Auf dem Areal des heutigen Platzes der Republik in Tiflis befand sich einst eine über Jahrhunderte gewachsene, kleinteilige Struktur. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden die Holzhäuser abgerissen und der Platz begradigt, um einen Repräsentationsraum zu schaffen.
Zunächst entstand das Luxushotel Iveria, das opulente Bauvorhaben umfasste weiterhin die dreistöckige Unterkellerung des Areals zur Schaffung eines Kommerzzentrums und den Bau eines Stahlbeton-Monuments, im Volksmund "Andropows Ohren" genannt. Erst 1985 entsteht der Raum, der heute als Platz der Republik bekannt ist. Insgesamt dauerte die - unvollendete - Gestaltung des Platzes 20 Jahre. Der Eingriff, den die Bevölkerung von Beginn an als Narbe in der Stadt empfunden hatte, klaffte immer weiter auf. Heute führt eine Hauptverkehrsader über den Platz, er ist ober- und unterirdisch als sozialer Raum nicht nutzbar bzw. ungenutzt.
Entleerte Plätze gibt es nicht nur in Tiflis, doch hier ist die Problematik auch topographischer Natur: Um weithin sichtbar zu sein, wurden Hotel und Platz bewusst am höchsten Punkt der Altstadt in der Nähe des Flusses geplant. Daher ist der Platz zweigeteilt: der obere Teil ist heute als Platz der Republik bekannt, der untere, im ehemaligen Schwemmgebiet der Kura, ist eine brache Zone. Die geplante Verbindung beider Räume wurde nie realisiert. Die ursprünglichen Strukturen sind größtenteils zerstört. Bekannt wurde der Platz durch die Besetzung und Plünderung des Hotel Iveria ab 1991 zunächst durch Soldaten, später durch Flüchtlinge aus Abchasien. Während des Bürgerkrieges flohen etwa 200.000 Abchasier nach Tiflis, das Hotel Iveria wurde zum ersten provisorischen Flüchtlingsheim. Die Ausnahmesituation blieb bis September 2004 aufrecht, wobei die zunehmende Deformierung (etwa wurden die Balkone des Hotels mit Holzschindeln zu Zimmern umfunktioniert) des Hotels Anstoß erregte. Das einstige Repräsentativhotel wurde zum eklatanten Symbol eines ungelösten Konflikts und verlorenen Krieges. Die Silk Road Group, die das Hotel von der Stadt erstanden hatte, ließ es im Herbst 2004 zwangsräumen, pro Zimmer wurden 7000 Dollar Entschädigung gezahlt. Die ehemaligen Bewohner des Hotel Iveria bezeichnen diese Maßnahme als "Second Abkhazia", denn mit den Räumungen (auch des Hotel Adjara) stiegen die Wohnungspreise am Stadtrand rapide, eine Heimkehr nach Abchasien ist jedoch weiterhin unmöglich.
Am Platz der Republik droht sich die Geschichte zu wiederholen: das politische Streben nach einer marktwirtschaftlichen Öffnung des Landes und einer EU-Mitgliedschaft, fördert wiederum die Tendenz, infrastrukturelle Maßnahmen rasch, ohne Nachhaltigkeit und ohne Einbeziehung der Bevölkerung zu setzen. Dazu kommt ein weitgehendes Fehlen öffentlicher Mittel. Die Stadt ist zwar an einer Modernisierung des Platzes der Republik interessiert, doch Privatinvestoren wie die Silk Road Group entscheiden nach kommerziellen und nicht nach gesellschaftlichen Kriterien. Zurzeit werden "Andropows Ohren" abgetragen, vom Hotel Iveria steht nur mehr das Kerngerüst. Es sollte zur Gänze einem modernen Hotel- und Bürogebäude weichen, letzte Meldungen verkünden aber eine Beibehaltung der Grundsubstanz. Der Platz der Republik soll laut Bauaufsichtsbehörde nach westlichem Vorbild (ein Schlagwort ist der Potsdamer Platz in Berlin) gestaltet werden.
Im Aufeinandertreffen verschiedener Motive (Öffentliche Hand, Privatinvestoren,
Bevölkerung) und ungleich verteilter finanzieller Mittel liegt die Gefahr einer einseitigen Entwicklung, allerdings auch die Chance eines Interessensausgleichs.
Link:
* Stadtentwicklung und Unesco- Mandat in Spät- und Postsozialistischen Städten (pdf)
* View from the Hotel Iveria, Tbilisi, Georgia. 2004
* Thomas W. Morley tells you more about the situation of Abchasian refugees in 2003.
* View from the Hotel Iveria, Tbilisi, Georgia. 2004. Photos from Chris Smith
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