Monday, August 18, 2008

SCHICKSALE: Berichte von Betroffenen des Krieges (in deutsch). Part Eight.

Brüder Beka und Giga, 11 und 10 Jahre alt
Beka erzählt: Wir leben in Kechwi, ich bin in der sechsten Klasse, Giga, mein Bruder in der fünften. Ich spiele Fußball und mache Kampfsport. Fußball habe ich in der Jugendmannschaft des Nachbardorfes Atschabeti gespielt. Ich liebe Fußball, meine Lieblingsmannschaft ist „Chelsie".

Es wurde erzählt, dass unsere Schule zerstört worden sei. Ich bin nie besonders gerne zur Schule gegangen, nur georgische Literatur ist mein Lieblingsfach gewesen.

Unsere Oma ist in Kechwi zurückgeblieben, genau wissen wir nicht, wie es ihr geht. Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber man sagte, dass die russischen Truppen sich zurückziehen werden. Mein Vater hat mit meiner Oma telefoniert. Sie hat erzählt, dass eine gute Frau sie und andere Zurückgebliebene aufgenommen hat und es denen nicht schlecht geht. Es werden nur die Häuser angezündet, in denen man Soldatenuniformen und Waffen findet. Unser Haus soll noch stehen, es ist nur ausgeraubt.

Hier in Tiflis fühle ich mich nicht wohl, ich möchte zurück nach hause. Früher haben wir ein Jahr lang in Tiflis gewohnt, schon damals wollte ich zurück. Für mich ist in unserem Dorf alles heimelig. Meine ganzen Freunde kommen von dort. Aber wo die jetzt sind, weiß ich nicht. Nur über zwei Jungen weiß ich Bescheid. Ich war gestern beim Rathaus und habe dort einen Klassenkameraden von mir getroffen. Ich war froh, ihn zu sehen.


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Eschmakuraschwilli Galina, 61 Jahre alt
Ich bin aus dem Dorf Schindisi, das zum Bezirk Gori gehört. Ich habe in unserer Stube Brot gebacken, als sechs Bomben hintereinander in unseren Hof gefallen sind. Ich kann es nicht erklären, aber ich habe nichts gehört, obwohl ich sehr aufmerksam war... Ich habe die Tür geöffnet, konnte aber nicht raus. Nur lauter Qualm, man konnte sonst nichts sehen. Zuerst bin ich zum Nachbarn gelaufen, die waren nicht da. Dann bin ich zur Straße gelaufen, da habe ich die Nachbarn gesehen, die durch die Druckwellen der Bomben zu Boden geworfen wurden. Ich habe sofort die Jungen (Nachbarjungen) vermisst. Wo sollten sie jetzt sein? Später habe ich erfahren, dass sie in Nachbardorf sein sollten.

Mein Haus ist nicht zerstört, aber alle Möbel und das Geschirr sind kaputt. Ich bin nicht am gleichen Tag geflohen, weil ich gehofft habe, dass alles besser wird. Dann habe ich mich beim Nachbarn im Keller versteckt und so haben wir zwei Tage verbracht. Dann haben wir gemerkt, dass wir dort zu nicht mehr bleiben konnten, und wir sind gegangen.

Meine Familienmitglieder - Schwiegertochter und zwei kleine Kinder - waren schon in Satschchere. Zu Hause waren nur mein Sohn und ich. Mein Sohn ist noch ein Tag geblieben und wie ich gehört habe, ist er am nächsten Tag auch nach Satschchere gegangen. Wahrscheinlich ist er immer noch da.

Die Verwandten von uns sind immer noch im Dorf, wir können sie aber nicht erreichen. Sie können keine Akkus laden, weil es keinen Strom mehr gibt.

Gott sei dank, durch die Hilfe von den guten Leuten sind wir hier versorgt, wir bekommen was zum essen, sie haben Brot und Wurst gebracht. Natürlich sind wir sehr dankbar. Eine Woche werde ich hier noch abwarten, dann wird sich wahrscheinlich alles regeln. Unser Dorf wird von Trümmern und von Minen gesäubert. Hauptsache, unsere vier Wände stehen, mehr wollen wir nicht. Bloß, dass es nicht schlimmer kommt.


