass er den Socar-Empfang in Davos besucht habe, aber: “Da war ich allerdings nicht der einzige Journalist, auch Politiker wie z.B. der EU-Energiekommissar Günther Oettinger waren dort. Es war auch nicht die einzige Veranstaltung, die ich in Davos besucht habe. Ich interessiere mich nämlich für viele Themen und für viele Länder, reise auch gelegentlich in Staaten, die nicht als ‘lupenreine Demokratien’ gelten. Sich auch mit Konflikt-Regionen zu befassen, gehört nach meinem Verständnis zum Journalismus.”

Dass Medienjournalisten Maßstäbe anlegen würden, die sie selbst nicht erfüllen, sei auch nicht ganz neu, aber das sei ihr gutes Recht, so Aust mit Blick auf die NDR-Medienredaktion “Zapp”. Im übrigen habe er überhaupt nichts dagegen, einen kritischen Film über die politische Lage in Aserbaidschan zu machen. Für einen Auftrag, zum Beispiel vom NDR, stehe er jederzeit bereit.
 
+++
[sueddeutsche.de] Kritische Nachfragen? Fehlanzeige. Der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust hat eine Dokumentation über Aserbaidschan gedreht und ignoriert darin die politischen Missstände im Land. Nun beschäftigt sich das NDR-Medienmagazin "Zapp" mit dem Film.





No comments: