Herfried Münkler bestreitet, dass die Georgien-Krise eine Rückkehr in die Ära klassischer Kriegsführung einleitet. Kriege werden auch künftig asymmetrisch sein.
Ist mit dem Krieg in Georgien ein Typus von Krieg zurückgekehrt, den viele Beobachter bereits verabschiedet hatten? Manche Kommentatoren erwecken den Anschein, sie hätten nur darauf gewartet, dass der klassische Krieg wiederkehrt, bei dem die Entscheidung zwischen professionellen Truppen fällt und weder Partisanen noch Terroristen eine Rolle spielen, und der von relativ kurzer Dauer ist, weil ihn beide Seiten mit dem Ziel einer schnellen militärischen Entscheidung führen. Kurzum: der symmetrische Krieg, bei dem die Kontrahenten einander spiegelbildlich gleichen und in dem die materielle und zahlenmäßige Überlegenheit den Ausschlag gibt.
Der Georgien-Krieg war ein solcher Krieg, doch entgegen der Auffassung einiger Beobachter steht er nicht für die Wiederkehr des alten Krieges. Er stellt eine Ausnahme dar, die dem Ungeschick und der Unklugheit der georgischen Führung geschuldet ist. Russland hat davon stark profitiert, Georgien dafür einen hohen Preis bezahlt. Georgien ist in eine Falle gegangen, bei der die Historiker später klären müssen, ob sie von den Russen kalkuliert aufgestellt worden ist oder einfach dagestanden hat. Das mit vier Brigaden erfolgte georgische Vordringen auf das Gebiet Südossetiens war als eine militärische Polizeiaktion angelegt, um die Kontrolle über das völkerrechtlich zu Georgien gehörige Gebiet wieder herzustellen und die dort stehenden schwachen russischen Truppen zu vertreiben.
Dabei ist man offenbar davon ausgegangen, dass die russische Führung dies hinnehmen, dass sie jedenfalls nicht zu entschlossenen Gegenmaßnahmen greifen würde. Sonst hätte man versuchen müssen, mit geeigneten Mitteln den Verbindungstunnel zwischen Nord- und Südossetien zu blockieren, durch den die Verstärkungen der russischen 58. Armee herangeführt wurden. Aber eine solche Form der Gefechtsfeldabriegelung hat man sich vonseiten Georgiens nicht zugetraut. Sie wäre nämlich darauf hinausgelaufen, anstelle einer militärisch verstärkten Polizeiaktion von Anfang an einen Krieg gegen Russland zu konzipieren. Man hätte so die rasche Verstärkung der russischen Kräfte in Südossetien verhindern können, aber dafür einen großen Krieg mit Russland riskiert. Man wollte eine Polizeiaktion, konnte aber die Bedingungen nicht kontrollieren, die dies sichergestellt hätten. Offenbar hat man darauf vertraut, die politischen Rahmenbedingungen seien geeignet, Russland von einem entschiedenen militärischen Gegenhandeln abzuhalten.
Diese Annahme war eine Torheit ohnegleichen.
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Herfried Münkler >>>
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Rezension: Herfried Münkler: Imperien, Rowohlt Verlag, Köln, 2005, 331 Seiten, 19,90 Euro
Sunday, August 24, 2008
ANALYSE: Ausnahme am Kaukasus. Von Herfried Münkler
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