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Ein alter Man aus dem Dorf Kechvi, der anonym bleiben moechte.
Ich war dort, auf die Haueser wurden Bomben geworfen, in jeden qm fielen Bomben . Drei Hubschrauber und zwei MIGs waren dafuer in Einsatz. Ich sass nur da und wartete auf den Tod. Tagenlang waren wir unter Beschuss. Einmal bin ich frueh um 5 Uhr aufgestanden. Ich habe geplant, mit dem Wagen meines Sohnes wegzufahren, bevor die Kampfhandlungen wieder beginnen. Vielleicht hatten sie genau darauf gewartet, es wurde wieder heftig geschossen und die Haueser zerbombt und zerstoert. Trotz meiner Angst bin ich ins Haus gerannt. Ich habe alle Wertsachen gepackt, in den Wagen geworfen und bin zusammen mit einem Nachbarn, ein junger Mann, losgefahren.

Im Dorf Achabeti waren die Russische Militaereinheiten. In nahen Waldgebiet standen Tschetschenische Kaempfer, die auch die angrenzenden Berge gesetzt hatten. Ich fuhr zu den Russen, da ich annahm, dass dort keine Bomben abgeworfen wuerden und so war es dann auch.

Russen haben mich und meine Sachen durchsucht und zwei Hemden an sich genommen. Sie haben mich nicht getoetet und weiter fahren lassen.

In den Bergen hielten mich die Tschetschenen an. Ich fragte: „Mein Freund, wie geht es dir?" und bot ihnen 10 Flaschen Wein an, die ich von zuhause mitgenommen hatte, sie haben aber darauf verzichtet, nur einer entnahm ein T-Shirt aus meinen Sachen. Als alter Man duerfte ich danach weiter fahren.

So kam ich aus der Gefahrenzone. Die anderen Familiemitglieder, mit Ausnahme meiner Frau, waren schon frueher ausgereist. Meine Frau hielt sich in einem anderen Dorf, Tkviavi, auf und konnte von dort nicht fort, da dort Panzer standen. Bis jetzt habe ich keine Verbindung zu ihr, vielleicht hat sie sich irgendwo versteckt.

Zu der Zeit als ich noch in meinem Haus lebte, wurde es nicht beschaedigt, aber gestern oder vorgestern wurde es nieder gerbrannt. Alle Haueser, in denen Militaer- oder Polizeiuniformen gefunden wurden, wurden zerstoert. Gelegentlich haben wir telefonischen Kontakt zu den Leuten die im Dorf geblieben sind. Sie sagen, es wird alles ausgeraubt und Menschen werden getoetet. Um Spuren zu verwischen, wurden die Haueser zuerst gepluendert und danach verbrannt. Es sind Ossetier die das machen. Mein Traktor und 400 liter Wein wurden auch gestohlen.

Mit der Unterstuetzung der Russen treiben Ossetier auch Rinder nach Vladikavkaz. So etwas passierte schon einmal vor ein paar Jahren. Damals haben uns die Friedenstruppen geholfen, unsere Rinder zureuck zu holen. Es ist bestimmt kein schoenes Erlebnis wenn ich meine Kuehe „Chrela" und „Nisha" in Vladikavkaz finde.

In unserem Dorf haben drei Ossetier gelebt. Wir hatten sehr gute Beziehungen und keinerlei Probleme oder Streit. Doch Ossetier aus Zchinvali sind anders.

Ossetische Orte wurden von Russen zerbombt mit der Absicht es den Georgiern in die Schuhe zu schieben. Wir haben gesehen wie Kampfflugzeuge ossetische Stellungen angegriffen haben. Die Georgische Luftwafe war das nicht.

Ich habe die Bitte, dass ich und wir alle in unsere Haueser zureuck kehren koennen. Hier halte ich es nicht aus, kann ich nicht atmen und finde keinen Schlaff.


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contact: georgiawar@gmail.com

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