Gestern haben sich die NATO-Außenminister zu einem Krisentreffen in Brüssel versammelt, um über das Vorgehen in der Kaukasuskrise zu beraten. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer verurteilte Russland dabei scharf und forderte einen sofortigen Rückzug aller russischen Truppen. Die europäische Presse diskutiert über die Rolle des Verteidigungsbündnisses nach dem Machtbeweis Moskaus.
Rzeczpospolita - Polen
Die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita begrüßt die scharfen Worte des NATO-Generalsekretärs Jaap de Hoop Scheffer an Russland und fordert ein Durchgreifen der Verteidigungsallianz. "Scheffer ist weder Balte noch Pole, gehört also nicht zu den Nationen, die von Moskau einer irrationalen Russophobie bezichtigt werden. Scheffer hat einfach den Worten ihr Gewicht wieder gegeben. Er erinnerte daran, dass Drohungen einer Raketenattacke ausgesprochen von einem ranghohen Offizier eines Staates, der zu den wichtigsten demokratischen Ländern gehören möchte, nicht normal sind. ... Sowohl Jaap de Hoop Scheffer als auch [US-Außenministerin] Rice haben die beunruhigenden Tendenzen beim Namen genannt. Das ist gut so, denn gerade die Devaluierung der Worte in der Diplomatie hat den Kreml ermuntert, von seiner arroganten Rhetorik zur Politik der Panzer überzugehen. ... Nur dass harte Worte immer noch keine Konsequenzen in der Situation in Georgien haben. ... Die russischen Panzer fahren immer noch über georgischen Boden. Wenn der Westen kein wirksames Druckmittel findet, um die Russen zum Rückzug zu zwingen, wird sein Ansehen stark leiden. Denn Worte allein, auch die stärksten, reichen hier nicht." (20.08.2008)
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Die Presse - Österreich
Die Presse sorgt sich über eine "Schöderisierung" der NATO: "Vor dem gestrigen Sondertreffen war viel von einem 'Wendepunkt' die Rede gewesen - und davon, dass man die Beziehungen zu Russland 'grundsätzlich überdenken' müsse. Alles, was dann in Brüssel herauskam, war die Ankündigung, dass die Beratungen mit Moskau im gemeinsamen NATO-Russland-Rat bis zum Abzug der russischen Truppen ausgesetzt würden. Normalerweise ist man solch schwammige, windelweiche Reaktionen vom EU-Außenpolitik-Beauftragten Solana gewohnt. Aber inzwischen scheint auch die NATO schon weitgehend 'solanisiert'. Die Russen selbst haben schon vor der Georgien-Krise wiederholt klargemacht, was sie vom NATO-Russland-Rat halten - nämlich so gut wie nichts: Eine Quasselbude sei's halt, in der man ein bisschen ins Denken und Tun der westlichen Allianz reinhorchen kann, ohne sich selbst zu allzu viel verpflichten zu müssen. Aber wie weit ist es eigentlich noch von der 'Solanisierung' zur 'Schröderisierung' der NATO? Der deutsche Ex-Kanzler Schröder, des Kremls treuester Propagandist im Westen, hat dem [deutschen Nachrichtenmagazin] Spiegel gerade erklärt, dass von Russland nicht die geringste Gefahr ausgehe und das Land im Westen einfach nur falsch wahrgenommen werde. Ja, ja, das ist Europas lichte Zukunft à la Schröder: Wir werden alle Gazprom-Angestellte, hören Radio Moskau und plappern brav jede Kreml-Parole nach." (20.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Burkhard Bischof
Dagens Nyheter - Schweden
Die Krise im Kaukasus hat deutlich gemacht, wie sehr sich die NATO verändert hat, stellt die Tageszeitung Dagens Nyheter fest. Das sei für Schweden durchaus positiv: "Die NATO hat es nicht einfach. Es gibt keine Einigkeit darüber, wie man handeln soll. Russland muss eine Reaktion zu spüren bekommen und diese Reaktion muss scharf sein, sagt das eine Lager. Nicht sehr klug, sagen die anderen und weisen auf die ökonomischen Verbindungen hin. Die Debatte gleicht mehr dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als einem militärischen Bündnis. Entwickelt sich die NATO zu noch einem internationalen Diskussionsklub? Es sieht danach aus. Wenn eine Organisation wie die OSZE als beschlussfähig und relevant in einem politischen Konflikt erscheint ist es definitiv an der Zeit, die NATO mit neuen Augen zu sehen: nicht mehr als Verteidigungsversicherungsorganisation, aber vielleicht als Organisation, die Personal und Material für Missionen außerhalb der eigenen Grenzen zur Verfügung stellt. Für uns Schweden sollte das der ideale Klub sein. Denn die gegenseitigen Zusicherungen nach dem Motto der Musketiere, 'einer für alle, alle für einen', haben uns bisher abgeschreckt." (20.08.2008)
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Postimees - Estland
Die Tageszeitung Postimees sieht die Bündnistreue der NATO nach der Kaukasuskrise skeptisch: "Wie würde Russland heute reagieren, wenn Estland und die anderen baltischen Staaten jetzt der NATO beitreten wollten? Seien wir froh, dass dies bereits passiert ist. Aber das beantwortet noch nicht die noch wichtigere Frage, ob man uns zur Hilfe kommen würde. Die Klausel, dass im Verteidigungsfall alle Mitgliedsländer füreinander einstehen müssen, ist noch nicht auf die Probe gestellt worden. Aber Äußerungen aus den USA zufolge ist Südossetien mit seinen 70.000 Einwohnern kein Grund für einen Dritten Weltkrieg. Dann müsste man freilich fragen, ab wann ein Land groß genug für eine Intervention ist." (20.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » Mihkel Mutt
The Guardian - Großbritannien
Wirtschaftliche Interessen hinter US-Raketenschild Heute unterzeichnen US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr polnischer Amtskollege Radosław Sikorski das Abkommen über die Stationierung des US-Raketenabwehrschilds in Polen. Der Umweltaktivist und Journalist George Monbiot kritisiert in der Tageszeitung The Guardian, dass damit nur innenpolitische und wirtschaftliche Ziele bedient werden: "Polen ist einfach nur der neueste Strohmann für eine US-amerikanische Außenpolitik, die von Lobbyisten der Militärindustrie in Washington diktiert wird. ... Die amerikanische Regierung versichert, dass die Abfangraketen, die an der baltischen Küste stationiert werden, nichts mit Russland zu tun haben: Ihr Zweck ist es, Europa und die USA gegen die Interkontinentalraketen zu verteidigen, die der Iran und Nordkorea nicht besitzen. Das ist der Grund, warum sie in Polen aufgestellt werden, das, wie jeder texanische Geografiestudent weiß, an beide Schurkenstaaten grenzt. Das System ist seit 1946 in der Entwicklung und hat bis jetzt unterm Strich nichts erreicht. ... Die US-amerikanische Politik ist wegen des Versagens der Republikaner und Demokraten, die Probleme der Kampagnenfinanzierung anzugehen, im Kern verfault. ... Die Bundesregierung ist ein riesiges Wohlfahrtsprogramm für Unternehmen, das jene Industriezweige, die Millionen Dollar an politischen Spenden vergeben, mit Verträgen belohnt, die Milliarden wert sind. Die Raketenabwehr ist der größte Fleischtopf von allen. ... Die Interessen der Regierung waren immer provinziell. ... Die USA haben keine wirkliche Außenpolitik. Sie haben eine Reihe von innenpolitischen Strategien, die sie über ihre Grenzen projiziert. ... Die einzig interessante Frage ist, wer bezahlt wird und wie hoch die politischen Schmiergelder ausfallen." (19.08.2008)
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Alle verfügbaren Texte von » George Monbiot
Wednesday, August 20, 2008
PRESSESCHAU: TOP-THEMA: Neue Rolle der NATO? (eurotopics)
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